Gastkommentar: Wenn die Einsicht fehlt

Als vor etwa sechs Jahren eine amerikanische Journalistin ihr Buch „Das Ende von Detroit“ veröffentlichte, erwog das General Motors-Management, sie zu verklagen. Sie hatte in ihrem Buch geschrieben, dass GM bald durch Toyota als größter Autohersteller abgelöst werden würde und akribisch viele Managementfehler der amerikanischen Autohersteller aufgelistet.

Schon während ihrer Recherchen waren ihr Gespräche und Interviews bei GM verweigert worden. Stattdessen hatte es das GM-Management für richtig gehalten, ihr mit hohen Schadenersatzforderungen zu drohen. Heute ist bewiesen, dass sie ein völlig realistisches Bild der Lage auf dem amerikanischen Automobilmarkt im Allgemeinen und bei General Motors im Speziellen gezeichnet hatte. Nur darauf wäre sie damals nicht gekommen: Dass sich Volkswagen anschicken würde, Toyota als weltgrößten Hersteller zu überholen. Das nur nebenbei.

Bei GM sitzen im Wesentlichen noch immer die gleichen Manager auf ihren Stühlen und erinnern sich wehmütig an jene Zeiten, als sie den Journalisten ihre Wirklichkeit in die Notizblöcke diktieren konnten. So auch GM-Chef Fritz Henderson, der Rick Wagoners Marschrichtung als dessen Vize nicht nur kritiklos unterstützt, sondern auch selbst verinnerlicht hatte. Henderson gibt sich immerhin einsichtig und sagt heute: „Ich konzentriere mich für GM mehr auf Ergebnisse als darauf, das größte Unternehmen zu sein.“ Was lehrt uns das Beispiel von „Government Motors“, wie amerikanische Journalisten GM schon spöttisch nennen? – Dass die Krise nicht an allem schuld ist und sich Managementfehler in ihrer Wirkung nicht nur summieren, sondern verhängnisvoll potenzieren.

Die Verantwortlichen in der Autoindustrie müssen auch in der Krise an die Zeit danach denken. Wer das für selbstverständlich hält, könnte falsch liegen. Denn wer in diesen Tagen mit führenden Managern redet, hört kaum ein Wort über die Zeit danach. Das Managen und die Belastungen der Krise überlagern alles. Und manchem Manager scheint die Krise gerade gut dafür geeignet zu sein, die Probleme der Gegenwart mit ihr zu begründen. Dabei haben viele der heutigen Probleme ihre Wurzeln in der Zeit lange vor der Krise. Und manche Probleme liegen auch darin begründet, dass die Selbsterkenntnis, Fehler gemacht zu haben oder zu machen, nicht gerade zu den herausragenden Eigenschaften auch deutscher Manager gehört.

Auch bei Mercedes-Benz gab und gibt man sich selbstsicher und könnte sich nie vorstellen, durch eigene Fehler in wirklich ernste Schwierigkeiten zu kommen. Zwar ist Dieter Zetsche gerade das milliardenschwere Verlustobjekt Chrysler-Restbeteiligung durch weitere erhebliche Zuzahlungen losgeworden, aber dennoch führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass Daimler seinen Nimbus verloren hat, wie „Spiegel-online“ schreibt. Und aufmerksame Beobachter werden sich fragen, warum Audi im selben ersten Quartal 2009 immer noch Gewinn macht und Daimler verheerende Verluste (1,3 Mrd. Euro) melden muss. Und das, obwohl bei Mercedes-Benz über die Ingolstädter eigentlich immer nur überheblich gelächelt wurde.

Dieter Zetsche muss höllisch aufpassen, dass seine zweifellos guten Produkte auch so wahrgenommen werden. Mercedes-Kunden beklagen sich noch immer über überhebliche Verkäufer, schlechten Service in der Werkstatt und Qualitätsmängel. Dass die Loyalitätsraten bei Mercedes-Benz alles andere als zufriedenstellend sind und jedes Jahr neue Tiefststände erreichen, darf die Vertriebsverantwortlichen nicht ruhen lassen. Vielleicht war es doch ein Fehler, einen gelernten Nutzfahrzeugmann in die Führung des Pkw-Vertriebs einzusetzen. Zwar hat die Marketingkommunikation mit dem erfolgreichen Smart-Chef Anders Sundt Jensen nun endlich eine kompetente Führungspersönlichkeit bekommen, die die Marke Mercedes-Benz wirklich versteht und Markenführung beherrscht, aber es braucht viel Zeit und noch mehr diplomatisches Geschick, die Fehler der Vergangenheit zu reparieren. Wer sagt schon gern seinem Boss, was er in den letzten Jahren alles falsch gemacht hat?

