Michael Bartholemy: Stolz auf alle

(adrivo.com) "Ich hatte einige Zweifel, als mir Kawasaki Heavy Industries (KHI) am 6. November 2006 gesagt hat, dass wir weitermachen würden und dieses Team für das kommende Jahr zusammenstellen sollen. Ich war nicht ganz überzeugt, dass wir das schaffen können", meint Michael Bartholemy auf der Website des Kawasaki-MotoGP-Teams. Denn es fehlte der Mannschaft noch an Vielem: es gab kein Equipment. Von Werkzeug über Boxen für die Flüge war nichts vorhanden. Dennoch ging Bartholemy das Abenteuer an und konnte in einem vom Team zur Verfügung gestellten Interview eine recht positive Bilanz ziehen.

Wenn Sie zurückblicken, lief das Jahr nach Plan?
Michael Bartholemy: Wenn ich das vorigen November [2006] gefragt worden wäre, als ich dachte, alles beim Team würde an Ort und Stelle sein, dann hätte ich gesagt, dass in zwölf Monate alles fertig sein würde. Jetzt, nach einem Jahr, kann ich sagen, dass uns etwa 15 Prozent auf die 100 Prozent fehlen, die uns am 6. November 2006 gefehlt haben. Es sind kleine Teile, die noch finalisiert werden müssen. Jetzt ist der Januar wirklich das Ziel für mich, damit alles passt. Aber auch wenn es bis zum ersten IRTA Test im Februar dauert, werde ich zufrieden sein.

Eines der größten Hindernisse, das umschifft werden musste – abgesehen von der Zusammenstellung des Teams – war die Situation, die sich um Olivier Jacque entwickelt hat…
Michael Bartholemy: Wir wussten von Beginn an, dass er nicht der jüngste Fahrer war und ich hatte vielleicht ein paar Bedenken, dass er für uns fuhr; das war schon zu Beginn der Saison so. Man muss aber seine besten Fahrer nehmen. Ich denke aber auch, wenn man in meiner Position ist, dann muss man stark sein, wenn man sieht, dass etwas falsch läuft. Und es lief sicher etwas falsch. Olivier ist zu oft gestürzt und hat sich oft verletzt. Es war nicht einfach, zu wissen, was zu tun ist.

Letztendlich war es Jacque, der gesagt hat, er würde vom Rennsport zurücktreten…
Michael Bartholemy: Das stimmt. Verständlicherweise war er nervös, es zu sagen: er ist ein Racer und ein ehemaliger Weltmeister und es braucht Mut, um zu sagen, dass man das Gefühl hat, dass dieser Teil des Lebens vorbei ist. Wir wollten ihn aber nicht verlieren. Ich dachte mir, warum nehmen wir ihn nicht aus der stressigen Situation des Rennfahrens, behalten ihn aber für das Testen und die Entwicklung der Maschine bei uns.

Die Situation hat sich dann gut aufgelöst?
Michael Bartholemy: Olivier hat sich toll an seine neue Rolle angepasst und nach meiner Meinung ist er der beste Testfahrer in der MotoGP. Ich denke, wir haben alle von der neuen Situation profitiert und ich hoffe, er wird noch viele Jahre bei uns sein.

Gleichzeitig wurde die Entscheidung getroffen, Jacque durch den ehemaligen 250cc-Fahrer Anthony West zu ersetzen…
Michael Bartholemy: Er ist ein guter Rennfahrer und das war einer der Gründe, weswegen ich gefühlt habe, er ist der richtige für den Job. Er braucht noch etwas Feinabstimmung, aber ich bin mir sicher, wir werden bald eine Verbesserung bei ihm sehen und deswegen haben wir ihn für die nächste Saison verpflichtet.

Wie waren die fahrerischen Leistungen?
Michael Bartholemy: Wir haben von Randy de Puniet und auch Anthony gute Ergebnisse gesehen, aber ich bin zuversichtlich, dass sie noch besser werden – vor allem weil John Hopkins zu uns gekommen ist. Ich habe die Entscheidung, Hopper zu holen, eigentlich schon vergangenen April getroffen und zu diesem Zeitpunkt war es nicht einfach, die Leute um mich herum davon zu überzeugen, dass wir diesen Schritt machen können: seine Resultate waren nicht die besten. Aber nach dem Rennen in Valencia ging ich in den Wohnwagen und sah mir die finalen WM-Wertungen an. Erster war Casey, der bei Ducati blieb; dann kam Pedrosa, der bei Honda blieb; dann Rossi, der bei Yamaha unter Vertrag ist. In anderen Worten, der erste Fahrer in der Aufstellung, der sein Team wechseln konnte, war Hopkins, den wir im April gewählt hatten. Und er wollte zu Kawasaki. Das sagt etwas.

