Panorama: Moderne Cabriodach-Konstruktionen – Klappen gehört zum Handwerk

Von wegen neuzeitliche Mode: Cabrios sind so alt wie das Auto selbst. Schon im Patent-Motorwagen, dem ersten Auto der Welt, reiste Bertha Benz unter freiem Himmel – und hatte bei ihrer Langstreckenfahrt von Mannheim nach Pforzheim reichlich Glück mit dem Wetter. Denn gegen Regen war man an Bord dieser Motordroschke im Jahr 1885 noch nicht gewappnet. Lange allerdings mussten sich die Automobilisten Wind und Wetter nicht ungeschützt aussetzen: Mit den Karosserien aus dem Kutschenbau kam beim Auto auch das Cabrio-Verdeck in Mode – und ist bis heute en-vogue geblieben.

Zwar wurde aus der Regel von [foto id=“506236″ size=“small“ position=“right“]damals innerhalb von mehr als 100 Jahren eine Ausnahme, denn mehr als 90 Prozent der automobilen Weltproduktion werden mittlerweile mit geschlossener Karosserie ausgeliefert. Aber Klappen gehört noch immer zum Handwerk und hat sich bei einigen Modellen regelrecht zur Kunst entwickelt: Während manche Open-Air-Fahrzeuge sich schlicht und schnörkellos freimachen wie der Patient beim Hausarzt, zelebrieren andere die automobile Enthüllung wie eine Profitänzerin aus einem Pariser Nachtclub.

Das jüngste Beispiel dafür ist der neue Porsche Targa, der im Mai an die Seite des konventionellen 911 Cabrios fährt. Was 1965 als Notlösung startete, weil in Amerika offene Autos aus Sicherheitsgründen nur mit Überrollbügel zugelassen waren, gilt den Schwaben heute als Kult, für den sich jeder Klimmzug lohnt. Deshalb haben sie auf Basis des normalen Cabrio-Verdecks binnen drei Jahren eine zweite Klappe entwickelt, die sich stilistisch am Original aus den[foto id=“506237″ size=“small“ position=“left“] Sechzigern orientiert und genau so komfortabel ist wie ein aktuelles Modell. Denn vom ersten Targa hat das Verdeck den massiven Überrollbügel und die große Glashaube, und von heute ist die vollautomatische Bedienung. Das führt zu einer Show, an der man sich kaum sattsehen kann: Während sich die gläserne Heckscheibe öffnet und nach hinten wegkippt, gehen zwei Klappen im silbernen Targa-Bügel auf und geben die Kinematik des Stoffverdecks frei. Dessen beide Platten werden wie ein Z gefaltet und hinter den Fondsitzen abgelegt, bevor sich die Glaskuppel wieder über das Heck legt. Dieses 19 Sekunden währende Ballett könnte man immer wieder tanzen lassen, aus jeder Perspektive beobachten – und dabei das Einsteigen glatt vergessen.

Wenn dieses Spektakel fast 25 Jahre nach Mercedes SLK & Co selbst heute noch die Passanten verharren lässt und das entsprechende Video auf der Porsche-Homepage häufiger angeklickt wird als jedes andere Filmchen, was muss da Georges Auguste Paulin erlebt haben, als der Pariser Zahnarzt das Dach für den Peugeot Eclipse erfunden hat? Schließlich war das schon Anfang der Dreißiger Jahre und damals eine echte Revolution. Denn während der Chauffeur im Rolls-Royce noch [foto id=“506238″ size=“small“ position=“right“]seine Lordschaft verfluchte, weil er vor deren Sonnenbad wieder mühsam mit Spriegeln und Haken, Gurten und Spannern hantieren musste, genügten bei dem Peugeot ein paar Handgriffe oder im besten Fall ein Knopfdruck, um den Blick zum Himmel frei zugeben: Dann hob sich eine riesige Blechkappe an und verschwand danach im nicht minder großen Kofferraum.

