Vorbereitung auf eine neue Strecke: Entschlüsselung des Unbekannten

(adrivo.com) Keine Vergleichsdaten, keine Erfahrungswerte – Fuji ist die große Unbekannte für die Formel 1-Teams. BMW Sauber fühlt sich dennoch gut vorbereitet.

Simulation hilft bei Abstimmung

Am Wochenende des 30. September
gastiert die Formel 1 im japanischen Fuji – auf einer Strecke, auf der bisher kein
aktueller Formel-1-Rennwagen eine Runde drehte. Dennoch werden die Autos des
BMW Sauber F1 Teams bereits am Freitagmorgen eine Abstimmung haben, die
dem Optimum schon sehr nahe kommt. Aufwändige Simulationsprogramme und die
mit Unterstützung von Intel ausgebaute Computer-Kapazität machen es möglich.
Aber ohne Erfahrung ginge es auch nicht.

Planung der Ideallinie

Ende 2006 erhielten die Simulations-Spezialisten des BMW Sauber F1 Teams die
Daten der neuen Fuji-Strecke als CAD-Datei (Computer Aided Design) vom
Organisator in Japan. Auf Basis dieser Datei legte ein Spezialist mit Hilfe eines
Computer-Programms zunächst die Ideallinie fest, welche die Piloten voraussichtlich
fahren werden. Dabei wurde die Strecke in zwei Schritten in 500 bis 800 Segmente
aufgeteilt. Für jeden einzelnen Abschnitt wurden die Radien bestimmt und somit die
Ideallinie numerisch definiert.

Steigung und Gefälle werden berücksichtigt

Anschließend konnte das Bild um eine Dimension erweitert werden: Das Höhenprofil
der Rennstrecke wurde eingepflegt. Steigungen und Gefälle haben insbesondere bei
langen Geraden einen erheblichen Einfluss auf die Geschwindigkeit. „Um während des Rennwochenendes keine kostbare Zeit zu verlieren“, sagt Willy Rampf, Technischer Direktor des BMW Sauber F1 Teams, „müssen wir bereits
vorher eine möglichst genaue Vorstellung vom Abtriebsniveau, der
Getriebeübersetzung und der Bremsspezifikation haben.“

Gesammelte Daten sind von Nutzen

Zuerst wird die mechanische Abstimmung des Autos definiert. Das beginnt mit der
Gewichtsverteilung, die man aufgrund von Erfahrungswerten von vergleichbaren
Strecken festlegt. Anschließend werden die Feder- und Dämpferkennung bestimmt.
Auch dies geschieht auf Basis von empirischen Werten. Rampf: „Dabei ist es
natürlich von Vorteil, dass Fuji so weit hinten im Rennkalender steht. Wir haben im
Laufe der Saison sehr viele Daten mit dem F1.07 gesammelt, die wir hier nutzen
können.“

Feinabstimmung bis kurz vor den Start

Als nächstes kommt das Runden-Simulationsprogramm ins Spiel. Dabei handelt es
sich um eine ganz spezielle, von den Ingenieuren des BMW Sauber F1 Teams
entwickelte Software, mit der sich Rundenzeiten simulieren lassen. Hierbei testet
man das Fahrzeug zunächst mit unterschiedlichen Abtriebsniveaus: Man lässt es
quasi in einer bestimmten Konfiguration fahren, und das Programm errechnet daraus
die Rundenzeit. Auf diese Weise wird der optimale Anpressdruck ermittelt.
Im Falle von Fuji hat sich ein mittleres Abtriebsniveau als bester Kompromiss
ergeben. Kurz vor dem Rennen werden dann nochmals zahlreiche
Feineinstellungen der Flügel verglichen, um weitere Optimierungen vorzunehmen.

Leistungskurve des Motors entscheidend…

Nun geht es an die Festlegung der idealen Getriebeabstufung. Aufgrund der
errechneten Höchstgeschwindigkeit, die auf der langen Geraden von Fuji zwischen
320 bis 330 km/h betragen wird, legt man als erstes den siebten Gang fest. Dann
folgt der erste Gang, bei dem es eine Rolle spielt, ob er nur beim Start oder auch
während der Runde gebraucht wird. Die restlichen fünf Gänge werden auf Basis der
Leistungskurve des Motors berechnet.

Simulation für Kühlluft der Bremsen

Unter Berücksichtigung von Abtriebsniveau und Streckencharakteristik ist die
Rundensimulation in der Lage, den Belastungsgrad der Bremsen zu ermitteln.
Einfach ausgedrückt geht es darum, herauszufinden, ob die Bremsen hoch, mittel
oder niedrig beansprucht werden. Aufgrund dieser Resultate bestimmt man das
Material der Bremsscheiben und Beläge sowie die Spezifikation der Bremssättel.
Ebenfalls mittels Simulation wird der Bedarf an Kühlluft für die Bremsen definiert. Die
Bremsbelüftung spielt eine wichtige Rolle für die Aerodynamik: Je kleiner die
Öffnungen, desto mehr Abtrieb produziert das Auto.

Grip und Reifenverschleiß…

Auch die raffinierteste Berechnung muss mit zwei großen Unbekannten leben: Die
eine ist der Grip der Asphaltoberfläche, die andere ist der Reifenverschleiß. Rampf:
„Wie sich die Reifen im Fahrbetrieb tatsächlich verhalten, sehen wir erst im Training,
nachdem wir Long-Runs gefahren sind. Also etwa zehn Runden am Stück mit
beiden Reifenmischungen.“

Diese Informationen sind die Grundlage für das erste Strategie-Meeting, das am
Rennwochenende nach den beiden ersten freien Trainings stattfindet. Dabei werden
sämtliche Daten ausgewertet und Optimierungen vorgenommen.

Nicht zu vergessen: Das Wetter

Die gesammelten Daten werden auch in das Strategie-Simulations-Programm
eingegeben. Basierend auf allen vorliegenden Informationen rechnet dieses dann
alle möglichen Rennstrategien durch und zeigt den Ingenieuren auf die Sekunde
genau, wie schnell eine Ein-, Zwei-, oder Dreistopp-Strategie wäre. Zusätzlich fließen
weitere Faktoren ein, etwa die Wettervorhersage oder die Streckencharakteristik, die
bestimmt, ob man eher leicht oder nur sehr schwer überholen kann. In den
folgenden Strategie-Meetings am Samstag und am Sonntag vor dem Rennen
werden die Erkenntnisse überprüft und gegebenenfalls um neue Informationen
ergänzt.

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