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Kleine Wohnmobil-Typenkunde: Von Nasenbären und Landyachten

Pick-up mit Wohnauflieger: Sattelzug von Tischer. Bilder

Copyright: Tischer

Reisemobile sind bei den Deutschen beliebt wie nie zuvor. Urlaub mit dem Camper ist in, die Branche verzeichnet Absatzrekorde. Die Anzahl der angebotenen Modelle ist schier unüberschaubar. Doch es gibt natürlich auch Unterschiede, denn los geht es bei 40.000 Euro – und nach oben besteht im Prinzip keine Grenze. Und ein Reise- ist noch lange kein Wohnmobil. Grundsätzlich unterscheidet man ausgebaute Kastenwagen (auch Vans genannt), Alkovenmobile, Teilintegrierte und Integrierte. Zudem gibt es Sonderformen wie Fernreise- und Expeditionsmobile, Pick-ups mit fest montierten oder absetzbaren Wohnkabinen oder mit Wohnaufliegern. Die bevorzugten Reiseziele und die geplante Reisezeit spielen bei der Auswahl des richtigen Reisefahrzeugs eine wesentliche Rolle. Enge Gassen in romantischen Winzerorten sind wenig geeignet für eine „Landyacht“ mit üppigen Abmessungen. Die wird einem die Urlaubsfreude vermiesen, wenn man damit im wahrsten Sinne des Wortes die Kurve nicht kriegt. Auch eine zu große Außenhöhe ist beim Unterqueren von Brücken, bei Tunnel- oder Tordurchfahrten oft hinderlich. Wer für seine Urlaubsreisen auf die Nutzung von Fähren angewiesen ist merkt rasch, dass längere Mobile ins Geld gehen. Denn die Fährpassagen bemessen sich nach Fahrzeuglänge, jeder angefangene Meter kostet. Ein Fahrzeug, in dem sich sechs Personen im skandinavischen Winter aufhalten sollen, muss anders dimensioniert und ausgestattet sein als ein Reisemobil, mit dem zwei Personen im Sommer den Süden erkunden. In der warmen Jahreszeit spielt sich ein Großteil des Urlaubs im Freien ab, das Mobil kann etwas kleiner ausfallen. Im Winter hingegen verbringt man einen guten Teil des Urlaubs im Fahrzeug, das vernünftig isoliert und gut beheizbar sein sollte. In einem zu kleinen Fahrzeug geht sich eine Familie mit mehreren Kindern ziemlich schnell auf die Nerven. Beim Reisemobil – nomen est omen – liegt der Schwerpunkt der Nutzung auf dem Reisen. Dafür sollte das Fahrzeug kompakt und wendig sein, zudem – relativ – flott für schnelle Ortswechsel. Reisemobile sind für all jene Camper gedacht, die meist nicht länger als zwei, drei Tage an einem Ort bleiben. Die zudem auch ein alltagstaugliches Fahrzeug suchen, das sich auch außerhalb der Reisesaison nutzen lässt. Bei einem Wohnmobil liegt der Schwerpunkt seines Einsatzes auf dem Komfort im Stand. Dafür braucht es ein entsprechend dimensioniertes Fahrzeug mit hinreichend Raum für die Bereiche Wohnen, Kochen, Schlafen und das Sanitärabteil. Ausgebaute Kastenwagen oder Vans nutzen als Basis Kleinbusse oder Lieferwagen mit serienmäßiger Stahlblech-Karosserie. Sie sind durch ihre meist kompakten Abmessungen und die erreichbaren Geschwindigkeiten reise- wie alltagstauglich. Beim Platzangebot hingegen muss man Abstriche machen. Das gilt noch mehr für die Mini-Reisemobile, Hochdach-Kombis wie Citroen Berlingo, Renault Kangoo oder VW Caddy mit eher spartanischem Ausbau: Ein kleiner Küchenblock, eine Liegefläche und Stauraum müssen in dieser Klasse genügen. Der klassische „Reise-Bus“ ist nach wie vor der VW Bus, mit dem das Segment vor rund einem halben Jahrhundert begründet wurde. Er ist vielleicht „das“ Reisemobil schlechthin. Es gibt zwei