Blue-Train-Rennen im Bentley

Blue-Train-Rennen im Bentley – Fernduell ums Technik-Prestige

Das Rennen als Gemälde. Allerdings mit dem falschen Auto. Bilder

Copyright: Bentley

In Zeiten weder winter- noch sommerfester ICEs ist es schwer vorstellbar: Doch noch in den 1930er-Jahren galt die Eisenbahn dem Auto als haushoch überlegen. In zahlreichen spektakulären Wettrennen sollte der Verbrennungsmotor dem Dampfantrieb aber seinen Vorsprung abjagen. Zu den bekanntesten automobilen Siegern zählt der Bentley Speed Six. Die Zeitschrift „Oldtimer Markt“ hat das Rennen nachgezeichnet.

Von der Cote d’Azur nach Calais

Es war eine Schnaps-, oder besser, Whiskey-Idee, als der Millionär Woolf Barnato 1930 wettete, mit dem Auto früher von Cannes nach England zu gelangen als der damals bewunderte Schnellzug „Blue Train“ für die Fahrt von der Cote d’Azur nach Calais brauchte. Derartige Wettrennen waren damals schwer in Mode. Züge waren in Sachen Tempo zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Maß aller Dinge, schon 1903 lag die Höchstgeschwindigkeit auf Schienen bei über 200 km/h – Autos hatten zu jener Zeit noch nicht einmal die 150er-Marke geknackt. Erst nach dem Ersten Weltkrieg hatte der Motorwagen die Eisenbahn in den offiziellen Rekordlisten überholt, aber auf Langstrecken waren schienengebundene Fahrzeuge den Automobilen natürlich weiterhin überlegen – schließlich gab es noch kein gut ausgebautes Schnellstraßennetz, wie wir es heute kennen. Wettfahrten gegen bekannte Expresszüge brachten eine Menge Prestige für die Autohersteller – so sie erfolgreich verliefen.

Benzin-Nachschub gesichert

Der Millionär und Bentley-Finanzier wartete am Abend des 13. März mit Amateur-Golfer Dale Bourn, der ihn am Steuer ablösen sollte, auf die Nachricht von der Abfahrt des „Blue Train“. Als diese abends gegen sechs Uhr kam, leerten die beiden Engländer ihre Drinks und fuhren los. In Aix-en-Provence, gut 150 Kilometer weiter, tankten sie den Bentley noch mal voll. Nachts in der französischen Provinz eine offene Tankstelle zu finden, darauf wollte sich Barnato nicht einlassen. Er hatte also dafür gesorgt, dass in Lyon eine Zapfsäule in einer Werkstatt nach Mitternacht besetzt blieb, und für vier Uhr morgens einen Tanklaster nach Auxerre südlich von Paris bestellt. Dennoch beschlich ihn Unbehagen und er brachte noch zusätzliche Benzinkanister im Außenkoffer am Heck unter.

Verspätung

Dumm nur: Mit dem vielen Sprit an Bord setzte der Wagen immer wieder auf, so dass Barnato maximal 130 fahren konnte. Allerdings fuhr der Nachtexpress mit all seinen Waggons auch nicht schneller. Die zwei Briten erreichten Lyon eine Minute vor Mitternacht. Doch dann begann es stark zu regnen, was sie zurückwarf. Mit 20 Minuten Verspätung mussten sie sich in Auxerre erstmal auf die Suche nach dem Tank-Lkw machen, dessen Fahrer ihn in der Stadt parkte und nicht wie verabredet außerhalb. Inzwischen aber schüttete es selbst für den Geschmack eines vom britischen Sommer verwöhnten Engländers etwas zu viel, so dass sie in Paris bereits eineinhalb Stunden hinter ihrem Zeitplan hinterher hingen.

Vier Minuten Vorsprung

Natürlich begab es sich genau zu dieser Zeit, dass auch noch ein Reifen platzte. Und natürlich war nur ein einziges Reserverad an Bord. Es durfte kein derartiger Vorfall mehr passieren – „das wär’s sonst gewesen“, so Barnatos lakonischer Kommentar später. Er ließ es also ruhig angehen und erreichte morgens um halb elf Boulogne. Rechtzeitig, um als Erster auf die Fähre nach Folkestone zu fahren. In England rollte er als erster vom Schiff herunter, um 15 Uhr 20 parkte er ihn vor seinem Club in der St. James Street in London, vier Minuten bevor der Zug in den Bahnhof von Calais einfuhr. Die Wette war gewonnen, das Empire um eine Legende reicher. Zu der übrigens auch gehört, dass Bentley ob der Schmach für die Grande Nation vom Pariser Autosalon im Herbst 1930 ausgeschlossen wurde.

Legende wurde ausgeschmückt, übertrieben und umgedeutet

Allerdings wurde die Legende mit den Jahren ausgeschmückt, übertrieben und umgedeutet. In diesem Fall wurde sogar das Fahrzeug verwechselt. Auf dem berühmten Gemälde von Terence Cuneo zumindest ist nicht der von Barnato gefahren Saloon zu sehen, sondern das erst ein Jahr später überhaupt gebaute Sportsman-Coupé. Das eignete sich für die Legendenbildung auch deutlich besser, zumindest im Vergleich zur eher schmucklosen Limousine.

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