Busse im Drift

Härtetest am Polarkreis – Omnibusse im Drift

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Omnibusse müssen unter allen Umständen funktionieren, auch bei extremer Kälte. Deshalb testet der Daimler-Konzern seine Reise- und Linienbusse im hohen Norden Skandinaviens. Zum Ausklang der diesjährigen Wintererprobung lud die Testmannschaft zu einem kleinen Einblick nach Schweden.
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Wenn es kalt wird, kommen die Techniker

Jeden Winter wieder das gleiche Bild: Wenn in Nordschweden die Temperaturen auf zweistellige Minusgrade sinken und das Tageslicht nur leicht dämmernd den Mittag aufhellt, füllen sich die Werkstätten rund um Arjeplog und Arvidsjaur. Zahlreiche Fahrzeugtechniker reisen in den hohen Norden, um Prototypen oder neue Fahrzeugsysteme zu erproben. Die Wetterstation meldet dort im Schnitt 186 Frosttage im Jahr, der Jahresmittelwert der Temperatur beläuft sich auf fast null Grad Celsius. In den beiden Städten am 65. und 66. Breitengrad beginnt jetzt die Testsaison.

Ice-Maker sorgen für Dickes Eis

Lokal spezialisierte „techniker“ präparieren auf den zugefrorenen Seen maßgeschneiderte Fahrbahnen. Sobald die Eisfläche trägt, wird regelmäßig der Schnee von der gefrorenen Oberfläche geräumt, so dass das Eis an diesen Stellen besonders dick zufriert. Damit steigt die Belastbarkeit des Eises, bald können auch schwere Fahrzeuge den See befahren. Ganz nach Wunsch und Arbeitsprogramm der Tester gibt es angeraute Fahrspuren, andere werden mit einem feinen Wassernebel fast unpassierbar glatt poliert.

Sechs Wochen Testbetrieb

Dann läuft bei den Daimler-Leuten der Testbetrieb sechs Wochen auf Hochtouren, in den naheliegenden Werkstätten wird geschraubt und geprüft. Hier können die Tester extreme Manöver fahren, ohne dabei große Schäden zu riskieren. Wie zum Beispiel die schnelle ESP-Runde: Jede Runde wird schneller, bis der Bus an die Haftgrenze seiner Reifen gerät und mit der Vorderachse untersteuernd geradeaus drängt. Doch nach nur wenigen Metern stabilisiert sich das schwere Fahrzeug. Die Gegenprobe mit ausgeschaltetem System zeigt freilich, wie segensreich ESP wirkt: Jetzt dreht sich der Travego auf diesem Untergrund fast haltlos, der Fahrer ist wie seine Mitfahrer nur noch Passagier.
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Betriebs- und Funktionssicherheit

Es geht auch um die Funktionen der Omnibusse, die immer gewährleistet sein müssen. Gemäß der internen Vorgaben müssen die Setra- und Mercedes-Busse bis zu einer Außentemperatur von minus 25 Grad Celsius einwandfrei funktionieren, einige Funktionen sogar bis minus 40 Grad. Einzige Einschränkungen: das Zentraldisplay darf bei tiefkalten Temperaturen etwas länger brauchen, bis es startklar ist. Die Reihenfolge der grundsätzlichen Funktionen ist vorgegeben: Zuerst der Motor, dann alle wesentlichen Komponenten rund um den Fahrerplatz, dann erst ist der Fahrgastraum an der Reihe. Die Betriebs- und Funktionssicherheit steht an erster Stelle.

Ecktypen müssen sich beweisen

Nicht alle Typen und Modelle werden in Nordskandinavien getestet. Angesichts der großen Modellvielfalt des Setra- und Mercedes-Programms erfolgt vorab eine Selektion. Sogenannte Ecktypen, repräsentative Fahrzeugmodelle werden stellvertretend für die Produktpalette intensiv geprüft. Berücksichtigt werden Motorleistung und Getriebe, die Massenverteilung und die Fahrzeughöhe. Klar, dass ein Setra TC 500 ein ganz anderes Fahrverhalten als ein Citaro-Gelenkzug aufweist.
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Das wird geprüft

Auf der Hand liegt, dass Heizung, Lüftung und Klimatisierung einem Wintertest unterzogen werden. Die Entfrostung der Frontscheibe ist ein wichtiges Thema, ebenso die Funktion der Scheibenwischer oder die Dichtigkeit der Türen und Klappen bei tiefen Minustemperaturen. Schneeketten werden aufgezogen, wie klappt das bei verschiedenen Fahrzeuge? Manchmal ergeben sich Probleme erst auf den zweiten Blick: Wie verhalten sich die verbauten Kunststoffe, wenn sie Stoß an Stoß mit Stahlblech kombiniert werden?

Busse im Drift

Für den Beobachter ist freilich die Fahrwerkerprobung spannender. Vollbremsungen bei unterschiedlichen Reibwerten der Fahrbahn, spektakuläre Ausweichfahrten mit doppeltem Spurwechsel, hier sieht man die Reisebusse Travego und Tourismo mit breitem Driftwinkel, und extremer noch, sogar Pirouetten drehen. Erstaunlich, mit welcher Sicherheit der Kleinbus Sprinter Travel im Slalom durch die Hütchen wedelt - nur mit erheblichem Übermut lässt er sich zu einem Heckschwenk überreden. Beruhigend sicher agiert hier der zweiachsige Hochdecker Travego, er lässt sich auch durch Vollgasattacken kaum aus der Ruhe bringen. Selbsttätig bremst er unvernünftige Kurvenmanöver ein und findet immer wieder zum eingeschlagenen Kurs zurück - man möchte es kaum glauben.
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Ein Omnibus ist kein Lkw

Die Daimler-Entwickler sprechen gerne von einer omnibusspezifischen Feinabstimmung der Systeme. Die ja vielfach aus dem stückzahlträchtigen Lkw-Bereich stammen und dort schon ihre Bewährungsprobe hinter sich haben. „Ein Omnibus ist kein Lkw“, sagt Gustav Tuschen. Der Chefentwickler von Daimler Buses weist auf unterschiedliche Massenverhältnisse, spezielle Achskonfigurationen und Geschwindigkeiten hin. Um die Fahrgäste nicht über Gebühr zu strapazieren, wird beispielsweise der maximale Bremsdruck des ABA-Notbremsassistenten in den Omnibussen nicht auf einen Schlag, sondern mit Rücksicht auf möglicherweise stehende Passagiere ansteigend eingesteuert. Feinabstimmungen dieser Art bedeuten einen hohen Aufwand, zur Perfektionierung des AEBS-Notbremsassistenten für den Reisebus Tourismo wurden zwei Wintertests notwendig.

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