Hintergrund: Das lange Sterben von MZ

Kurz vor Jahresende hörte eine weitere deutsche Motorradmarke auf zu existieren: MuZ, die Motorrad und Zweiradwerk GmbH, schickte die letzten verbliebenen 40 Mitarbeiter nach Hause. Musste es so kommen? – Nach Mauerfall und Wiedervereinigung schien sich die traditionsreiche Marke mit wertvollen DKW-Wurzeln für eine erfolgreiche Karriere ohne planwirtschaftliche Fesseln entschlossen fit zu machen. Von Anfang an aber befand sie sich auch in einer ungewohnten Konkurrenzsituation, die – wie sich bald herausstellte – den zügigen MZ-Start in die Marktwirtschaft erschweren sollte. MZ hatte etwas, was BMW nicht hatte. Zoff war vorprogrammiert. Und am Ende ein Sieger.

Die Freude währte nicht lange. Dass aus einem „VEB Motorradwerk Zschopau“ keine Motorräder mehr rollen würden, war nach dem Ende der DDR logisch. VEB hatte ausgedient. Kein Grund zum Trauern. Ernst wurde es erst, als die bundesdeutsche Treuhandanstalt ein Sanierungskonzept zur – wie es hieß – „Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit“ von MZ vorlegte, das von der Betriebsleitung des Zschopauer Werkes jedoch abgelehnt wurde. Prompt drohte die Anstalt unter der Präsidentschaft jener Frau, die sich bald einen wenig ehrenvollen Namen machte, die Liquidation des Unternehmens bis Mitte 1992 an. Diese Frau, Birgit Breuel, schien nicht lange fackeln zu wollen. In Zschopau ahnte man jedenfalls, was die Glocke geschlagen hatte.

Bangemachen galt nicht. Selbstbewusst ging die verbliebene Belegschaft 1991 daran, wie bisher ordentliche, zuverlässige Motorräder auf die Räder zu stellen – auch nachdem das Motorradwerk Zschopau zum Motorrad und Zweiradwerk (MuZ) umgetauft wurde. Aus dem VEB wurde eine GmbH. Deren Verwaltung zog 1993 in den Nachbarort Hohndorf um. Nachdem im Februar 1994 das letzte Motorrad im traditionsreichen Zschopauer Werk vom Band gelaufen war, eine zweitaktende 125er „Saxon Sportstar“, wurde auch die Fertigung nach Hohndorf verlagert. Nach und nach formierte sich eine ganz neue Modellpalette, die sich zunehmend vergrößerte. Darunter waren die ersten MuZ-Viertakter – getauft „Skorpion Sport“ und „Silver Star Classik“ mit 660- bzw. 500-cm3-Einzylindermotor.

Wer weiß aber heute noch, dass es bereits zu DDR-Zeiten ein Einzylinder-Viertakt-Motorrad mit dem Markenzeichen MZ gab! Genau an dieser Maschine hing maßgeblich das Wendeschicksal der Marke. Sein Entstehen hatte das Motorrad einem Auftrag der DDR-Obrigkeit zu verdanken. Weil MZ-Zweitakter mit ihrer bläulichen Abgasfahne auf Dauer keine Empfehlung für die Maschinen polizeilicher Begleitstaffeln waren, die immer mal wieder Limousinen mit Staatsgästen zu eskortieren hatten, bekam MZ letztlich den Auftrag, eine „rauchfreie“ Viertakt-Maschine für solche Einsätze zu konzipieren. Daraufhin entstand in Zschopau ein solches Gefährt, genannt „Escort“MZ. Mit 500-cm3-Rotax-Motor. Zum eigentlich angedachten Einsatz kam die Maschine nicht mehr. Die Wende war schneller.

MZ nutzte die Gunst der Stunde und trieb fortan die Entwicklung dieser Viertakt-Maschine mit zivilem Outfit voran. Man war überzeugt, dass ein sportlich daherkommender Einzylinder-Viertakter mit dem MZ-Label durchaus Chancen auf dem Motorradmarkt haben würde. Das muss auch BMW so gesehen haben. Alsbald wurde die 27 PS leistende, nüchtern „MZ 500 R“ getaufte und ab 1991 ausgelieferte Maschine zum „Streitobjekt der Begierde“ zwischen den Sachsen und den Bayern, wie „PS-Report“ im April 1992 konstatierte.

Jetzt, da bei MuZ die Lichter endgültig ausgingen, ist durchaus Veranlassung, noch einmal an die Hund-und-Katze-Situation zwischen MZ und BMW Anfang der Neunzigerjahre zu erinnern. MZ hatte etwas, was BMW seinerzeit fehlte: eine preiswerte Einsteiger-Maschine für Viertaktliebhaber. Damals beobachtete „PS Report“: „Ton und Gangart im Umgang mit MZ werden zunehmend rauer.“ Die „Treuhand“, die – wie sich bald herausstellte – diese Bezeichnung in zahlreichen Fällen gänzlich zu unrecht trug, setzte MZ – wie „PS Report“ seinerzeit befand – „kurzerhand erpresserisch die Pistole auf die Brust“. Die Forderung: 12.500 verkaufte Motorräder bis 30. Juni 92! Oder es ist unwiderruflich aus.

