Kommentar: Von der bedrohten Freiheit eigener Meinung

„Alle Menschen sind verschieden – ich nicht.“ Vermutlich wird solcher Einwurf, in Gesprächsrunden allgemeine Heiterkeit auslösend, schnell als amüsante Albernheit abgetan, schon in der nächsten Minute wieder vergessen. Dabei bedürfte es wenig Fantasie, die vermeintlich alberne Bemerkung so zu interpretieren, dass sie nachdenklich macht. Denn wer sich selbst anders sieht als alle anderen, der wird es schwer haben im Leben, will er offenkundig doch seinen eigenen Weg gehen, sehr wahrscheinlich begleitet auch von ganz persönlichen Ansichten.

Vorprogrammiert ist gewissermaßen, dass ein so Strukturierter öfter Schwierigkeiten bekommen dürfte. Reicht dazu doch schon aus, eine eigene Meinung zu haben, die sich nicht an gesellschaftspolitischen Vorgaben orientiert und die dann womöglich auch noch öffentlich geäußert wird. Brisant wird die Sache, wenn die eigene Meinung das berufliche Wirken prägt, wie das etwa bei Journalisten der Fall sein kann – oder sein sollte.

Sich auf die vom Grundgesetz geschützte Meinungsfreiheit zu berufen (Artikel 5), erweist sich als wenig hilfreich, sobald Zwänge zu spüren sind, die – das ist der Punkt – sehr wahrscheinlich berufliche Nachteile einschlössen und denen man sich nur durch Selbstaufgabe entziehen kann.

Viel ist in diesen Tagen von der Frankfurter Buchmesse und der geknebelten Meinungsfreiheit in China, dem Gastland, die Rede. Medien, die sich zu Vorfällen im fernen China kritisch äußern, kochen nebenher den „Fall Sarrazin“ auf großer Flamme hoch, als habe das eine mit dem anderen absolut nichts zu tun.

Auffällt, dass es Autoren der verbalen Abrechnung vorziehen, andere Stimmen zum „Fall Sarrizin“ zu zitieren und die eigene Meinung zum Geschehen nicht einmal ahnen zu lassen. Offenbar wissen sie, was sie tun. Weil es um die freie Meinungsäußerung selbst in unserem Lande nicht zum Allerbesten bestellt ist. Sobald die verbriefte Redefreiheit zu missliebigen Themen in Anspruch genommen wird, fällt der Scharfrichter öffentlicher Schelte über sie her und stellt umgehend an den Pranger, wer gegen die Linie verstößt, die als politisch korrekt gilt. Gutes Erinnerungsvermögen ist nicht erforderlich, um auf Anhieb auf Paradebeispiele persönlicher Abstrafung zurückzukommen, die in der Vergangenheit Schlagzeilen machten.

Von Politikern wird ein gewisses Maß an Parteidisziplin erwartet. Dass sich daran auch Äußerungen ihrerseits ausrichten, überrascht nicht wirklich. Bedrückend aber ist, wenn sich Journalisten selbst von ihrem Auftrag befreien, Dinge beim Namen zu nennen – so wie sie sind – und stattdessen mit Kommentaren zur Sache lieber einer Erwartung nachkommen, die ihnen keinen Ärger beschert. Den Part, klare Urteile zu fällen, übernehmen quasi stellvertretend immer häufiger Leser, Hörer und Zuschauer. Soeben stieß ich in der Zeitung „Die Welt“ (15.10.2009) auf eine Leserzuschrift „zu den Anfeindungen Sarrazins …“ Der Leser macht es kurz. Er zitiert Bertolt Brecht („Das Leben des Galilei“): „Wer die Wahrheit kennt und sie eine Lüge nennt, ist ein Verbrecher.“

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