Tankbetrug: Immer mehr Autofahrer klauen Sprit anstatt zu zahlen

Besonders in Großstädten nehmen Fälle von Tankbetrug zu. Dabei wohnen die überwiegend männlichen Täter oft in der Nähe des Tatorts. Angezeigt wurden 85.000 Fälle. Die Dunkelziffer beläuft sich nach Expertenmeinung aber auf bis zu 425.000 Delikte. Das zeigt die aktuelle auto.de-Studie Tankbetrug in Deutschland.

Die Spritpreise steigen seit Jahren. Und mit erschreckender Regelmäßigkeit Springen die Preise pro Liter vor langen Wochenenden, Feiertagen oder den jetzt in den Bundesländern startenden Ferien auf immer neue Rekordbeträge. Das sorgt nicht ohne Grund für Frust und Ärger:

So stiegen etwa die Preise von Superbenzin von 2010 zu 2011 um durchschnittlich 9,8%, bei Diesel sogar um 15,8% In „Heller und Pfennig“ heißt das: Wer etwa im Juni 2010 Super tankte, zahlte rund 1,43 € für den Liter. Zwölf Monate später waren es schon 1,56 €. Bei Diesel ist es ähnlich: Juni 2010: 1,24 €, Juni 2011: 1,42 € (Quelle: Mineralölwirtschaftsverband e.V.). Als Folge dieser sich immer schneller drehenden Preisspirale an den deutschen Zapfsäulen nimmt der Tankbetrug immer mehr zu. So verzeichnete die Polizei im Zeitraum 2010/ 2011 [foto id=“427628″ size=“small“ position=“right“]eine 10%ige Steigerung bei den angezeigten Delikten. Im Jahr 2011 wurden absolut betrachtet 85.065 (Angaben basieren auf Daten des Bundeskriminalamtes) Tankbetrugs-Fälle in Deutschland registriert. Doch dies scheint nur die Spitze des Eisberges zu sein. Experten vermuten, dass die Anzahl der nicht angezeigten Fälle bei bis zu 80% liegt. Rund 425.000 Delikte wären es demnach insgesamt in der Republik. Tummelplatz der Tankbetrüger sind hauptsächlich die anonymen Großstädte und die stärker urbanisierten Regionen. Das ist das Ergebnis einer großen Kriminalitätserhebung des KFZ-Portals www.auto.de. Die Studienmacher wollten wissen: Wo sind eigentlich die Sprit-Klau-Hochburgen in Deutschland? Hierfür wurde nicht nur die Anzahl der Delikte angefragt, sondern auch die Anzahl der Tankstellen in den Orten recherchiert. Für die Erhebung wurden in einer dreimonatigen Recherche bei zahlreichen Polizeidienststellen, den Landeskriminalämtern, dem Bundeskriminalamt, Mineralöl- und Tankstellenverbänden, Industrie- und Handelskammern, Stadtverwaltungen sowie Statistikämtern Daten angefragt.

Wunsch und Wirklichkeit: 80% der Delikte nicht angezeigt

Immer weiter steigende Spritpreise lassen bei vielen Autofahren die Hemmschwelle sinken, wenn es um den sogenannten Tankbetrug geht. Doch die an Stammtischen als Kavaliersdelikt angesehene Tat, schadet den wegen ihrer Preispolitik in der Kritik stehenden Mineralölkonzernen kaum. Vielmehr sind es die Tankstellenpächter, die oft auf den entstandenen Schäden sitzen bleiben. Nach der aktuellen auto.de-Studie wurden 2011 offiziell 85.065 Tankbetrugsanzeigen bei den Polizeidienststellen aufgegeben. Bei 14.410 bundesdeutschen Tankstellen (Quelle: Bundesverband Freier Tankstellen) sind es 6 Delikte pro Station. Doch Experten schätzen die „Dunkelziffer“ um einiges höher ein. Sage und schreibe bis zu 80% der Delikte sollen den Behörden gar nicht mitgeteilt werden. „Vielen Tankstellenpächtern ist der bürokratische und letztlich auch der finanzielle Aufwand einfach zu groß“, so Jürgen Zieger vom Zentralverband des Tankstellen- und Garagengewerbes. Sollte Zieger mit seinen Erfahrungen Recht haben, so wären es fast eine halbe Million (425.000) Tankbetrug-Fälle in Deutschland 2011 – schon fast eine Art „Volkssport“. Als Folge dessen, würde der vom BKA bezifferte Schaden von 5,75 Mio. € auf rund 30 Mio. € ansteigen.