Das Fatale bei Mercedes ist wirklich: Die Produkte sind da, aber die Begehrlichkeit ist nicht mehr jene, die sie noch vor vier, fünf Jahren war. Es muss schmerzen, dass die belebende Wirkung der Abwrackprämie an Mercedes fast völlig vorbeigegangen ist. Das ist eben nicht nur eine Frage des Preises, wie Daimler-Manager glauben machen wollen. Die A- und B-Klasse wurde kommunikativ einfach zu stiefmütterlich oder falsch behandelt, sie erscheint zumal für junge Kunden nicht attraktiv genug. Da hilft es auch nicht, ein Sondermodell nach dem anderen aufzubieten, wenn die Kommunikation insgesamt keine Kontinuität und Durchschlagskraft erkennen lässt.

Eines haben bislang nur wenige Manager der Autoindustrie erkannt: Dass die Marktkrise nicht das Problem ist, sondern dass die vorher gemachten Fehler jetzt gnadenloser zu Tage treten, als es ohne Krise der Fall gewesen wäre. Das ist das Gute daran. Die Krise ist auch eine Chance, aus den einmal gemachten Fehlern zu lernen und sie nicht zu wiederholen. Allerdings muss man sie dazu erst einmal erkennen. Und diese Bereitschaft bleibt weiterhin rar.

(Entnommen aus der aktuellen Ausgabe des Branchen-Informationsdienstes „PS-Automobilreport“)

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Gast auto.de

Mai 3, 2009 um 9:50 pm Uhr

Mercedes wird in den nächsten Jahren noch mehr Markt verlieren. Bei PKW und Transportern wie LKW .Für hohe Preise keinen entsprechenden gegenwert zu erhalten wird sich rächen . Für Fehler von MB gabs Beispielsweise bei einem 240 D Klimaanlage mit 100`T Km Kulanz für s Teil, mit der Begründung bei MB darf so was nicht passieren. Heute werden bei Motorschäden mit 138`T Km bei regelmässiger Wartung und Assyst Comp. nicht mal hinterfragt Kulanz 0 und Reperaturrechnungen im 5 stelligen Berreich werden nicht mal per Post zugesendet. Siehe BGB. Man kann sich nicht auf Alten Ruhmesblättern ausruhen. Wir Kaufen nun von anderen Herstellern.

Gast auto.de

Mai 2, 2009 um 1:11 pm Uhr

Auto-Fan kann man nur zustimmen. Leider vergißt er zu sagen, woher diese grandiose Verblendung und Selbstüberschätzung der jetzigen Managergeneration kommt. Ein Blick auf die -besonders amerikanischen- Consultants und deren Verhalten macht schnell klar, woher Inkompetenz (woher soll denn auch ein 30-
jähriger mit 6-monatigem Schnellsiederkurs getrimmt und sagenhaftem Einkommen ausgestattet, das überlegene Wissen besitzen, um z.B. Daimler, wie es seit vielen durch Mc Kinsey geschieht, in der nun seit vielen jahren schwelenden Krise kompetent zu beraten?) und Arroganz ihre Vorbilder hat.
Vielleicht wäre es ja ein Anfang, wenn die ja nicht schlechter bezahlten Manager
ihre Hausaufgaben selbst erledigten, statt Sprüche zu kloppen und in der Welt nach Übernahmekandidaten zu suchen.

Gast auto.de

Mai 2, 2009 um 12:59 pm Uhr

Hoffentlich springen die schlecht gemanagten und ohne technische Visionen operierenden Firmen über die Klinge, damit die vorausschauend und verantwortungsbewußt geführten Unternehmen den notwendigen Gesundschrumpfungsprozeß vernünftig gestalten können.

Gast auto.de

Mai 2, 2009 um 7:10 am Uhr

…wie wahr wie wahr….selbstgefällige Manager, überhebliche Verkäufer, starrsinnige Firmenpolitik ….ob in Amerika oder hier…es ist die gleiche Mentalität, nämlich der sorglose Umgang mit Mensch und Maschine, mit Gegenwart und Zukunft…als langjähriger Betriebsberater kann ich damit..und nicht nur aus der Autoindustrie…Bücher füllen…und das was nachwächst an hoffnungsvollen bzw. hoffnungslosen Managern hat wenig bis keine Ahnung…sieht..durch Verbildung und Kühle geprägt…nur das "Globale" …..aber dann eben nicht die "einzelnen" Tausende von Mitarbeitern die entlassen werden müssen weil unfähige Manager Unternehmer gespielt haben…die Nieten in Nadelstreifen sind seit langem unter uns…sie sind leider überall vertreten weil eines der wenigen Dinge die sie gelernt haben das "sich selbst verkaufen" ist….ein Auto, eine Maschine, ein Zubehörteil..da würden sie hemmungslos versagen und diese Aufgabe selbstverständlich weiterdelegieren…sie sind ja zu Höherem berufen…na

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