“Normverbrauch“ – Auf der Suche nach der Wahrheit

Debattiert wird darüber seit Jahren; auch an Stammtischen. „Was verbraucht Dein Auto denn so?“ – Während der eine euphorisch von regelmäßig erlebten Sparwundern berichtet, ärgert sich ein anderer darüber, dass sein Auto weit mehr Kraftstoff verbraucht als vom Hersteller angegeben.

Die amtliche Messmethode, bekannt unter dem Kürzel NEFZ, steht seit Langem in der Kritik. Moniert wird, der „Neue Europäische Fahrzyklus“ bilde nicht die Bedingungen des realen Fahrzeugeinsatzes ab. Gelegentlich behaupten Kritiker des NEFZ gar, solche Messungen ermöglichten Automobilherstellern zu mogeln. Höchste Zeit, etwas zu ändern?

Ja, der Fahrstil! Er ist die große Unbekannte – oder zutreffender: Er hat entscheidenden Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch. Jeder Autofahrer weiß das. Er kennt natürlich auch den durchschnittlichen „Normverbrauch“ seines Pkws, den der Hersteller ausweist. Der Wert basiert auf dem seit 1996 verbindlichen „Neuen Europäischen Fahrzyklus“. Der NEFZ reproduziere die realitätsnahe Belastung eines Verbrennungsmotors, heißt es, und er ermögliche, „ein „Durchschnittsprofil“ zu erstellen.

Der Haken: Gewonnen werden die Verbrauchswerte auf einem Motoren- oder Rollenprüfstand. Solche Resultate seien von Nutzen, weil sie Vergleichbarkeit garantierten. Das mag so sein. Aber bescheren sie Automobilherstellern wirklich Entwicklungssicherheit, wie behauptet wird? – Befasst man sich näher mit dem NEFZ, kommt die Befürchtung auf, dass das die Gestaltung des amtlichen Prozederes Automobilherstellern eher vage Orientierungen in Sachen Energieeffizienz vermittelt.

Rundum überzeugend muss nicht zwangsläufig sein, was einen amtlichen Stempel trägt und seit Jahren so gehandhabt wird. Kritiker konfrontieren das Vorgehen nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus mit der Realität: In der Fahrpraxis stellen sich die auf Prüfständen ermittelten Kraftstoffverbrauchswerte selten auch nur annähernd ein. Der NEFZ ist nicht mehr zeitgemäß, weil unverzichtbare Verbraucher elektrischer Energie an Bord nicht berücksichtigt werden, obwohl sie den Kraftstoffverbrauch merklich beeinflussen: Ignoriert werden Klimaanlage, Wagen-, Scheiben- und Sitzheizung, Fensterheber, die gesamte Beleuchtungseinrichtung, Audioanlage, Navigationssystem. Einige Tausend Watt können durchaus zusammenkommen. Strombedarf, der auf dem Prüfstand keine Rolle spielt.

Strom aber fliegt einem Auto ja nicht irgendwie zu, sondern muss von der Lichtmaschine erarbeitet werden. Und die zapft dafür, je nach Umfang des Strombedarfs, die Leistung des Motors an, der sich gegebenenfalls mit einem Mehrverbrauch von einigen Litern (!) revanchiert. So aber ist das eben: Komfortansprüche müssen auch mit Kraftstoff bezahlt werden. Trost mag sein, dass sämtliche elektrischen Verbraucher kaum einmal länger gleichzeitig eingeschaltet sind.

Kein Prüfprozedere ist ohne Tücken. Es fixiert Bedingungen, setzt Grenzen, gewährt aber auch bestimmte Spielräume. Beispiel: Wird für den „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ etwa ein Fahrzeug in der Grundausstattung gewählt, sind – den Kraftstoffverbrauch betreffend – günstigere Resultate zu erwarten als bei einem Prüfling in dicker Komfortausstattung. Schon das Gewicht und die Art bzw. Dimension der Reifen sorgen für Unterschiede.

