Die FIA-Urteilsbegründung: Kein Einfluss auf das Auto

(adrivo.com) Renault ist einer Bestrafung entgangen. In der Urteilsbegründung verriet die FIA wieso.

„Der World Motor Sport Council befindet Renault in Bruch des Artikels 151c des Internationalen Sporting Codes, spricht aber keine Strafe aus, da es keine Beweise gibt, dass die Weltmeisterschaft beeinflusst wurde.“ So lautete das dritte Spionageurteil des Jahres 2007 – zuvor war McLaren Mercedes schon zweimal vor dem WMSC gestanden, einmal kam man wie Renault mit einem Rüffel davon, einmal gab es einen heftigen Schlag mit der Rute.

Was ist passiert?

Die zweite Spionagegeschichte des Jahres begann am 7. September, als Renault McLaren und die FIA darüber informierte, dass der ehemalige McLaren-Mitarbeiter und neue Mechanical Design Engineer von Renault, Philip Mackereth, bei seinem Arbeitsbeginn McLaren-Informationen mitbrachte. Dabei stellte der WMSC fest, dass Mackereth neben vertraulichen Informationen von McLaren, auch Informationen mitnahm, die nicht im Besitz von McLaren waren sowie einige persönliche Informationen. Mackereth kopierte 33 Dateien auf 11 Disketten und nahm diese mit zu sich nach Hause. Darauf enthalten waren 18 Zeichnungen. Zudem mailte er sich selbst eine Datei namens „peak2.tif“, die er später umbenannte und die aus einem speziell gesicherten McLaren-System stammte, welches eigentlich keine Kopien zulassen sollte. Des Weiteren nahm Mackereth zwei Papierzeichnungen eines Massedämpfers und eines so genannten J-Dämpfers mit.

Bei seinem Arbeitsbeginn bei Renault ließ Mackereth die Daten von der IT-Abteilung in sein persönliches Verzeichnis laden, wo nur er darauf Zugriff hatte. Laut Renault waren das 207 Seiten Material, von denen 108 McLaren-Informationen enthielten. Insgesamt sollen 111 der 762 Seiten Material, die Mackereth von McLaren mitnahm, auch McLaren-Informationen enthalten haben. „Mackereth nahm eine große Menge an Informationen mit“, heißt es in der Urteilsbegründung des WMSC. „Aber die Beweise zeigen, dass nur vier Zeichnungen einem anderen Mitarbeiter von Renault gezeigt wurden.“ McLaren habe darauf hingewiesen, dass andere Dokumente möglicherweise auch diskutiert wurden, konnte dafür jedoch keine Beweise vorlegen.

Was wurde damit gemacht?

Die vier Zeichnungen waren eine Schematik des Benzinsystems von McLaren, das Getriebelayout und die beiden genannten Dämpfer, deren Zeichnungen Mackereth in Printform mitnahm. Bezüglich des Benzinsystems gesteht Renault, dass mindestens zwei Renault-Ingenieure die Zeichnung gesehen haben, nämlich Chefdesigner Tim Densham und Designingenieur Gordon Hardie. „Die Beweise zeigen, dass von der Zeichnung eine Fotokopie durch Mr. Hardie angefertigt wurde, aber es gibt keine eindeutigen Beweise, dass sie weiter verwendet wurde. Er bestreitet das“, so die Urteilsbegründung. Hardie soll die Kopie auf einem Papierstapel gehortet haben, bis sie Mackereth im September zurückhaben wollte, um sie zu zerstören.

Renault betonte, dass die Schematik für sie nicht von Interesse gewesen sei, weil das McLaren Benzinsystem gänzlich anders funktioniere als jenes von Renault. McLaren hingegen betonte, dass das Benzinsystem „in höchstem Maße innovativ und einzigartig“ sei, was für jedes andere F1-Team von Nutzem wäre. Die Technikabteilung der FIA urteilte: „Es scheint keine Ähnlichkeiten zwischen dem McLaren-Design und den Renault Benzinsystemen seit 2006 zu geben.“ Demnach sah der WMSC es als nicht erwiesen an, dass die Schematik die Entwicklung des Renault F1-Autos beeinflusst habe.

