New York 2009: Mit gespaltener Zunge

Da trifft einen als umweltbewussten Deutschen, der längst weiß, dass das Wohl der Menschheit vom sinkenden Kraftstoffverbrauch abhängt, glatt der Schlag. Sagt doch der Chef der BMW-Sportwagenschmiede M GmbH, Ludwig Willisch, dem werkseigenen Fernsehteam ins Mikrofon: „Wenn sich die Zeiten ändern, werden wir auch unser Produktprogramm ändern.“ Wo lebt der denn, will man ihm zurufen. Die Zeiten haben sich doch längst geändert.

Warum also stehen auf der New York International Auto-Show bei BMW die Leistungstypen im Vordergrund, während die vielbesungene neuen Umwelttechnologie aus München auf dem Stand nur ein Randdasein führt? Das aber immerhin mit so klugen Sprüchen wie: „Wenn jeder in den USA einen Diesel führe, dann würden wir 2,1 Millionen Fass Öl einsparen. Jeden Tag.“ Gerade von uns Deutschen wollen die Amerikaner in Sachen Auto nun bestimmt nicht belehrt werden.

Im Mittelpunkt stand für BMW der Riese der 6-er Serie, aufgepeppt von der Gesellschaft mit dem begehrten M, und nicht der Diesel. Doch vielleicht war das ein bayerisches Bekenntnis zum US-Markt. Am Dienstag dieser Woche erklärte der Chef der größten Autohandels-Organisation in den USA den erstaunten Zuhörern einer Fernsehdiskussion, es sei Fakt, dass sich der Amerikaner in diesen Tagen immer noch für das Fahrzeug mit dem größeren Verbrauch entscheide, wenn das den schöner beleuchteten Cupholder habe. Die Zeiten haben sich in den USA offenbar noch gar nicht so weit geändert, dass der Normal-Amerikaner seine Kaufentscheidung darauf einstellte. Der Chef-Autohändler verlangte höhere Steuern auf Treibstoff. Wir kennen das.

Schaut man sich bei den amerikanischen Herstellern um, verstärkt sich dieser Eindruck. Da berichtet man der Öffentlichkeit stolz, dass ein großes SUV nun dank Hybridantrieb auf dem Highway (bei Geschwindigkeiten um 100 km/h) nur noch zwölf Liter verbrauche. Gemessen am Vorgänger ohne Hybridantrieb ist das in der Tat ein Fortschritt. Nach unseren Maßstäben ist das kein Grund zu Stolz.

Dennoch scheinen die Hersteller gelernt zu haben. Ford bietet dafür ein Beispiel; denn die Leute aus Dearborn, Michigan, holen sich den Fiesta aus Europa. Der wirkt zwar auf dem Ford-Stand vergleichsweise niedlich neben [foto id=“68088″ size=“small“ position=“right“]seinen großen Brüdern. Doch setzt Ford auf die Veränderung des Marktes und sieht die Chance, mit Technologieimport die Lücke zwischen den eigenen Großen und dem vielleicht doch aufkommenden Bedarf für Kleine kostengünstig schnell zu schließen.

Das zeugt von Realismus und macht sicher mehr Sinn als die Elektroauto-Euphorie, die noch die Detroit Motor-Show im Januar beherrschte. Auch in den USA setzt sich inzwischen die Erkenntnis durch, dass bis zum Elektroauto für Jedermann noch mindestens ein Jahrzehnt ins große Land gehen wird. Das Jubeln überlässt man jetzt lieber den teuren Exoten wie Tesla und Fisker, die eine reiche Freak-Gemeinde mit Elektro-Rennern versorgen. Wegen der Batterietechnologie ändern sich die Zeiten nicht so schnell.

Natürlich ist BMW nicht das einzige Unternehmen, dem man vorwerfen kann, hier und in Europa mit gespaltener Zunge zu reden. Alle haben ihre Leistungstypen mitgebracht und erhoffen sich viel vom amerikanischen Markt. Eigentlich dürfen die deutschen Automobilhersteller zufrieden damit sein, dass sie das gesamte Spektrum von klein bis groß, von Minus-Rekorden beim Verbrauch bis zu Leistungsrekorden, vom ewig jungen Zweisitzer bis zum Siebensitzer bieten können.

Keinem in New York vertretenen deutschen Unternehmen kann man zu Recht vorwerfen, die Zeichen der Zeit nicht verstanden zu haben. Das gilt vermutlich auch für die amerikanischen Kollegen. Die haben allerdings mit ihrer Auto-Inzucht auf dem größten Markt der Welt wenigstens ein Jahrzehnt verschlafen und haben sicher nichts dagegen, dass sie für ihre heutigen Autos immer noch Käufer finden, wenn auch viel weniger. Die 59 Journalisten aus 25 Ländern, die zur Jury des Wettbewerbs Auto des Jahres gehören, sagten aber unmissverständlich, wo sie die Zukunft sehen. Sie prämiierten den neuen Golf und hatten den Halbamerikaner Ford Fiesta und den Toyota iQ in die engere Wahl genommen.

Die Jury hat die Zeichen der Zeit erkannt. Denn als grünes Auto des Jahres wählten se Brennstoffzellen Fahrzeug Honda FCX Clarity und sprachen dem kleinen Fiat 500 den Designpreis zu. Nur ein amerikanische Fahrzeuge konnte vor der Jury bestehen: Die Corvette ZR-1 kam in die engere Wahl bei den Sportwagen.

So bleibt am Ende die Einsicht, dass man die Aussage von M-Mann Ludwig Willisch nur ein wenig abändern muss, um sie als Motto über die Messe in New York zu schreiben: Die Zeiten haben sich geändert, aber die Menschen brauchen noch Zeit, so wie manche Hersteller.

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