Sitzplätze im Fahrerhaus, dazu eine Sitzbank im Heck mit weiteren zwei bis drei Sitzplätzen. Umgeklappt entsteht aus der Sitzbank ein Doppelbett, ergänzt durch ein weiteres im Dachbereich. Realisierbar ist etwa ein festes Hochdach, das im Stand Stehhöhe bietet. Flacher – und damit noch garagentauglich – gerät das Fahrzeug mit einem aufstellbaren Schlafdach. Das muss jedoch im Stand zum Erreichen von Stehhöhe erst aufgeklappt werden. Zudem ist es in der Regel nicht so gut isoliert wie ein Hochdach. So taugt es eher für den Sommerurlaub, punktet aber durch geringere Fahrzeughöhe und günstigeren Kraftstoffverbrauch. Der übliche Grundriß bietet einen auf der Beifahrerseite angeordneten Küchenblock mit Spüle, Kühlschrank und Kocher, im Heck ergänzt um Stauraum. Ab etwa 40.000 Euro ist ein ausgebauter VW Bus zu haben. Eine Nummer größer als Ausbauten des VW Bus sind Modelle auf Basis des Fiat Ducato, Mercedes-Benz Sprinter oder VW Crafter. Bei entsprechend größerer Außenlänge bieten sie auch Platz für eine Nasszelle. Und, je nach Abmessungen und Grundriss, auch für ein fest installiertes Doppelbett. Die Preise starten bei rund 60.000 Euro. Über lange Jahre hinweg galten Alkovenmobile als das Wohnmobil schlechthin. Kennzeichen dieser Fahrzeuge sind die über das Fahrerhaus mit serienmäßigen Stahlblechtüren hinaus ragenden Überbauten (Alkoven). Sie brachte den Mobilen auch den Beinamen „Nasenbären“ ein. Im Alkoven befindet sich üblicherweise ein Doppelbett, mittlerweile sind auch zwei längs installierte Einzelbetten realisierbar. Das macht die Mobile ideal für Familien mit Kindern und auch für die Vermietung. Durch die dicke Nase sind die Alkovenmodelle meist relativ hoch, mit entsprechendem Kraftstoffverbrauch. Dafür bieten sie andererseits reichlich Platz und ein für Familien ausreichendes Bettenangebot. Mit Stockbetten im Heck oder an der Seite kommen selbst mehrere Kinder für die Nacht unter. Auch Paare ohne Kinder schätzen das Platzangebot der Alkovenmobile. Der schnarchende Partner kann ins Oberstübchen verbannt werden und obendrein ist dort reichlich Platz für Bettzeug, Jacken oder Mäntel. Die Preise für „Nasenbären“ starten bei rund 45.000 Euro. In den vergangenen Jahren überholten die Teilintegrierten die einst so beliebten Alkoven-Fahrzeuge in den Absatzzahlen. Ihre Front ist flacher und aerodynamischer. Das ganze Fahrzeug hat daher gegenüber einem Alkovenmobil eine geringere Außenhöhe. Der Spritverbrauch ist geringer, dafür muss jedoch auf das fest installierte Doppelbett verzichtet werden. Über den Fahrerhaussitzen absenkbare Hubbetten stellen mittlerweile aber die Alternative dar. Nicht durchsetzen konnten sich Teilintegrierte, die mit aufstellbaren Schlafdächern kombiniert wurden. Ausgebaute Kastenwagen nutzen die kompletten Stahlblechkarosserien von Transportern oder Kleinbussen, bei Alkovenmobilen und Teilintegrierten bilden Fahrgestelle mit serienmäßigem Fahrerhaus die Basis des Reise-Fahrzeugs. In der Königsklasse des Wohnmobil-Baus, bei den Integrierten, kommen lediglich Fahrgestelle zum Einsatz. Der Wohnaufbau ist von vorne bis hinten durchgängig neu karossiert. Der Aufbau integriert auch das Fahrerhaus mit den beiden Fahrerhaussitzen. Diese können nach hinten gedreht und so in die Sitzgruppe mit einbezogen werden. Womit auch klar ist, woher diese Fahrzeug-Gattung ihren Namen hat.
Alkovenmodell: Hobby Siesta De Luxe A65.