Tankbetrugs-Hochburgen

Die Studie belegt: Gemessen an der Anzahl der Tankstellen und den bei der Polizei gemeldeten Tankbetrugsfällen, ist – ja Sie lesen richtig – Solingen die Betrugshauptstadt. Statistisch betrachtet wird jede Solinger Tankstelle 22-mal von Tankbetrügern heimgesucht. Damit liegt die Stadt im Bergischen Land 232% über dem Städte-Studiendurchschnitt. Insgesamt verzeichnete die Polizei 547 angezeigte Fälle im Jahr 2011. Eine Eintagsfliege scheint dies jedoch nicht zu sein. Für das Jahr 2010 stehen 544 Betrugsfälle in den Polizeiunterlagen – nur 3 Delikte weniger. Platz zwei belegt Leipzig. In der Sachsenmetropole wurden 726 Tankbetrugsfälle gemeldet. Das bedeutet, dass jede Tankstelle 21-mal im Jahr 2011 betroffen war. Die Messestadt liegt damit um 224% über dem Studienschnitt. Platz drei in unrühmlichen Betrugsranking geht an Bottrop. Die Stadt im nördlichen Ruhrgebiet verzeichnete zwar „nur“ 319 Fälle aber bei nur 16 – von der Stadtverwaltung übermittelten – Tankstellen sind das 20 Betrugsdelikte pro Station. Auf Platz vier folgt die deutsche Hauptstadt. Durchschnittlich 18 Tankbetrügereien beklagt jede Berliner Tankstelle (177% über dem Schnitt). Ungewöhnlich ist der Platz fünf: Konstanz. Die beschauliche Stadt am Bodensee ein Betrugsmekka? Leider ja. Die Stadt erlebte einen 125%igen Anstieg der Delikte. Im Jahr 2011 waren es 124, ein Jahr zuvor nur 55. Das heißt, dass im vergangenen Jahr, gemessen an der Anzahl der Tankstellen, jede Station 18-mal heimgesucht wurde. Weitere Tankbetrugs-Hochburgen sind u.a. Hamburg, Bonn, Köln (alle 17 Delikte je Station), Magdeburg (15 Delikte je Station). Insgesamt sind fast 22,3% der untersuchten 121 Städte für Tankstellen-Betreiber „unsicher“, sprich: „Betrugshochburgen“.

Betrachtet man nur die absolute Anzahl an Tankbetrügereien, so stellt sich das Ranking etwas anders dar: Hier führt Berlin mit 6.221 gemeldeten Fällen, gefolgt von Hamburg mit 2.831, Köln (2.454), Frankfurt/ Main (1.161), Düsseldorf (892) und München (888).

Ehrliche Tankstellen-Kunden in Heide, Schwäbisch-Hall, Bergisch Gladbach, Celle & Hagen

Ehrliche Kunden finden sich laut auto.de-Studie in Heide. Dort werden 82% weniger Sprit-Betrügereien begangen als anderswo. In der Stadt in Holstein wird nämlich – statistisch betrachtet – jede Tankstelle nur einmal mit dem Tatbestand des Tankbetrugs konfrontiert. Vorbildliche Tankstellenkunden finden sich auch in Schwäbisch-Hall, Bergisch Gladbach, Celle, Hagen, Paderborn, Salzgitter, Tübingen, Aalen und Verden. Die Polizei verzeichnete in den genannten Städten 2011 nur 2 Delikte je Tankstelle. Nur 3 Delikte je Station wurden u.a. in Neubrandenburg, Nürnberg, Esslingen, Hildesheim, Remscheid, Bremerhaven oder Oldenburg gezählt.