Und damit „das treuhänderische Ultimatum die nötige Brisanz erhielt“, schrieben wir damals, „verordneten Breuel & Co. dem eingeschüchterten Unternehmen gleich noch einen außerordentlichen vertrauens- und verkaufsfördernden Zusatz zur Firmenadresse: „GmbH i. L.“ – eine Art Betäubungsspritze für die aufmüpfigen Zschopauer. Wer sollte Verlangen spüren, mit einer „Gesellschaft in Liquidation“ ins Geschäft zu kommen!

Mit einem kalten Bremsmanöver solcher Art wollte es der damalige BMW-Chef Eberhard von Kuenheim nicht bewenden lassen. In einem Brief an einen Bundesminister fand er ausgesprochen aufmunternde Worte: „MZ besitzt nach unserer Auffassung eigentlich kaum noch eine Substanz … Es gibt weder eine Entwicklungsabteilung, die zukunftsversprechend ist, geschweige denn, dass konkurrenzfähige Produkte vorhanden sind.“

Derweil brachte das Gerücht vom Dienst in Umlauf, dass es bei BMW Überlegungen gebe, ebenfalls eine Einzylinder-Maschine für Einsteiger zu konzipieren; zusammen mit Aprilia. „PS Report“ fragte nach. BMWs damaliger Motorradpresse-Chef, Hans Sautter, bestätigte auf Fax-Anfrage im Mai 92: „Wir beschäftigen uns schon seit längerer Zeit mit dem Thema eines „BMW-Einsteigermotorrads.“ Aus ersten Kontakten mit dem italienischen Motorradhersteller Aprilia Anfang 1989 entwickelte sich im Laufe der Zeit eine konkrete Kooperationsprojektidee, die kurz vor einem Vertragsabschluss steht. Ziel der Kooperation zwischen BMW und Aprilia ist die gemeinsame Entwicklung eines Einsteigermotorrads für BMW, das einen modifizierten 650-cm3-Einzylindermotor von Rotax (!! – d. A.) erhalten und bei Aprilia in Noale gebaut werden soll.

Alles klar? – Heute wohl doch. Aber nun ist ja alles Geschichte! Weder der angedachte viertaktende Hoffnungsträger Skorpion anno 1994 mit 650-cm3-Motor von Yamaha noch die kantig-sportliche zweizylindrige 1000er, eine in der Bikerszene hochgelobte Eigenentwicklung (117 PS), konnte den früh eingeleiteten Niedergang der Zschopauer Motorradtradition aufhalten.

Jetzt gibt es MuZ nicht mehr. Die bewegte Erlebnisschleife der traditionsreichen deutschen Motorradmarke nach Mauerfall und Wiedervereinigung hat ein Ende, nachdem der letzte Eigner, der malaysische Investor Hong Leong Industries, das Handtuch warf. Absatz und Erlös hätten nicht befriedigen können, klagt derjenige, der Ende 1996 ins MuZ-Geschäft eingestiegen war, um – wie er kundtat – das Unternehmen binnen zehn Jahren wieder zu einem wichtigen europäischen Motorradhersteller zu machen. 2006 hätte man Hong Leong an das Vorhaben erinnern sollen.

Punktgenau mit der Geschäftsaufgabe lief nun Ende 2008 die Bindefrist für Fördermittel des Freistaates Sachsen aus, die jahrlang nach Zschopau flossen. Das Zusammenfallen von Geschäftsaufgabe und Versiegen des Fördermittelquells ist selbstverständlich reiner Zufall!

Sicher, den Nachwende-Neustart der weltweit bekannten Motorräder aus dem Erzgebirge haben auch Managementfehler und zeitweilige personelle Fehlbesetzungen bei der Geschäftsführung nicht gefördert. Dem neuen, bis 2004 amtierenden Chef fesselten offenbar andere Leidenschaften. Kein Mensch brauche doch eine MZ, soll er einmal gesagt haben.

Für die frühe Lähmung der Marke MZ, die letztlich auf ein langsames Sterben hinauslief, haben die Zschopauer Motorradbauer keineswegs selbst gesorgt. Im Gegenteil! Das Beharrungsvermögen, mit dem sie sich für den Fortbestand einer erfolgreichen deutschen Motorradmarke einsetzten, bleibt bewunderungswert. Die Angriffe, die MZ galten, kamen aus verschiedenen Richtungen, von außen. Das böse Wort vom Plattmachen wird sich halten.