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Integrierte sind die teuerste Ausführung eines Wohnmobils

Ihre Form erinnert mit den großen Frontscheiben an einen Reisebus. Im Fahrerhaus gibt es oft ein Hubbett, also ein über den Fahrerhaussitzen vom Dach her absenkbares Doppelbett. Die relativ großen (bis hin zum echten Reisebus-)Chassis, die beim Integrierten zum Einsatz kommen, sorgen für kaum zu toppenden Fahr- und Wohnkomfort. Ist die „Landyacht“ für den Ausflug in den malerischen Weinort zu üppig geraten, kein Problem: Bei etlichen Integrierten gibt es eine Heckgarage. Darin haben entweder motorisierte Zweiräder, der Smart oder selbst ausgewachsene Sportwagen Platz. Vor allem die relativ hohen Anschaffungskosten – ein Integrierter kann durchaus mehr als eine Million Euro kosten – sorgen dafür, dass die rollenden kleinen Wohnungen keine Massenware sind. Günstiger kommt man mit einem Pick-up mit fest montierter oder absetzbarer Wohnkabine weg. Basisfahrzeuge sind (oft allradgetriebene) Pritschenwagen mit offener Ladefläche und einem Fahrerhaus mit Platz für zwei bis sechs Personen Platz. Auf der Ladefläche – oder statt dieser – wird eine Wohnkabine montiert. So ist das Fahrzeug außerhalb der Urlaubszeit für Transporte nutz- und möglicherweise auch steuerlich absetzbar. Je nach Bauart kann die Kabine in etwa zehn bis zwanzig Minuten (de-)montiert werden. So ist das Basisfahrzeug am Urlaubsort für Ausflüge und Erkundungen bereit. Eine Wohnkabine ist ab etwa 25.000 Euro zu haben. Relativ elegant lässt sich das Platzproblem mit einem Wohn-Sattelzug lösen, wie sie vor allem in den USA beliebt sind. Auf der Pritsche eines Pick-ups wird zum Ziehen eines Wohnaufliegers eine Sattelkupplung montiert. Der Vorteil gegenüber einem Wohnwagen-Gespann ist das bessere Fahrverhalten und die (bei gleicher Wohnraumlänge) geringere Gesamtlänge des kompletten Zugs, da ein Teil der Wohnfläche über die Pritsche ragt. Wer abseits ausgefahrener Touristenpfade unterwegs sein will, der greift zum Fernreise- oder Expeditionsmobil. Auch hier gilt es, den geeigneten Kompromiss zwischen (noch) handlichen Abmessungen und ausreichendem Wohn- und Lebensraum zu finden. Kleinere Mobile basieren auf Geländewagen, meist von Toyota, Land Rover oder Mercedes-Benz. Die Ausstattung ähnelt denen in den ausgebauten Kastenwagen, ebenso steht es um die aufstellbaren Schlafdächer. Die mittlere Klasse reicht bis etwa siebeneinhalb Tonnen zulässigem Gesamtgewicht, mit Basisfahrzeugen von Mercedes, VW, Iveco oder MAN, immer in Kombination mit traktionsförderndem Allradantrieb. In der „großen“ Klasse kommen selbst 8x8-getriebene Allrad-Lkw zum Einsatz. Und das zu Preisen, die auch schon einmal siebenstellig werden können. Für das Geld kann man dann aber auch mitten in der Wüste Mozart aus den Lautsprechern der Multimedia-Anlage bei einem edlen Tropfen aus dem bordeigenen Weinvorrat genießen.

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Pick-up mit Wohnkabine von Bimobil.

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