Mackereth zeigte Densham und dem Chef der Getriebeabteilung eine Zeichnung des McLaren-Getriebes. Auch hier wurde eine Kopie in einem Papierstapel von Densham aufbewahrt. Densham betonte, er habe sich die Zeichnung nur aus „akademischem Interesse“ angesehen, weil die Getriebe für 2007 und 2008 zu diesem Zeitpunkt bereits designt gewesen wären und eine andere Philosophie verfolgen. McLaren wiederum betonte, dass die Zeichnung das innovative „seamless shift“ Getriebe darstelle und für jedes F1-Team von Interesse sei. Die FIA-Techniker kam zu dem Schluss: „Es gibt keine Beweise dafür, dass die McLaren-Informationen das Design des Renault-Betriebes für 2007 und 2008 beeinflusst hat.“ Die einzige fundamentale Veränderung am Renault-Getriebe seit 2006 war das „quickshift“-Getriebe, welches aber schon getestet wurde, als Mackereth zum Team hinzukam. Demnach sei es höchst unwahrscheinlich, dass er Einfluss darauf gehabt habe.

Kurz nach seinem Arbeitsbeginn bei Renault zeigte Mackereth einigen Renault-Kollegen die beiden Printzeichnungen, die er von einem Massedämpfer und einem so genannten J-Dämpfer bei sich zu Hause aufbewahrte. Während der Massedämpfer ohnehin schon verboten war, untersuchte Renault die Zeichnung des J-Dämpfers, um möglicherweise bei der FIA dagegen vorzugehen. Der WMSC geht davon aus, dass Renault nicht vorhatte, das System zu kopieren, sondern nur ein mögliches Verbot erwirken wollte. Die Anfrage bei der FIA wurde jedoch abgelehnt. Zwar bestätigte der Weltverband, dass ein System, wie es Renault beschrieb, nicht erlaubt sei, doch funktionierte der McLaren J-Dämpfer anders, als Renault es aus den Zeichnungen vermutete. „Die Zeichnung verriet Renault nicht genug über das McLaren-System, um die Weltmeisterschaft zu beeinflussen, da Renault selbst danach noch glaubte, dass McLaren ein anderes System verwendete.“ Alle am Renault eingesetzten Dämpfer erwiesen sich als legal.

Wie es zum Urteil kam

Nach der Beweisaufnahme kam der WMSC zu dem Schluss, dass Renault den Artikel 151c gebrochen hat. Das gestand Renault ein. Mackereth habe eine große Menge an Informationen von McLaren mitgenommen, „aber Renault scheint nie im Besitz eines Großteils dieser Informationen gewesen zu sein.“ Der WMSC verstehe die Besorgnis von McLaren, dass ein Ex-Mitarbeiter so viele Informationen mitgenommen hat, doch würde man sich in diesem Fall nur darauf konzentrieren, wie viel davon Renault beeinflusst haben könnte. Von den vier von Renault-Mitarbeitern gesehenen Zeichnungen waren laut dem WMSC drei für Renault nutzlos. Die vierte Zeichnung, der J-Dämpfer, wurde von Renault falsch interpretiert. Zudem seien alle Informationen beim Arbeitgeberwechsel mitgenommen worden, nicht wie bei der McLaren/Ferrari-Affäre „live“ über einen längeren Zeitraum ausgetauscht worden. „Nach seinem Wechsel hatte Mackereth keinen Kontakt mehr zu McLaren und gibt es keine Beweise dafür, dass Renault ihn dazu ermutigt hätte, vertrauliche Informationen von McLaren mitzubringen.“

Zwar hielt es der WMSC für fragwürdig, dass eine Vielzahl an Renault-Mitarbeitern mit den Dokumenten in Kontakt gekommen war, aber erst viel später darauf reagiert wurde, doch hielt man Renault zugute, dass sie im Laufe der Ermittlungen die Untersuchungen offen und transparent unterstützt haben. „Der WMSC betont zusätzlich, dass Renault voll mit der Technischen Abteilung der FIA zusammengearbeitet hat.“ Dies führte dazu, dass Renault zwar schuldig gesprochen, aber nicht bestraft wurde. Allerdings schränkte der WMSC wie bei der ersten McLaren-Verhandlung ein: „Sollten neue Informationen bekannt werden, welche die Entscheidung des WMSC in Frage stellen, kann der Fall von der FIA neu eröffnet werden.“

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