Bekanntlich simuliert der NEFZ einen „Innerorts-Zyklus“ und einen „Außerorts-Zyklus“. Die „Fahrten“ auf dem Prüfstand laufen jeweils nach genau vorgegebenem Muster ab. Der erste Zyklus entspricht einer innerstädtischen Fahrstrecke, der zweite einer Überlandfahrt. Aus beiden Fahrzyklen, die ein leibhaftiger „Fahrer“ auf dem Rollenprüfstand simuliert, lässt sich dann auch der vermutliche generelle „Normverbrauch“ – als Mix aus beiden Resultaten – ermitteln. Die Stadttour erlaubt eine maximale Geschwindigkeit von 50 km/h. Logisch. Bei der simulierten Tour über Land wird Tempo 120 nur einmal kurz angeschlagen. Allein das könnte erklären, warum Autos, die öfter auch „in großer Freiheit“ auf der Autobahn bewegt oder häufig für ausgesprochene Kurzstrecken eingesetzt werden, niemals mit jenem Verbrauchsdurchschnitt glänzen können, der beim „Außerorts-Zyklus“ auf dem Prüfstand erzielt wird.

Fazit: Die zum Teil beträchtlichen Abweichungen zwischen dem nach dem „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ ermittelten Testverbrauch und dem tatsächlichen Kraftstoffverbrauch eines Pkws beim Alltagseinsatz drängen auf die rasche Revision der amtlichen Messmethode. Heutzutage erst echt, da Herstellerangaben zu minimierten CO2-Emissionen – vom amtlich beglaubigten Kraftstoffverbrauchsdurchschnitt abgeleitet – zu umweltpolitischen Glaubenbekenntnissen hochstilisiert werden.

Video: Sprit sparen, aber wie

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Um eine Schlussfolgerung kommt man nicht herum: Solange das verbindliche NEFZ-Prüfstandsprozedere zur Ermittlung des Kraftstoffverbrauchs selbst betriebswichtige Verbraucher an Bord eines Autos außer Acht lässt, werden Siege über den CO2-Ausstoß gefeiert, die, genau genommen, so gar nicht errungen wurden. Auf diese Weise relativiert sich der vor allem von Umweltverbänden gern inszenierte Beifall für Fahrzeuge, die sich der vermeintlich magischen Emissionsschwelle von 100 Gramm CO2 pro Kilometer deutlich nähern oder sie gar schon unterschreiten. Solange prüfstandsgekrönte Autos später im realen Fahrbetrieb mehr Kraftstoff verbrauchen und dementsprechend mehr Kohlendioxid ausstoßen, gibt es Grund zu gedämpftem Frohlocken, aber wohl nicht zum Jubeln.

Zum Glück beweisen zunehmend mehr moderne, rundum gezielt auf Effizienz getrimmte Pkws, dass sie trotz ihres erheblichen „Eigenbedarfs“ an elektrischer Energie – Folge begehrter „Komplettausstattungen“ – auch im normalen Fahrbetrieb beeindruckend sparsam mit Kraftstoff umgehen können. In Kooperation mit überlegtem Fahrstil erst recht, wie sich erst kürzlich bei der Audi Efficiency Challenge zeigte.

Sicher ist zutreffend und gleichermaßen wichtig, dass der Neue Europäische Fahrzyklus einen Vergleich von Fahrzeugen zulässt. Überzeugender aber wäre eine vergleichende amtliche Verbrauchsmessung, deren Ergebnis der Kraftstoffverbrauch im realen Fahrbetrieb der Autos weitgehend bestätigte. Gern werden Prüfstandssieger mit geringen CO2-Emissionen – etwa auch dank abgekoppelter Stromverbraucher – auf den Umweltthron gehoben. Mit solcher Spartugend aber kann das Gros ihrer Anverwandten im alltäglichen Fahrbetrieb nicht unbedingt aufwarten. Autobesitzer beklagen das. Verständlich.

An einem weltweit harmonisierten Prüfzyklus für Pkws werde gearbeitet, heißt es. Das Vorhaben hat zumindest schon einen Namen: Worldwide harmonised Light vehicles Test Procedures. In der EU soll WLTP im Jahr 2014 eingeführt werden. Noch lange hin. Zunächst muss der neue Zyklus detailliert ausgearbeitet sein. Und natürlich überzeugen.

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