Wenn Ihnen vor einem Jahr jemand gesagt hätte, er dachte, dass Kawasaki einen Fahrer wie Hopkins holen könnte…
Michael Bartholemy: Ich hätte gesagt, dass es unmöglich ist. Wir haben es aber geschafft. Und es ist nicht so, als ob er der Einzige war, der Interesse hatte. Ich denke, es war vielleicht das erste Mal, dass einige Fahrer Kawasaki als reelle Option für sich gesehen haben. Die Saison 2007 hat unsere Leben sicher verändert – und sie hat uns in den Augen anderen Leute in der MotoGP verändert, denn jetzt sehen sie uns als wirkliches Werks-Team.

Wenn man bedenkt, wo das Team ein Jahr vorher war…
Michael Bartholemy: Beim ersten Test kamen wir Ende November 2006 nach Sepang und wir hatten viele Probleme. Als wir am 21. Januar aber wieder zurückkamen, hatten wir keinen einzigen Ausfall. Während der Wintermonate hat die meist ungesehene Armee an Kawasaki-Ingenieuren sehr hart gearbeitet und was sie erreicht haben, war unglaublich. Ich merkte nach dem IRTA Test im vergangenen Februar, dass wir konkurrenzfähig sein würden. Die Maschine war schnell. Damit hörte es aber noch nicht auf. Die Ingenieure haben weiter an der ZX-RR gearbeitet und wir erlebten während des ganzen Jahres große Verbesserungen. Beim letzten Rennen in Valencia fuhren de Puniet und West die beiden schnellsten Geschwindigkeiten. Man kann sicher sagen, dass Kawasaki – zumindest in einem Bereich – zur Konkurrenz aufgeschlossen hat und die meisten davon gehören schon seit vielen Jahren zur MotoGP.

Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis in der WM?
Michael Bartholemy: Ich sagte, ich würde glücklich sein, wenn wir Neunter in der Weltmeisterschaft werden, denn davor war ein Zehnter Platz das beste Ergebnis für Kawasaki. Es war also ein Traum, dass wir das übertreffen könnten. Ich wusste aber, dass es schwierig werden würde. Jetzt, am Ende der Saison, ist es leicht zu sehen, dass unsere Maschine und das technische Paket in der Lage waren, besser als Neunter zu werden, aber hey, wir wurden Elfter und ich bin nach unserem ersten Jahr damit ganz zufrieden.

Und wie wurde der immerwährende Kampf um Aufmerksamkeit in der Presse abgebildet?
Michael Bartholemy: Natürlich gab es viele Medienspekulationen wegen der großen Wechsel, aber die meisten Journalisten schienen ziemlich beeindruckt von dem, was wir geschafft haben. Es kommen jetzt mehr zu uns in die Hospitality, um zu plaudern, einen Kaffee zu trinken und herauszufinden, was wir so tun. Es sind viel mehr, als es unter der alten Führung noch waren. Ich denke, wir haben Türen geöffnet, die in der Vergangenheit vielleicht noch zu waren. Wir bekommen viel mehr Feedback. Ja, es wird für jedes Team immer wieder schlechte Publicity geben, aber wir können die Zweifler nur durch bessere und bessere Ergebnisse überzeugen.

Es ist ein Job mit viel Druck in einer Umgebung, in der es viel Druck gibt. Wie arbeiten Sie?
Michael Bartholemy: Ich bin in meinem Zugang gerne geradeheraus und ich hoffe, dass der Großteil des Teams dem zustimmt. Ich mag es aber auch, dass jene, die mit mir arbeiten, ähnlich offen sind. Das macht das Leben im Endeffekt viel einfacher. Ich mag Klarheit, denn das ist der einzige Weg, auf dem wir erreichen werden, was wir in der MotoGP erreichen wollen: Weltmeister zu sein. Meine Beziehungen zu Japan sind mir sehr wichtig und ich arbeite hart, damit ich sicherstelle, dass meine Kommunikation mit KHI ein Pluspunkt für uns ist. Das ist wichtig. Jetzt bin ich an einem Punkt, an dem ich mit dem Präsidenten des Unternehmens als Freund sprechen kann und wir können die Dinge so effizienter abwickeln. Ich mag das und es ist ein weiter Aspekt in der Teamführung, der mit der Zeit besser geworden ist.