Massiver Anstieg in einzelnen Orten wie Baden-Baden, Wolfsburg, Konstanz und Hof

Ähnlich wie die steigenden Spritpreise zogen 2011 auch die Betrügereien im Vergleich zu 2010 an. So verzeichnet das mondäne Baden-Baden einen Anstieg bei Tankbetrug von sage und schreibe 522% (120 angezeigte Fälle). Mit etwas Abstand, jedoch ebenfalls vorn dabei: Wolfsburg. Die Autostadt verzeichnet einen Anstieg von 141% (72 Fälle). Dreistellige Zunahmen belegt die Studie auch in Konstanz (125%, 69 Fälle), Hof (106%, 33 Fälle) und Hildesheim (103%,33 Fälle). Ebenfalls mit hohen Zunahmen zu kämpfen haben: Verden (+91%, 10 Fälle), Ingolstadt (+66%, 57 Fälle) oder Kiel (+58%, 78 Fälle).

Auf Bundesebene liegt der Anstieg bei 10%, und zwar von 78.000 Fällen im Jahr 2010 auf rund 85.000 im Jahr 2011. Das Gros der Tankbetrügereien ereignete sich in Nordrhein-Westfalen mit fast 22.000 Delikten. Zwischen Rhein und Ruhr ist auch die höchste Betrugsanzahl zu verzeichnen: 20 Delikte pro Tankstelle. Ebenfalls Betrugshochburgen auf Bundesebene: Berlin, Hamburg und das kleine Saarland. An der Saar waren es immerhin 13 gemeldete Delikte pro Tankstelle. Die größten Steigerungen auf Bundesebene verzeichneten Berlin mit 37% (1.665 Fälle), das Saarland mit 23% (235 Fälle), Schleswig-Holstein mit 19% (434 Fälle), Sachsen mit 13% (419) und Thüringen mit 12% (210 Fälle). Einen untypischen Rückgang hingegen verzeichnen Hessen (-2%, 128 Fälle weniger) und das Land Bremen (-10%, 79 Fälle weniger).

Aufklärungsquoten schwanken zwischen 92,3% und 15,7% / „Rosenheim-Cops“ mit bester Quote

Richtig positiv stellt sich auch die Aufklärungsarbeit der Polizei nicht dar. Trotz Kameraüberwachung liegt die Aufklärungsquote bei Tankbetrug deutschlandweit bei 43,7%. Wenn man bedenkt, dass 80% der Vorfälle nicht zur Anzeige kommen, ist dies auch nicht viel. So schwanken die Quoten auf Länderebene zwischen 55,1% und 25,9%. Das Ranking führen Hessen (55,1%), Rheinland-Pfalz (54,6%) und Niedersachen (53%) an. Am Ende finden sich Berlin (25,9%) und Bremen (27,1%).

Auf lokaler Ebene – in den untersuchten Städten – sind die Schwankungen noch größer. Besonders gut arbeiten die „Cops“ in Rosenheim. Über 90% der angezeigten Fälle konnten die Beamten aufklären. Ebenfalls gute Arbeit leistet die Polizei in Aalen (90,9%), Trier (89,8%), Balingen (88,9%), Freiburg/ Breisgau (84,7%), Schwäbisch-Hall (83,3%) oder Reutlingen (80,3%).

Tätertypen

Fest steht: Spritklau ist eine Männerdomäne. Von den über 31.000 ermittelten Tatverdächtigen (TV) waren 2011 78,3% Männer (2010: 78,8%). Bei Frauen lag die Tatverdächtigen-Quote bei 21,65% (2011) und 21,11% (2010). Ob nun Mann oder Frau, die meisten Sprit-Betrüger – gemessen an der Gesamtzahl der TV – finden sich in der Gruppe der 21- bis 60-Jährigen mit 82,2,  gefolgt von der betrügerischen Pensionärs-Fraktion mit läppischen 8,6%. Fahranfänger scheinen im Bereich Tankbetrug noch grün hinter den Ohren zu sein. 4,12% der Erwachsenen zwischen 18 und 21 Jahre trauen sich, den Tankwart zu betrügen.

