2007 im Rückspiegel – September bis Dezember: Kämpfe und Krämpfe

(adrivo.com) Eine furiose DTM-Saison fand ab September ihr noch furioseres Ende – und darf als zweifelhafter Höhepunkt in der Geschichte der neuen DTM gelten.

Nach Frieden und Harmonie hatte sich die DTM nach den Zandvoorter Verbalduellen gesehnt – und sah die frommen Wünsche nur zeitweise befriedigt. Ein unspektakulärer Ausflug in die beschauliche Eifel sorgte kurzzeitig für Abkühlung, bevor der vorletzte Saisonlauf in Barcelona erst zum Höhepunkt einer ohnehin schon turbulenten Saison wurde. Der Circuit de Catalunya als Kegelbahn, die Audi-Verantwortlichen als Boykott-Kommando: Der Endspurt der Saison 2007 brachte, was sich zuvor niemand auszumalen wagte…

September: Autokorso & Autoscooter

Mit komfortablem Meisterschaftsvorsprung geht Mattias Ekström nach den Abt-Audi-Rochaden von Zandvoort ins drittletzte Rennen auf dem Nürburgring – und findet sich nur auf Startplatz zehn wieder. Nach niederländischen Verbalduellen geht es in der beschaulichen Eifel wohltuend bodenständig zu: Martin Tomczyk landet einen unspektakulären Start-/Ziel-Sieg, Ekström wird bis auf Rang drei durchgewunken – unter anderem von Mercedes-Pilot Jamie Green, der sich später von seiner eigenen Gutmütigkeit sichtlich betrübt zeigt. Eifeler Großzügigkeit statt Zandvoorter Rauflust? Grenzwertige Zweikämpfe werden offenbar auch von der neuen Rennleitung bereits schmerzlich vermisst: Sie will endlich ihre lang erwartete, erste Durchfahrtsstrafe vergeben – und findet ihr Opfer in Mike Rockenfeller, der in gewohnter Boshaftigkeit am Start seinen Markenkollegen Markus Winkelhock übersehen hat…

In Barcelona erwartet die DTM-Welt erneut eine der mittlerweile berüchtigten Streckenmodifikationen. Bernd Schneider analysiert die neue Schikane gewohnt prägnant: Sie sei so, wie sie sei. Am Samstag findet sich Mattias Ekström abermals auf Rang zehn wieder – und plant eine erneute Spazierfahrt aufs Podest. Was folgt, ist Motorsportgeschichte: Der vorletzte Saisonlauf in Barcelona endet im Eklat. „Häkkinen verwechselt DTM mit Autoscooter“, lauten die spöttischen Schlagzeilen, nachdem zunächst ausgerechnet der zweifache Formel-1-Weltmeister mit Martin Tomczyk den ersten Ingolstädter Titelkandidaten ins Aus gekegelt hat. Es folgt nach finnischem Vorbild das Aus für Mattias Ekström im Zweikampf mit Daniel La Rosa – das Teamchef Hans-Jürgen Abt am Kommandostand mit gänzlich unfinnischem Temperament kommentiert. Luhr vs. Spengler und Spengler vs. Spengler lauten die weiteren Abschnitte einer Stock-Car-Tragödie, die Dr. Wolfgang Ullrich mit einem vorzeitigen Abzug der übrigen Audi-Boliden quittiert. Es siegt rein zufällig ein Mercedes-Pilot – dessen nun unbestrittene Siegfähigkeit jedoch erst beim kommenden Rennen Beachtung finden sollte…

Vorsatz oder Zufall, unsportliche Verzweiflungstaten bei Mercedes oder eine kindische Trotzreaktion bei Audi? Längst sind es nicht mehr nur diese Fragen, die die DTM-Protagonisten – und ihre pfeifenden Zuschauer – beschäftigen. Die Zukunft der DTM steht auf dem Spiel. Wie es so weit kommen konnte? Mathias Lauda berichtet später von aufgeweichten Schuhsohlen, die regelrecht am Gaspedal seiner C-Klasse klebten – und das Bremsen erschwerten. Fehlerhafte Schuhsohlengummimischungen als Ursache der folgenreichen Karambolagen? Auch die Schlagzeilen der Pressemitteilungen der Hersteller laden zum Lachen ein: „Jamie Green siegt bei turbulentem Rennen“, titelt Mercedes, bei Audi hat man angesichts einer turbulenten Spanien-Ausbeute von drei Punkten nur eine Nachricht an den Weihnachtsmann parat: „Audi wünscht sich sportliche Titelentscheidung“