Die Anstrengung, das Ganze von nichts aufzubauen und es am Laufen zu halten, während man auch weiterentwickelt, muss doch immens gewesen sein…
Michael Bartholemy: Zugegeben, ich höre nie mit der Arbeit auf. 18 Stunden jedes Tages in meinem Leben sind mit der MotoGP belegt. Und während der sechs Stunden Schlaf verbringe ich zwei damit, von der Arbeit zu träumen. In zehn Jahren werde ich vielleicht etwas Entspannteres machen, aber im Moment bin ich nicht in der Position, um mich zurückzulehnen. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich manchmal mein Telefon ausschalte und die Mails nicht prüfe, aber das ist unrealistisch. Wenn ich an die Rennstrecke muss, dann muss ich sehr lange arbeiten. Das macht mir nichts aus, aber manchmal vermisse ich es, Zeit für mich zu haben. Jemand vom Team kam kürzlich zu mir und sagte: ‚Du brauchst einen Haarschnitt.‘ Ich hatte aber keine Zeit, das zu erledigen. Oder einfach Zeit, um auf die Bank zu gehen… Mir fehlt das. Und natürlich fehlt es mir, mehr Zeit für meine Kinder zu haben. Wie ich aber gesagt habe, ich bin mit dem Team noch nicht, wo ich sein will und es ist noch viel Arbeit notwendig.

Also auch viel Arbeit für das Team…
Michael Bartholemy: Alle von uns haben viele Opfer in unseren Leben gebracht, aber wir haben so viele Fortschritte gemacht, dass ich sehe, wie die Dinge nach diesem verrückten Jahr wieder auf ein normales Niveau zurückkommen. Gemeinsam haben wir das geschafft und gemeinsam fühlen wir uns optimistisch für nächste Saison.

Was waren Ihre persönlichen Highlights 2007?
Michael Bartholemy: Dass wir drei Kawasaki-Fahrer in Laguna Seca in die Top Ten bekamen und natürlich Randys Podestplatz in Motegi. Das war etwas sehr Spezielles. Ducati hat das Rennen gewonnen, also waren wir das erste japanische Motorrad im Ziel – in Japan, wo alle großen Bosse anwesend waren. So viele Dinge kamen zusammen und Randy fuhr ein fantastisches Rennen. Das war wirklich ein großartiger Tag.

Wie sieht nun der Plan für 2008 aus?
Michael Bartholemy: Neben der Tatsache, dass wir alles aussortieren müssen, ist das Wichtigste, dass wir keine neue Maschine bringen und das ist, denke ich, ein positiver Schritt. Die gleiche Maschine zu behalten und die notwendigen Änderungen zu machen, ist etwas, von dem ich glaube, dass es uns stärker machen wird. Unsere Maschine wurde immer besser, also warum sollte man etwas völlig Anderes bringen?.

Stimmt es, dass Sie weitere Sponsoren gesucht haben, um das Team weiter zu stärken?
Michael Bartholemy: Kawasaki sieht die Ausgaben für dieses Projekt realistisch und außerdem haben wir die Zusicherung des Unternehmens, dass es bis zumindest 2011 in der MotoGP bleibt. Aber ja, wir haben hart gearbeitet, damit wir einen Sponsor von außerhalb der Motorradwelt holen. Es geht da nicht nur ums Geld, es geht darum, unseren Namen in andere Märkte zu bekommen. Es funktioniert gut, was die Markenerkennung und solche Dinge betrifft. Es wird bedeuten, dass wir nicht nur in Motorrad-Magazinen und anderen traditionellen Bereichen vertreten sein werden, wo man uns schon kennt. Wir müssen andere Märkte öffnen und dürfen uns nicht nur auf die Zweiradwelt konzentrieren, wo wir schon bekannt sind.

Und was werden Sie uns zur gleichen Zeit im nächsten Jahr erzählen?
Michael Bartholemy: Ehm. Ich werde sagen, dass wir nach einer erfolgreichen Saison 2008 nun bereit sind, 2009 auf die Weltmeisterschaft loszugehen. Ich bin überzeugt, dass wir das erreichen können. Völlig überzeugt. Wir haben einige sehr, sehr gute Leute bei Kawasaki und ich denke, wir haben das beste Team in der MotoGP. Wir sind durch viele Höhen und Tiefen gegangen, aber gemeinsam haben wir ein tolles Motorrad kreiert und eine Werks-Mannschaft aufgebaut: ich bin sehr stolz auf alle.

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