Zwar wurden vom Eclipse keine 500 Exemplare gebaut, doch hatte die Königin der Lüfte damit die Saat gelegt für ein Cabrio-Konzept, das heute vom Markt nicht mehr wegzudenken wäre: Das sogenannte Retractable Hard Top (RHT), das versenkbare Kunststoff- oder Metalldach, das aus einem Auto für gewisse Stunden einen Wagen fürs ganze Jahr macht.

Allerdings hat es mehr als ein halbes Jahrhundert gedauert, bis die Idee wieder salonfähig und die Technologie reif für die große Serie war. Denn erst Mitte der Neunziger gruben diese Lösung fast zeitgleich Peugeot und Mercedes wieder aus, brachten sie mit dem 206 CC sowie dem ersten SLK in Serie und traten damit einen Trend los, der heute alle Klassen und Segmente durchzieht. Ganz gleich ob Kleinwagen wie zuletzt der Nissan Micra, Mittelklasse-Cabrios wie der neue BMW 4er oder Sportwagen wie der BMW Z4, ja selbst der Kultroadster Mazda MX-5 wird mittlerweile[foto id=“506239″ size=“small“ position=“left“] auf Wunsch auch mit versenkbarem Hardtop ausgeliefert. Nur in der Luxusliga, vom BMW 6er über den Bentley Continental bis hin zum Rolls-Royce Phantom halten die Hersteller dem Stoffdach auf jeden Fall die Treue – nicht zuletzt, weil solch riesige Konstruktionen wohl selbst mit Karbon nicht zu machen wären.

Ein fester Deckel aus Blech oder Plastik, den man wie eine Stoffmütze klappen kann, das ist mittlerweile die gebräuchlichste Lösung für Hardtop-Cabrios. Doch es gab in den Jahren nach 206 und SLK auch andere Entwürfe. So hat zum Beispiel Ferrari für den Superamerica von 2005 ein spezielles Glaselement geformt, das drehbar gelagert und elektrisch angetrieben war. So konnte man es wahlweise als Dach über die Köpfe klappen oder bündig auf dem Heckdeckel ablegen. Durchgesetzt hat sich diese Technik aber genauso wenig wie Jalousien zwischen den Dachsäulen, die manche Zulieferer auf den Messen dieser Jahre präsentierten.

So aufwendig und spektakulär manche Cabrio-Verdecke auch sind, so unpraktisch können sie zugleich sein. Unvergessen ist zum Beispiel der Citroen C3 Pluriel, der uns mal als moderner Erbe der Ente verkauft wurde. Während man dort allerdings das Rolldach mit einem Handgriff nach hinten werfen konnte, musste man das Softtop beim Pluriel elektrisch aufsurren lassen.[foto id=“506240″ size=“small“ position=“right“] Und wenn man es richtig nackig mochte, dann mussten auch noch die beiden Dachholme demontiert werden. Das ging aber erstens nur von Hand und mit ein wenig Muskelkraft. Und zweitens nur bei schönem Wetter: Weil für die beiden metallenen Elefantenstoßzähne kein Platz im Auto war ist, blieben sie in der Garage und die Passagiere hofften auf ein stabiles Hoch. Denn schließen ließ sich der Pluriel dann nicht mehr.

Dass solche Einschränkungen wenig zu tun haben mit dem Fahrzeugpreis, das wissen zum Beispiel die Besitzer eines Ferrari F 550 Barchetta, dessen Notverdeck genau sowenig vollgasfest war wie die Haube über dem Lamborghini Murcielago Spider. Und selbst wer einen offenen Bugatti Veyron  kauft, muss auf gutes Wetter hoffen – oder zu einer Notlösung greifen, die dafür auch noch als Accessoire zum Stadtbummel taugt: Denn wer das Targa-Top zu Hause in der Garage lässt und von einem Schauer überrascht wird, der kann unter der Haube eine Art Regenschirm mit Karbongestell herausziehen, der genau in die Lücke zwischen Heck und Frontscheibe passt. Zwar darf man damit nur noch 130 km/h fahren – doch als wäre ein Bugatti noch nicht spektakulär genug – kann man mit diesem Umbau auch den letzten Passanten noch zum Staunen bringen.

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