Gastkommentar: Woche der Aufregungen, Jahr der Veränderungen

Die vergangene Woche dürfte eine der aufregendsten in der deutschen Autoindustrie gewesen sein. Kulminierende Diskussionen um Opel/Fiat und Porsche/Volkswagen sorgten und sorgen weiter für Bewegung in der deutschen Autoszene, die auch davon, oberflächlich betrachtet, nicht betroffene Firmen berühren dürfte.

Gerüchte, Porsche-Chef Wendelin Wiedeking müsse seinen Hut nehmen, fanden aus Schanghai ihren Weg nach Deutschland. Dass der Porsche-Boss der Präsentation seines wichtigsten Modells Panamera ferngeblieben war, konnten sich viele nur mit seinem baldigen Abgang erklären. In der Tat musste diese Tatsache seltsam erscheinen, denn Wiedeking ist auf sein Baby ungemein stolz. Aber ist es denn nicht auch ein Zeichen von Vertrauen in die Managementkultur, dass dieses Auto auch andere präsentieren können und sich der Chef nicht ganz so wichtig nimmt?

Das Gleiche gilt für Äußerungen des Volkswagen-Vorstandsvorsitzenden auf der VW-Hauptversammlung, die von den Medien gleich als böse Sticheleien gegen Porsche interpretiert werden. Die handelnden Personen in diesem Geschäft können im Augenblick sagen und machen, was sie wollen: Alles wird gegen sie verwendet. Deshalb war es gut, dass Porsche sofort sehr deutlich dementierte, was sich ein paar Medienvertreter, oberflächlich recherchiert, zusammengereimt hatten.

Klar ist, dass auch ein solcher Prozess wie die Mehrheitsübernahme von Volkswagen durch Porsche nicht ablaufen muss, wie einmal im Drehbuch vorgesehen. Entwicklungen verändern sich, und die weltweite Autokrise hat ihren Teil dazu beigetragen, dass man durchaus auch mal an das Zurückgreifen auf Plan B denken muss. Machte es wirklich einen industriell wirksamen Unterschied, wenn Porsche nicht Volkswagen beherrschen würde, sondern der Volkswagen-Konzern Weltmarktführer würde und Porsche als integrierte Automarke unter sein Dach nähme?

Wenn man es auf den Markt herunterbricht, dann ist für den Kunden das erstklassige Produkt wichtig, nicht die Führungsstruktur dahinter. Glaubt jemand im Ernst, der Golf- oder Carrera-Käufer würde seine Kaufentscheidung davon abhängig machen, mit welcher Konstruktion das Unternehmen geführt wird? Für den Kunden zählen allein die Produkte. Wenn sie gut sind, werden sie gekauft. Wenn sie exzellent sind, werden sie begehrt.

Apropos: BMW und Mercedes-Benz stehen zwar abseits dieser in Bewegung geratenen Machtverwerfungen der deutschen Autoindustrie, sind aber durchaus auch betroffen. Beide Unternehmen müssen sich verstärkt ins Zeug legen, weiter als Premiumhersteller wahrgenommen zu werden. Denn der Erfolg von BMW und Mercedes-Benz hängt unmittelbar von der Begehrlichkeit auf die Produkte ab. Erodiert sie weiter, dann sind die Kunden nicht bereit, dem Image entsprechend höhere Preise zu bezahlen. Ist das Image erst mal auf Normalniveau gesunken, sinkt auch die Schwelle der akzeptierten Preise nach unten.

Tatsächlich leiden schon heute beide Firmen unter Wettbewerbern wie Audi und Porsche. In den Marketingabteilungen von BMW und Mercedes wird zwar so getan, als hätte man von den Volkswagen-Familienmitgliedern nichts zu befürchten. In jeder Diskussionsrunde um Produkt-, Werbe- oder Kommunikationsstrategie hängt der Erfolg von Audi als unsichtbares Damoklesschwert über den Managern. Und der Versuch, die Audi-Erfolge arrogant abzutun, ist längst der Wirklichkeit gewichen.

Audi ist in der Entwicklung der vergangenen 15 Jahre einfach extrem erfolgreich nach oben geklettert. Durch harte Arbeit an allen Fronten. Festzumachen an einem Beispiel: Weil Audi so erfolgreich wurde, hat BMW alles getan, um 1997 die Werbeagentur Jung von Matt von Audi abzuwerben, die dann wiederum 2007 von Mercedes abgeworben wurde in der Hoffnung, den Marketingerfolg wiederholen zu können. Allerdings mit weniger durchschlagendem Erfolg. Die Agentur hatte zwar Audi auf den Höhenflug gebracht, BMW auch noch beschleunigt, scheint aber jetzt bei Mercedes die kreative Durchschlagskraft verloren zu haben.

Auch modellpolitisch müssen sich BMW und Mercedes eingekreist fühlen. Audi hat beiden Herstellern Zigtausend Kunden abspenstig gemacht, die aufs Premiumprestige abfahren. Audi hat ein Super-Design entwickelt, die höchste Wahrnehmungsqualität der Produkte geschaffen, eine extrem gute Modellpolitik gemacht. BMW und Mercedes müssen wirklich überall aufpassen, nicht unter die allradgetriebenen Räder aus Ingolstadt zu geraten.

Ein wenig überheblich hatten die Verantwortlichen der beiden Firmen BMW und Mercedes die Augen vor den Erfolgen der Ingolstädter verschlossen. Und es mutet wie Satire an: Mercedes hat Audi (damals Auto Union) in den Sechzigern an Volkswagen verkauft, weil sich der recht spießige Massenhersteller nicht mit dem Produktportfolio der Stuttgarter Nobelmarke vertragen hätte. Audi ist das beste Beispiel, dass man ein hartnäckig verfolgtes Ziel allen Unkenrufen zum Trotz doch noch erreichen kann. Und jetzt kommt Porsche mit einem viertürigen Luxusmobil. Das hat den Wettbewerbern aus München und Stuttgart gerade noch gefehlt.

Und dann ist da noch die Diskussion, ob Fiat bei Opel einsteigt. Die Kanzlerin wäre gut beraten, trotz anstehender Wahlen mit Zusagen bei GM zurückhaltend zu sein. Denn wenn Opel für Fiat zu attraktiv wird, schlucken die Italiener das Unternehmen nur zu gern, um es dann nach ein paar Jahren ausgehöhlt vom Markt zu nehmen. Eine solche Entwicklung kann nicht im Interesse Deutschlands liegen. GM hat schließlich schon einmal schlechte Erfahrungen mit Fiat gemacht, die am Ende rund 1,5 Milliarden Abfindung auf das Turiner Konto gespült haben. Opel-Betriebsratschef Franz warnt völlig zu Recht vor einem Fiat-Einstieg. Das Manöver ist zu durchsichtig gegen Opel gerichtet.

UNSERE TOP-ANGEBOTE FÜR SIE

MEHR ERFAHREN AUS DEM BEREICH NEWS

E-Go stellt erneut Insolvenzantrag

E-Go stellt erneut Insolvenzantrag

Rivian R2 und R3: Eine Überraschung in Kalifornien

Rivian R2 und R3: Eine Überraschung in Kalifornien

Stärker war noch kein Serien-Porsche

Stärker war noch kein Serien-Porsche

zoom_photo