(Entnommen aus der aktuellen Ausgabe des Branchen-Informationsdienstes PS-Automobilreporter)

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Gast auto.de

Januar 23, 2009 um 8:30 pm Uhr

Egal ob Handys, Waschmaschinen, Kleinwagen usw. Dadurch dass sämtliche Soziallasten der Arbeitnehmer hierzulande zu tragen hat, lassen sich keine Produkte im Mittelpreissegment mehr herstellen. Sie werden einfach zu teuer und damit nicht mehr konkurrenzfähig. BMW lebt auch nur gut, weil viele Leute bereit sind für den Namen viel extra Geld zu zahlen. Deutschland bietet einfach nicht die Voraussetzungen mit Kampfpreisen und guter Qualität (vgl. Kymco) gegen die etablierten anstinken zu können.

Gast auto.de

Januar 21, 2009 um 8:04 pm Uhr

wirklich schade um diese tolle motorradschmiede !"
hab selbst jahrelang eine MZ gefahren, sie war einfach toll.
und das mit BMW : genau so habe ich die herrschaften bisher eingeschätzt !!!

Kai-Uwe Hein

Januar 19, 2009 um 11:03 am Uhr

Viele Gründe haben dazu geführt, dass unsere Traditionsmarke nun endgültig verschwunden ist. Ein selbstverliebter P.K.Korous (Geschäftsführer aus der Tschechei !!!?!!!) hat genauso dazu beigetragen wie die (UN-)Treuhand und vielleicht sogar die liebe Konkurrenz aus Bayern. Aber was unter Hong Leong passierte (wieso sind die Zeiten so schlecht, dass wir deutsche Firmen an Asiaten verkaufen???), war ein schlichtes Abgreifen von Fördermitteln der EU und des Freistaates. Was hat denn dieser Konzern zur Entwicklung von MZ beigetragen? NICHTS!!!

Gast auto.de

Januar 18, 2009 um 5:02 pm Uhr

warum bloß hat bmw sich nicht bei mz eigekauft.
dafür steigen sie mit vielen millionen bei husquarna ein, wirklich eine tolle deutsche motorradmarke !!!
meine nächste kommt auch nicht mehr aus dem hause BMW 1

Gast auto.de

Januar 16, 2009 um 5:45 pm Uhr

‚vielleicht war ja NECKERMANN alles schuld ‚?????
-kein komentar!
Ich jedenfalls bin jahrelang BMW (800er) und MZ (Mastiff) gefahren und hatte mit der MZ deutlich weniger Reparaturen als mit der BMW.
Ich werde, auch aus dem Hintergrund mit MZ, keine BMW mehr kaufen !

Gast auto.de

Januar 15, 2009 um 8:55 pm Uhr

Vielleicht sollten die Verschwörungstheoretiker und Alle-Anderen-sind-Schuld Klager mal auf ihre Hand achten. Wieviele Finger weisen in welche Richtung?

Vielleicht war ja NECKERMANN alles Schuld. die haben in meiner Generation MZ vertrieben. Damit war bei mir aus dem Motorrad-Fokus raus. Und kamm nie nicht mehr in Betracht.

Gast auto.de

Januar 15, 2009 um 11:52 am Uhr

Verschwörungstheoretiker aller Länder vereinigt Euch. Der MZ-Rotax-Motor ist der gute alte 504er, bereits 1981 vorgestellt, von zahlreichen Herstellern verwendet. Der BMW-Rotax-Single war eine komplette Neuentwicklung, basierend auf dem Motor für die Aprilia Pegaso. Bitte nur einmal ein Foto der Rotax-MZ ansehen, dann ein Bild der BMW F 650 und sich ehrlich die Frage beantworten: Welche hätte ich gekauft? Überhaupt: Die MZ Skorpion mit Yamaha-Motor waren feine Singles, gekauft hat sie trotzdem kaum einer. Und wenn, dann nur mit dicken Preisnachlässen. MZ hat ganz einfach ein kilometerbreites Imageproblem. BMW hin, böse Treuhand her.

Gast auto.de

Januar 14, 2009 um 8:04 pm Uhr

Wer mit solchen Mitteln arbeitet wie BMW, hat keine Achtung verdient. Außerdem stehen Preis und Leistung bei BMW nicht im Verhältnis. Auch für mich steht eine solche Marke nicht zur Wahl.

Gast auto.de

Januar 14, 2009 um 7:34 pm Uhr

Dass die 1000er nie ein ABS hatte, scheint wohl auch der Verdienst der BMW-Lobby zu sein. Hoiffentlich kauft den Marlkennamen jemand, der Visionen hat und baut wenigstens MZ im Premiumbereich. Eine 1000er Zweizylinder Zweitakter mit 100 PS und sattem Drehmoment wäre mal interessant. Im Artikel fehlt mir die 125er MZ 4-Takter. Die hat durch Leistung überzeugt.

Gast auto.de

Januar 14, 2009 um 1:37 pm Uhr

Schade um MZ und bezeichnend für BMW !
Aus dankbarkeit werde ich deshalb niemals mehr eine BMW kaufen !!!

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