Oktober: Stuttgarter Flughafen – Ingolstädter Triumph

Nur langsam erholt sich die DTM-Welt vom spanischen Eklat. Die angekündigte, vieräugige Krisengespräch der beiden Sportchefs findet erst wenige Tage vor dem Saisonfinale in Hockenheim statt. Zehn Tage nach dem Abtritt von Transrapid-Redner Edmund Stoiber steigen Norbert Haug und Dr. Wolfgang Ullrich zwar nicht in den Münchener Hauptbahnhof, dafür jedoch in den Stuttgarter Flughafen ein, um ausgerechnet hier einen Friedenspakt zu schließen. Das Ergebnis ist durchaus beachtlich: Vom tragischen Aus der DTM will in Hockenheim niemand mehr etwas wissen, der letzte Saisonlauf läuft weit gehend zivilisiert ab: So betreibt Timo Scheider versehentlich Friendly Fire gegen seinen Markenkollegen Martin Tomczyk – und entledigt ihn damit seiner Titelchancen. Auch Mattias Ekström muss um den Titel zittern, handelt er sich doch mit einem miserablen Setup immer miserablere Rundenzeiten ein.

Es scheint die Stunde von Bruno Spengler zu schlagen, der dem Titel für die schwäbischen Lokalmatadoren aus Audi-Sicht bedrohlich nahe kommt – sich dann jedoch einer Ingolstädter Blockadetaktik ausgesetzt sieht. Vor dem Kanadier herschleichend muss Audi-Jahreswagenpilot Mike Rockenfeller seinen Boxenstopp, natürlich ganz im eigenen rennstrategischen Interesse, so weit hinauszögern, bis ihm der Sprit ausgeht – und sich Spenglers Puls auf 180 steigert: „Es war wie immer in diesem Jahr: Audi hat mehr für das Team gekämpft, wir mehr für den Sport“, bilanziert der HWA-Pilot, der in den Jubel um Mattias Ekströms zweiten Titel nur bedingt einstimmen mag. Somit misslingt im Rahmen der sonntäglichen Pressekonferenz auch die Inszenierung der perfekten Harmonie zwischen Ingolstadt und Stuttgart, die aus dem Kampf für die Zukunft der DTM einen Krampf werden lässt…

November: Finnischer Rückschlag

Weiterhin versucht man, nach dem turbulenten Saisonendspurt zur Ruhe zu kommen – die in der DTM gewohntermaßen unspektakuläre Winterpause kommt diesem Vorhaben zu Gute. Dennoch bringt bereits zu Begin des Monats eine Rücktrittsnachricht Aufruhr in die DTM-Welt: Mika Häkkinen tritt vom aktiven Motorsport zurück. Der Finne will sich keinen weiteren Autoscooter-Vorwürfen ausgesetzt sehen; die Safety-Car- und reglementarischen Abenteuer der Saison haben ihm zugesetzt. Mit Mika Häkkinen verlässt ein Star die DTM-Bühne, der sich um die Serie, aber auch um den Motorsport zweifelsohne verdient gemacht hat.

Die Suche nach einem ähnlich PR-trächtigen Nachfolger gestaltet sich schwierig: Nach der kläglich gescheiterten Ehe zwischen Audi und Heinz-Harald Frentzen will man insbesondere in Ingolstadt keine weiteren Abenteuer mit Ex-Formel-1-Piloten eingehen. Streuten die Herren der Ringe im vergangenen Winter noch selbst Gerüchte um eine Verpflichtung Juan-Pablo Montoyas und Jacques Villeneuves, so wehrt man sich nun nach Kräften gegen kolportierte Wechsel Ralf Schumachers in den DTM-Audi. Viel zu langsam präsentierte sich Ralf im F1-Toyota, viel zu schnell laut Boulevardpresse Bruder Michael im Opel-Taxi: Bei Audi sehnt man sich nach Konstanz und fahrerischer Balance, die man, wie im Rahmen der Essen Motorshow verkündet, durch das bekannte Neuwagenquartett auch für 2008 gegeben sieht.

Dezember: Sportchef sucht Frau

Kein Rücktritt – keine Neuverpflichtung: Die Adventszeit gestaltet sich in der DTM äußerst unspektakulär. Mit Freuden beobachtet Dr. Wolfgang Ullrich, wie sein brandneuer DTM-Bolide diesmal schon Mitte Dezember statt wie in der Vorsaison Anfang März erstmals das Licht der Teststrecke erblickt. Um die freien Cockpits ranken sich weiterhin nur Gerüchte – abgesehen von der Nachfolge für Vanina Ickx. So wird es laut dem Audi-Sportchef auch weiterhin eine Dame sein, die gegen Mercedes-Pendant Susie Stoddart im Audi-Gebrauchtwagen antritt. Damen, die seit kurzem im Besitz der Führerscheinklasse B oder ihren europäischen Äquivalenten sind, sind von Audi bereits gesichtet worden…

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