Das tobende Nashorn – Lastwagenrennen wörtlich genommen

Kurz vor Ostern im Nirgendwo zwischen Dresden und Prag: Es nieselt ein wenig, der Himmel ist grau und wie Blei liegt die Ruhe über den grünen Hügeln. Doch plötzlich zerreißt ein Brüllen die Stille, die Erde scheint zu beben und von links fliegt ein schwarzes Ungetüm durchs Bild.

Testfahrt mit dem Race Truck

War das wirklich ein Lastwagen? Das kann kaum sein. Schließlich ist das erstens eine Rennstrecke, und zweitens hatte das Geschoss mindestens 150 Sachen auf dem Tacho. Doch der konzentrierte Blick bei der zweiten Runde bestätigt den ersten Eindruck: Ja, was hier auf dem Autodrom von Most in einer Nebelwand aus Gischt seine Kreise zieht, ist tatsächlich ein Lkw. Allerdings ein ganz besonderer. Denn hier in Tschechien testet Mario Kress die drei neuen Race Trucks vom Renault, mit denen er den Franzosen [foto id=“355859″ size=“small“ position=“right“]im Europäischen Truck Grand Prix auch in diesem Jahr mindestens die Konstrukteurs Meisterschaft sicher will. Und es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn nicht auch wieder einer seiner Fahrer aufs Treppchen käme – bestenfalls natürlich nach ganz oben.

Serienteile und 1.140 PS

Die schwarzen Biester, die mit den roten Schlitzen in der weit nach unten gezogenen Frontschürze aussehen wie tobende Büffel vor dem Angriff, haben mit den lästigen Schleichern, die in den Kasseler Bergen gerne mal alle drei Fahrspuren mit ihren Elefantenrennen blockieren,  allerdings nicht mehr gemein als ein Polo und ein Porsche. „Laut Reglement dürfen wir zwar nur Serienteile benutzen“, sagt Kress, „aber natürlich haben wir trotzdem ein bisschen Spielraum.“ Ein bisschen ist gut! Wo der konventionelle Renault Premium für den Fernverkehr auf maximal 368 kW/500 PS und 2.400 Nm kommt, hat Kress aus dem unglaubliche 12,8 Liter großen Sechszylinder-Diesel 838 kW/1.140 PS und mehr als 6.000 Nm geholt. „Wären wir nicht von den Rennkommissaren beschränkt, wären sogar bis zu 1.700 PS möglich“, erläutert der Entwickler. Dann würden die Race Trucks bis zu 270 km/h schaffen.

[foto id=“355860″ size=“small“ position=“left“]Von 0 auf 100 in unter drei Sekunden

Aber auch so hat das 5,5 Tonnen schwere und über 2,60 Meter hohe Stahlgebirge mehr Elan als ein Nashorn beim Tobsuchtsanfall. Während der Sechszylinder alle andren Geräusche entlang der Rennstrecke niederbrüllt, katapultiert er die Zugmaschine in 2,8 Sekunden auf Tempo 100, schafft den Zwischenspurt von 60 auf 160 km/h in einer Lächerlichkeit von 4,8 Sekunden und läuft nur deshalb bei 160 Sachen ins Leere, weil die Organisatoren den Strecken nicht mehr zutrauen – schließlich sind die Kurvenradien und Auslaufzonen für Renn- und nicht für Lastwagen ausgelegt. Wären da nicht die völlig veränderte Perspektive und der bessere Überblick – am Steuer würde man den Unterschied zwischen Sportwagen und Race Truck kaum merken: Hier wie dort ist man festgeschnallt in einem engen Schalensitz, hat ein winziges Lenkrad vor der Brust, blickt auf ein Heer von Schalter und Knöpfen, verfolgt die Kennwerte des Motors über ein kleines Display auf der Lenksäule und starrt stur geradeaus entlang der Ideallinie. Allerdings muss man ein bisschen mehr arbeiten, um den Laster um den engen Kurs zu bekommen, erläutert Rennfahrer Markus Oestreich, der die letzte Saison als Vierter abgeschlossen hat: „Beim Einlenken kämpft man gegen das Untersteuern, beim Auslenken gegen das Übersteuern und in den Kurven gegen das riesige Format“, schreit er in den Motorenlärm, als er das Sechs-Meter-Schiff fast quer durch die Schikane treibt. Wo andere Rennfahrer auf elektronische Hilfen bauen können, ist er auf sich allein gestellt: ABS, ESP & Co sind für ihn tabu. Die einzigen Goodies sind die wassergekühlten Bremsen. Sonst wäre das Ungetüm nicht aus 160 km/h in weniger als 50 Metern zu stehen zu bringen.

Trucks fahren mit Biodiesel[foto id=“355861″ size=“small“ position=“right“]

Natürlich erringt man mit Rennsport bei den Ökos keine Orden. Doch so ganz ignorant gegenüber der Umwelt sind die Race Trucks gar nicht. Viele Diesel fahren mit Partikelfilter, erläutert einer der Mechaniker. Wer schwarze Abgaswolken in die Luft bläst, muss Strafe bezahlen, und die 120 Liter Sprit, die Oestreichs Race Truck in einem halbstündigen Rennen verheizt, sind immerhin aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen: „Biodiesel“, sagt der Mechaniker und klopft auf das Dutzend blauer Metallfässer, das hinter dem Werkstattzelt steht. Heute beim Abschlusstraining zwischen Test- und Rennsaison stehen [foto id=“355862″ size=“small“ position=“left“]die drei MKR-Trucks noch ziemlich einsam und verlassen in der riesigen Wagenburg des Renault-Teams. Doch wenn der Zirkus nach dem Auftaktrennen an Ostern im englischen  Donington und einer Zwischenstation am Nürburgring und Rennen in Spanien, Frankreich, Italien ja sogar in Russland vor dem Finale in Le Mans noch einmal nach Most zurück kommt, wird hier im Fahrerlager und der Boxengasse die Hölle los sein. „Denn Truck Racing ist viel offener, viel hemdsärmeliger, einfach lässiger als die Formel 1, sagt Teamchef Mario Kress, der bis unmittelbar vor dem Rennen hunderte von Zuschauern durch seine Zeltstadt führt und interessiert den Gesprächen zwischen Fans und Fachleuten lauscht.

Man ist näher am Geschehen, auf der Strecke wird mit härteren Bandagen gekämpft, und die Trucks klingen besser als die Formel1-Renner. Wie gut diese Mischung beim Publikum ankommt, kann man an den Besucherzahlen ablesen, sagt Teamchef Kress: „Wir haben am Ring regelmäßig mehr Zuschauer als die Formel1.“

 

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