Augenscheinlich sind die Betrüger zudem noch sehr faul. Weite Fahrtstrecken sind ihnen ein Graus. Denn über 1/3 der TV (33,3%) kommen aus der gleichen Gemeinde, in der die „betrogene“ Tankstelle liegt, immerhin noch 14,1% aus dem Landkreis, 29,3% aus demselben Bundesland. Nur 7,2% der ermittelten TV sind ausländische Autofahrer. Etwa 1/3 (31,1%) der TV sind für die Behörden keine „unbeschriebenen Blätter“. Dieser Personenkreis ist schon in anderen Fällen als TV in Erscheinung getreten. Eine weitere Erkenntnis ist, dass der Tankbetrug eher ein Phänomen „anonymer“ Großstädte ist. Bis auf einige Ausnahmen befinden sich im Bereich „Betrugshochburg“ fast nur Städte mit über oder annähernd 200.000 Einwohnern. Im Bereich „ehrliche Autofahrer“ findet sich das Gros der Städte mit rund 100.000 Einwohnern oder weniger. Somit sind die stark urbanisierten Kommunen ein beliebter Tummelplatz für Betrüger, weniger die Kommunen, in denen jeder jeden kennt.

Hier sei noch angemerkt, dass es immer weniger Tankstellen im Bundesgebiet gibt. Im Jahr 2000 waren es etwa 17.200, im Jahr 2010 nur noch  rund 14.400 Stationen.

Stand: 10. Juli 2012, Alle Angaben ohne Gewähr.

Für die Erhebung wurden Mineralöl-Verbände, Tankstellen-Verbände und Mineralölkonzerne kontaktiert. Die Vertreter konnten dem Studienteam jedoch nicht mit konkreten Zahlen helfen. In Folge dessen wurden die zuständigen Industrie- und Handelskammern und die Verwaltungen der Städte angefragt. Zudem erfolgte noch eine Internetrecherche zur Anzahl der vor Ort befindlichen Tankstellen. Die Stadtverwaltungen von Gießen, Hof, Krefeld, Leipzig, Schwäbisch-Hall und Zwickau verweigerten grundsätzlich eine Zusammenarbeit. Waren Tankstellendaten der Städte vorhanden, so wurden diese als Grundlage genutzt. Wenn nicht, so bildete das Studienteam einen Mittelwert aus IHK- und Internetangaben. Die Anzahl der Tankstellen auf Ebene der Bundesländer war trotz vielfältiger Anfragen auch bei den Statistischen Landesämtern und privaten Statistikunternehmen nicht zu erheben. Deshalb nutzte das Studienteam eine Veröffentlichung der Hochschule Karlsruhe mit der Anzahl der Tankstellen je Bundesland im Jahr 2000. Auf Basis der 2010er Gesamtanzahl wurden anhand eines angenommen gleichmäßigen Rückgangs in jedem Bundesland die Werte ermittelt.

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Herbert Daubner

September 12, 2012 um 11:25 am Uhr

Seh ich genauso! Ist wirklich schlimm – immer muss man sich Gedanken machen was man tankt damits 5 cent billiger wird.. Ist echt arg nervig! Trotzdem würd ich kein Benzin klauen, weil das schlicht und ergreifend Diebstahl ist.

Gast auto.de

September 10, 2012 um 10:46 am Uhr

meine meinung den Betrug macht ARAL – Schell und BP
da die Benzin Preise nicht so stimer sondern die Öl Firmen nuhr auf
profit aus sind dewegen rufe ich zum Benzin beukot aud Auto fahre tankt nur noch
an Freihen Tankstelen. ich Tank frei ich Bin dabei

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