Kommentar: Vom Musterknaben zum Prügelknaben

Die Niedersächsische Landeshauptstadt hat schon immer eine grüne Lunge und seit geraumer Zeit auch ein grünes Gewissen. Hannover war bei der ersten Runde der Städte dabei, die Umweltzonen einrichteten. Hannover wird auch als erste Stadt die Autosmit roten Plaketten aussperren.

Aber wie das so ist, wenn man den kleinen Finger reicht, wird der Musterknabe jetzt zum Prügelknaben; denn die Hannoveraner haben neue Parkplätze gebaut, statt die Bürger, Besucher und Einkaufende zu Fuß oder mit dem Fahrrad ins Zentrum zu schicken.

Gestern erlebte Hannovers Innenstadt mal wieder einen Großkampftag, weil die Bürger aus dem benachbarten Nordrhein-Westfalen Fronleichnam gern zum Bummeln und Einkaufen jenseits der Landesgrenze nutzen, mitten hineinfahren in Hannovers aggressiv groß angelegte Umweltzone zur Vermeidung von Feinstaub, der sich aufs Eis der Arktis legen könnte und so das Klima dort erwärmt. Allerdings hatte das Verwaltungsgericht in Hannover kürzlich in seinem Urteil zur Rechtmäßigkeit der Umweltzone ausdrücklich festgestellt, dass die Umweltzone auf die Feinstaubbelastung keinen Einfluss hat. Die Rechtmäßigkeit der Umweltzone ergab sich für die hannoverschen Richter aus der Belastung durch Stickoxide, nicht durch Dieselruß, was auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) in ihren Kommentaren unter den Tisch fallen lässt, wenn sie das Urteil als Sieg feiert.

Auch der ADAC hat kürzlich festgestellt, dass die Umweltzonen für den Feinstaub aus Personenwagen keine Entlastungen bringen. Dazu hatte man sich die Messwerte aus einigen Umweltzonenstädten angesehen. So schwankten die Werte 2008 in Berlin gegenüber denen von 2007 zwischen plus fünf Prozent und minus 4,7 Prozent. So dass auch in der Bundeshauptstadt die Frage erlaubt sein muss, ob diese Schwankungen nicht eher durch die höheren Kraftstoffpreise als durch die Umweltzone bedingt waren.

Der ADAC zog aus seiner Studie den Schluss, dass die Ausweitung der Fahrverbote auf Fahrzeuge mit roten oder gelben Plaketten keine zufriedenstellende Minderung der Emissionen erwarten lasse. Doch ein Autofahrer-Club muss sich natürlich gefallen lassen, für parteiisch gehalten zu werden. Anders sieht es aus, wenn nun die Kämpfer für die Umweltzonen selbst feststellen, dass man mit den Personenwagen und den Nutzfahrzeugen vielleicht gar nicht die wesentlichen Verursacher erwischt hat.

So stellte das Aktionsbündnis „Rußfrei fürs Klima“ gestern in Hannover fest, dass andere – Bahn, Schifffahrt, Baumaschinen und Industrie – ebenfalls erheblich Ruß emittieren. In der Aufzählung haben die Aktivisten zwar den Hausbrand vergessen, aber dafür auf die Güterbahnhöfe hingewiesen. Die sollen, nach Schätzung des Aktionsbündnisses, in Hannover rund 1,4 Tonnen Ruß pro Jahr emittieren, was den Emissionen eines Mittelklassewagens nach etwa 40 Millionen Kilometern entsprechen soll. Da können die Hannoveraner und ihre Gäste lange zu Fuß gehen oder Radfahren, um das auszugleichen.

Fazit: Wieder einmal lernen wir, dass die Umweltzone der Automobilindustrie hilft, Autos zu verkaufen, aber kaum der Umwelt. Auch die Umwelt- und Abwrackprämie der Bundesregierung wird dazu beitragen, die Belastungen zu verringern. Vermutlich wird man diesen Effekt der Einrichtung den Umweltzonen zurechnen, statt einzugestehen, dass man sich 2007 zu einem wirkungslosen Aktionismus hat hinreißen lassen, der sich nur gegen den Autoverkehr richtete.

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