Oldtimer-Rallye im Rolls-Royce – Wie die Queen nach Berlin

Läuft er schon? Wer bei einem Rolls-Royce den Zündschlüssel dreht, muss schon verdammt gute Ohren haben. Denn das einzige, was man an Bord der Luxusliner zumindest nach dem Versprechen der Werbung hören kann, ist das Ticken der Uhr.

Ob dagegen tatsächlich auch der Motor angesprungen ist, verrät meist erst der Blick auf den Drehzahlmesser oder der Tritt aufs Gaspedal. Aber was tun, wenn man noch kein Gas geben kann und der Wagen gar keinen Drehzahlmesser hat? Denn dieser Rolls-Royce ist kein Phantom aus der Neuzeit. Wir sitzen vielmehr in einem Silver Cloud III von 1963, stehen [foto id=“437623″ size=“small“ position=“left“]Stoßstange an Stoßstange mit anderen millionenschweren Oldtimern und sollen gleich zur Hamburg-Berlin-Klassik starten. Da wüsste man schon ganz gerne, ob der Motor läuft oder man doch noch schnell die Mechaniker zur Hilfe rufen sollte.

Doch alle Zweifel sind unbegründet

Man hört in dem stattlichen Cabrio zwar selbst bei zurückgeschlagenem Dach nicht einmal ein leises Säuseln unter der endlos langen Haube. Doch kaum flattert die Startflagge in der frischen Herbstbrise, setzt sich der Rolls mit fast schon majestätischer Würde in Bewegung: Acht Zylinder, 6,2 Liter Hubraum, 200 PS und eine butterweiche Viergang-Automatik bringen den zwei Tonnen schweren Luxuskreuzer so sanft in Fahrt, dass man versteht, was die Briten mit ihrer „Waftability“ meinen: Mühelose Fortbewegung in Vollendung; Reisen, als würde man gebeamt und nicht gefahren. Dabei legt der Rolls bei Bedarf eine ganz und gar untypische Eile an den Tag: Wer den Fuß fest aufs Bodenblech heftet, der erreicht nicht nur bis zu 200 km/h – sondern der hört doch irgendwann einmal so profane Geräusche wie das Stampfen der Zylinder oder das leichte Brummen aus dem Auspuff. Zu den Sport- und Tourenwagen im Umfeld des Rolls-Royce ist das aber kein Vergleich: Corvette C1, Chevrolet Impala, Porsche 911, ja sogar eine Ente von Citroen klingen vorlauter und als der piekfeine Rolls-Royce.

Wo Luxus wichtiger ist als Leistung und man würdevoll wie die Queen auf einer Landpartie auf den schmalsten Nebenstraßen durch fünf Bundesländer in die Hauptstadt rollt, erweist sich das große Cabrio auch sonst als das perfekte Rallye-Auto. Schließlich geht es hier ja nicht um Kurvenräuberei und schnelle Sprints. Die Klassiker-Karawane von knapp 200 Oldtimern mit zusammen über 1.000 Zylindern und mehr als 26.000 PS macht vielmehr eine gemütliche Landpartie, die [foto id=“437624″ size=“small“ position=“right“]offiziell als Gleichmäßigkeitsfahrt gilt mit ein paar Sonder- und Wertungsprüfungen, bei denen es eher um Präzision als um Tempo geht.

Auf den Zentimeter genau durch eine Lichtschranke, auf die Sekunde genau durch einen abgesteckten Parcours oder wie bei einer Schnitzeljagd über eine unbekannte Strecke – das macht in dem unübersichtlichen und bei seinem Gardemaß von 5,40 Metern nicht eben wendigen Rolls-Royce vielleicht ein wenig Mühe. Aber dafür verwöhnt er die Insassen mit so einem wunderbar weichen Fahrwerk, so bequemen Sitzen, so zartem Leder und so flauschigem Teppich, dass man sich tatsächlich wie auf einer silbernen Wolke wähnt. Viel bequemer kann man nicht über Mecklenburger Kopfsteinpflaster, Brandenburger Plattenwege oder Berliner Autobahnen rollen.

Das Auto war königlich und so komfortabel, dass die Weggefährten im Skoda Felicia Cabrio, im Bentley Blower oder im Jaguar XK140 oft und neidvoll zur wohl temperierten Luxusoase aus dem Empire hinauf schielten. Und wo die anderen im Ziel erst einmal einen Wellness-Urlaub buchen mussten, konnte man dem fast 50 Jahre alten Silver Cloud so entspannt und ausgeruht entsteigen, wie einem nagelneuen Phantom Drophead Coupé.[foto id=“437625″ size=“small“ position=“left“]

Enttäuscht waren deshalb nur die Zuschauer, denen das Programmheft für den Luxusliner einen würdigen Mitfahrer versprochen hatte: Kein geringerer als Thomas Gottschalk – angeblich selbst Besitzer gleich mehrerer aktueller Rolls-Royce-Modelle – sollte auf der silbernen Wolke in die Hauptstadt schweben. Doch nachdem er für seine Juror-Rolle beim Supertalent nicht gerade mit Lob überschüttet wurde, hatte der blonde Hüne offenbar die Lust an der PR-Tour mit 200 PS verloren und lieber noch ein paar Fans mehr verprellt. Überall, wo der graugrüne Luxusliner über Marktplätze und durch die Schlossgärten rollte, musste die Mannschaft deshalb in traurige Gesichter schauen. Nur die wenigsten haben das so locker genommen, wie ein Autonarr beim Zwischenstopp in der Westernstadt „El Dorado“ von Templin: „Was brauch‘ ich den Fatzke aus dem Fernsehen, wenn ich mir so ein schönes Auto anschauen kann.“

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