Phänomen Smart

Smart-Phänomen in Nanjing

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Schriller geht's nicht: Tina Xu, Mo Zhang und Ashley Chang tragen rote, lila und gelbe Haarsträhnen, Ultra-Minis über Netzstrümpfen, High Heels oder Sneekers. Andere staksen zu leibhaftigen Manga-Figuren aufgebrezelt durch ein Meer von Pfützen. Alle klammern sich an Handtaschen von Gucci, Prada, Ives Laurent - vermutlich sind diese sogar echt. In der anderen Hand glitzern Strass besetzte Smartphones. Gut aufgelegt erreichen junge Chinesinnen eine Party in der Millionenstadt Nanjing, die als Trendsetter-Metropole im volksrepublikanischen Speckgürtel gilt. Es ist Montagabend, und es regnet in Strömen. Doch die Kraft ihrer obsessiven Gelassenheit wirkt so wasserfest wie die Mobiltelefone der jungen Menschen. Auf Teleskopstangen montiert, schießen sie fortwährend Selfies. Die sozialen Netzwerke von WeChat, QQ und Weibo müssen gefüttert werden. Junge Chinesen sind ständig online. Viele Aufgehübschte haben Großfamilien im Schlepptau, darunter zahlreiche Kinder. Der Anlass zum Feiern scheint nebensächlich! Was zählt: Essen und Getränke sind frei, und man kann etwas gewinnen. Chinesen spielen und wetten für ihr Leben gern.
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Viele bunte Smarts

Die meisten fallen aus großen Limousinen und Geländewagen, von Chauffeuren außerhalb des Festgeländes geparkt. Denn Einfahren dürfen heute nur Gleichgesinnte einer kaum drei Jahre alten Bewegung, die sich über automobile Zwerge definiert und auf den ersten Blick so gar nicht ins Bild der chinesischen Mega City passen. Sie fahren Smart Fortwo, die so bunt und schrill dekoriert sind wie ihre überwiegend weiblichen Fahrer. Ausgerechnet Smart! Denn im Riesenreich einer nach Status gierenden, in automobiles Großwild verliebte Eliten wirken die gestauchten Zweisitzer wie beräderte Insekten. Dass sie Lieblinge einer elitären Szene sind, hat nur vordergründig rationale Ursachen. Als Zweit- oder gar Drittwagen werden sie vielmehr gefahren, wenn es gilt, in der uniformen chinesischen Gesellschaft ein Statement zu setzen. Nur welches?

Wir mischen uns unter die Gäste der Smart-Party und lernen: Innerhalb nur eines Jahres hat die Kleinwagenmarke in Nanjing über 1.000 Zweisitzer verkauft. Das ist die größte Smart-Dichte pro zugelassener Autos weltweit. Anlass genug für Smart-Chefin Annette Winkler, eine Smart-Party auszurichten und eigens dafür einzufliegen. Sie begrüßt die Gäste als Helden einer neuen automobilen Bewegung. Frau Winkler ist Mrs. Smart, jubelt und antichambriert: „Jiao wo Annette. Wo men shi jia ren!“ (übersetzt: Nennt mich Annette. Wir sind eine Familie! Sie ruft es in Mandarin) An diesem Abend ist Frau Winkler Chinesin, richtet Gruppenspiele aus, posiert unermüdlich für Selfies und verlost am Ende einen Smart Fortwo der neuen Generation – für einen Monat. Die Party-Gäste toben. Die Gewinnerin weint vor Freude. Annette bittet zu Gruppenfotos auf die Bühne. Der Vorhang fällt. Noch immer regnet es draußen Katzen und Hunde. Doch was soll’s? Durchnässt, aber heiter springt Vuan Vumiao in ihren Smart voller Plüschfiguren, wechselt High Heels gegen Ballerinas und lässt den Dreizylindermotor schnattern. Es geht nach Hause – oder zur nächsten Party. Wer weiß?

Dem Phänomen Smart auf der Spur

Am nächsten Morgen frühstücken wir bei Familie Zhijun Yan. Der Smart des Universitätsprofessors parkt noch in der Tiefgarage von Nanda Heyuan, einer Wohnanlage am Stadtrand von Nanjing. Sie kostet umgerechnet 15.000 Euro im Jahr. Frau Mo Zhang serviert derweil im fünften Stock Grünen Tee mit Jiao zi, eine Art chinesische Dampfnudel. Wir sind dem Phänomen Smart auf der Spur: Warum kaufen so viele Chinesen den Zweisitzer im Gegenwert einer ausgewachsenen Limousine? In 2011 sah Zhijun zum ersten Mal einen Smart Fortwo - im Film "Pink Panther". Dessen Wendigkeit faszinierte ihn und sein kindliches Gesicht. Er kaufte sofort. "Damals war ich einer von zehn Smart-Besitzern in Nanjing.", erinnert er sich. Als Mann am Smart-Steuer ist er noch heute in der Minderheit. Auch im Kollegenkreis mit vier weiteren Smart. "Viele Passanten fragen, ob ich ein Elektromobil fahre. Obwohl der Smart längst zum Stadtbild gehört." Es ist 7 Uhr. Der sechsjährige Sohn Yuezhang Yan hat seine Reissuppe geschlürft, muss zur Schule. Für 30 Minuten Schulweg nimmt seine Mutter den Honda CR-V. Zhijuns Englisch-Vorlesung beginnt später. Er fährt 15 Minuten im Smart. Der verbrauche wenig Treibstoff, flitze wie eine Maus durch den Berufsverkehr und finde auf dem Campus hinter jeder Hecke einen Parkplatz. Zhijun argumentiert rational. Sein nächster Smart werde elektrisch fahren, weiß er schon heute: "China braucht unbedingt bessere Luft!" Bo Zhang stellt sich als "Office Lady" vor. Seit einem Jahr besitzt die Mittdreißigerin...
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