Niedersachsen: Autofahrer unter Generalverdacht

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Bei vielen Autofahrern löst diese Vorstellung erhebliches Unbehagen aus: Die Kennzeichen ihres Fahrzeugs werden auf Verdacht gescannt und überprüft. Gleichzeitig wird Ort und Zeit der Kontrolle festgehalten. „Rechtschaffene Bürger haben ein Recht auf datenfreie Fahrt“, kritisiert Oliver Steinkamp vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung die Praxis in Niedersachsen. Seine Beschwerde hat das Bundesverfassungsgericht aber zurückgewiesen – aus formalen Gründen.

50 Millionen Autofahrer unter Generalverdacht

„Die Streubreite der niedersächsischen Ermächtigung zu Dauerkontrollen an fast beliebigen Straßen steht außer jedem Verhältnis zum Ertrag der Maßnahme. Dieses Gesetz ist kompetenzwidrig, unklar und unverhältnismäßig. Ganz allgemein bin ich der Überzeugung: 50 Millionen Autofahrer in Deutschland dürfen nicht als potenzielle Verbrecher unter Generalverdacht gestellt werden“, so Steinkamp. Niedersachsen müsse endlich dem Vorbild anderer Länder folgen und das massenhafte Scannen der Kfz-Kennzeichen einstellen.Der Hintergrund des Streits ums Nummernschild-Scannen: Im Jahr 2008 hatte das Bundesverfassungsgericht ein hessisches und ein schleswig-holsteinisches Gesetz zum Kfz-Massenabgleich für verfassungswidrig und daher für nichtig erklärt. Der schleswig-holsteinische Innenminister Lothar Hay zog die Konsequenzen und stellte die Aktionen ein: Das Kfz-Scanning binde Personal, das an anderen Stellen sinnvoller für operative Polizeiarbeit zum Schutze der Bürger eingesetzt werden könne. „Das Kfz-Scanning hat sich als ungeeignetes Instrument zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit erwiesen“, so Hay damals.

Trefferquote: 0,1 Prozent

In Niedersachsen wurden laut Landesregierung im vergangenen Jahr mit 13 Lesegeräten mehr als 450 000 Kfz-Kennzeichen gescannt. „Die Trefferquote lag lediglich bei 0,1 Prozent“, kritisiert der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Es sei nicht einmal bekannt, ob durch einen der wenigen Treffer tatsächlich eine konkrete Gefahr abgewendet worden sei. Sprich, ob dadurch ein Verbrechen verhindert werden konnte.

Einwand formaljuristische gescheitert

Mit seinem Vorstoß ist Steinmann zwar vorerst aus formaljuristischen Gründen gescheitert – er hatte eine Frist versäumt. Allerdings fühlt er sich durch die Aussage des Bundesverfassungsgerichts in seiner Haltung bestätigt. Die Richter hatten nämlich erklärt, der Kfz-Massenabgleich in Niedersachsen werfe „gewichtige verfassungsrechtliche Fragen“ auf.Und vom Tisch ist das Thema sowieso noch nicht: Verfassungsbeschwerden gegen die Ermächtigungen zum Kfz-Massenabgleich in Hessen und Baden-Württemberg befinden sich noch in der Prüfung. Und im Herbst will das Bundesverfassungsgericht über eine Klage gegen diese Praxis in Bayern verhandeln.

Nicht immer liegt die Technik richtig

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung kritisiert an dem umstrittenen Verfahren vor allem, dass Autofahrer durch die fehleranfällige Technik jederzeit irrtümlich angehalten und kontrolliert werden könnten. Je nach Wetter werde etwa jedes 20. Kennzeichen falsch eingelesen. „Aufgrund des massenhaften Abgleichs kommt es dadurch stündlich zu Falschmeldungen“, so die Aktivisten. Außerdem würden mit dem Abgleich der Kfz-Kennzeichen „auch verdeckte Bewegungsprofile für Polizei und Geheimdienste erstellt“, er „entfalte insgesamt eine schädliche und abschreckende Wirkung auf unsere Gesellschaft“. Dem stehe aber kein nennenswerter Nutzen gegenüber.

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