MV Agusta Brutale 800: Überlebenshilfe mit Nachschlag

Angesichts der Historie von MV Agusta mit ihren wechselhaften Erfolgen, Eigentümerwechseln und Finanzlücken müsste die weltweite Wirtschaftskrise den italienischen Motorradhersteller mächtig beuteln. Doch seit einer umfassenden Restrukturierung des gesamten Unternehmens seit August 2010 sieht es gut aus für die in Varese beheimatete Motorradschmiede. Damals kaufte der frühere Firmenboss Claudio Castiglioni seinen Markennamen für den symbolischen Euro zurück und beendete damit ein zweijähriges Engagement von Harley-Davidson. Wichtigste Grundlage für die Resistenz gegenüber der Marktentwicklung ist eine überarbeitete Modellpalette mit bezahlbaren Motorrädern und einem selbst entwickelten Dreizylindermotor. Jüngstes Projekt dieser Entwicklung ist die Brutale 800, ein Mittelklasse-Naked-Bike mit markantem Ovalscheinwerfer und atemberaubender italienischer Linienführung.

Ausgehend von der gedrungen wirkenden Front wird die Silhouette zum filigranen Heck mit der formschönen Einarmschwinge hin immer luftiger. Optischer Mittelpunkt ist der Dreizylindermotor mit dem aufsehenerregenden Schalldämpfer, der seine drei Orgelpfeifen auf der rechten Fahrzeugseite nach hinten reckt.Der 81 Zentimeter hohe Sitz fällt niedrig und schmal genug für die meisten Fahrerstaturen aus. Auf Anhieb ergibt sich ein gutes Gefühl fürs Motorrad dank kompakter Dimensionen, einer erstaunlich großzügigen Ergonomie und einem geringen Gewicht von 184 Kilogramm. Heiser bellt die Brutale aus dem Auspuff und erstaunt mit unerwartet sanftem Ansprechverhalten.

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Doch mit dieser Art der Zurückhaltung ist es schnell vorbei, sobald man ihr die Sporen gibt: Im zweiten Gang beschleunigt sie herzhaft und lupft prompt das Vorderrad. Einen solchen Charakterwandel hätte man ihr nicht zugetraut, zumal der weitgehend identische Dreizylinder-Antrieb mit nur etwas weniger Hubraum in der Brutale 675 weit weniger Biss zeigt. Doch 123 Kubikzentimeter Extra-Hubraum bescheren eine Extraportion Druck: 92 kW/125 PS sind für ein Naked Bike der Mittelklasse schon ein Wort, doch mit 81 Newtonmetern Drehmoment liefert die 800er rund ein Viertel mehr als andere Dreizylinder und produziert dies bei viel niedrigerer Drehzahl. Für den Hubraumzuwachs waren eine neue Kurbelwelle und neue Pleuel notwendig, neue Kolben erhöhen die Verdichtung.

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Während der Zylinderkopf und die restlichen Motorenbauteile unverändert blieben, hat die Kupplung eine zusätzliche Scheibe bekommen, ein 43er Ritzel verlängert die Übersetzung.Dazu kommt ein Elektronikpaket mit Ride-by-wire-Gasgriff und vier Motormappings (Sport, Normal, Rain und Custom). Eine achtstufige Traktionskontrolle lässt sich vom linken Lenkerende bedienen. Im Normal-Modus ist die Brutale mit ihrer heiseren Auspuffnote leicht durch den Verkehr zu dirigieren ist ? sieht man einmal vom allzu knappen Lenkeinschlag und der leicht verzögerten Gasannahme bei Leerlaufdrehzahl ab. Der Regen-Modus fühlt sich etwas blutleer an, zudem lässt ein voll aufgerissener Gashahn die automatisch sensibel eingestellte Traktionskontrolle den Zündfunken unterbrechen.

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Bei Sport geht?s dann richtig vorwärts und man merkt der 800er ihre sportliche Herkunft an. Dann wirkt sie aggressiv und trotzdem kontrollierbarer und schneller als die kleine Brutale, denn bei jeder Drehzahl steht mehr Druck zur Verfügung, ein Herunterschalten zum Überholen ist nicht notwendig. Nur das bisweilen hakelige Sechsganggetriebe stört den guten Eindruck.Ein Hingucker ist das Fahrwerk mit dem charakteristischen Rahmen aus Gitterrohr- und Leichtmetallsektionen, im Gegensatz zur kleineren 675er machen voll einstellbare Federelemente den wertigen Eindruck komplett. Im offenen Geläuf macht es einen Heidenspaß, die Brutale durch die Kurven zu hetzen und auf die kurzen Geraden zu beschleunigen – diese MV macht einfach zu viel Spaß, als dass man mit ihr nur durch die Gegend zockeln möchte.

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Schnelle Richtungswechsel gehen gut und dank der straffen Federelemente auch stabil von der Hand. Für sportlichen Landstraßenbetrieb genügt die Abstimmung, wer an Rundzeiten auf der Rennstrecke feilen möchte, findet mit dem mannigfach einstellbaren Fahrwerk genügend Möglichkeiten. Und wie steht?s um die Alltagstauglichkeit? Der Windschutz ist minimal, der 16,6-l-Tank nicht sonderlich groß, das schmale Polster nicht besonders komfortabel und das Zubehörprogramm erschöpft sich mit dem Schaltautomaten EAS für 400 Euro. Doch die Brutale macht einen wertigen Eindruck, sieht toll aus, fährt sich auch so und trägt den legendären Namen MV Agusta. Dass dieses Paket mit 9990 Euro vergleichsweise günstig zu haben ist, macht die Brutale 800 so attraktiv und lässt das Unternehmen durchaus realistisch von schwarzen Zahlen träumen.Thilo Kozik/mid

Technische Daten MV Agusta Brutale 800

Straßenmotorrad mit flüssigkeitsgekühltem Reihen-Dreizylinder-Viertakt-Motor, vier Ventile je Zylinder
Hubraum 798 ccm
Bohrung x Hub 79,0 x 54,3 mm
maximale Leistung 92 kW/125 PS bei 11 600 U/min
max. Drehmoment 81 Nm bei 8 600 U/min
  elektronische Kraftstoffeinspritzung, G-Kat, Sechsganggetriebe, Gitterrohr-Leichtmetallguss-Brückenrahmen, Upside-Down-Telegabel, Aluminium-Zweiarmschwinge mit angelenktem Zentralfederbein, zwei Scheibenbremsen vorn, eine hinten
Reifen vorn 120/70 ZR 17
hinten 180/55 ZR 17
Sitzhöhe 810 mm
Tankinhalt 16,6 Liter
Leergewicht 184 kg
zul. Gesamtgewicht 364 kg
Preis 9990 Euro

 

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