Toyota

Fahrbericht Toyota Tundra – Gigant von gestern

Mit einem Pick-Up durch Hollywood? Das klingt abwegig, ist aber gar keine so schlechte Idee. Denn auch wenn die Stars und Sternchen hier vor allem auf den Toyota Prius stehen und man in Beverly Hills oder am Wilshire Boulevard beinahe mehr Ferraris sieht als Fords, macht man auf der Melrose Avenue selbst im Toyota Tundra eine gute Figur. „Denn wir verkaufen den Wagen nicht nur auf dem platten Land, sondern haben auch viele Kunden in den Großstädten“, sagt Toyota-Sprecher Greg Thome: „Und Los Angeles rangiert da noch vor Houston und Dallas an der Spitze“.

Auf den ersten Blick mag das verwundern. Doch wer einmal mit dem Tundra über die maroden Interstates gefahren ist, in deren Schlaglöchern ein Smart glatt verschwindet, wer im Stau auf dem Pacific Coast Highway vom automobilen Hochsitz aus noch immer das Meer und nicht nur die Heckklappe des Vordermanns gesehen hat und wer völlig unbeirrt vom Verkehrsgewühl in der Rush Hour über den Rodeo Drive gerollt ist, der kann die Großstadtcowboys gut verstehen. Denn wo man sich in Los Angeles in einem Kleinwagen bisweilen hoffnungslos verloren und selbst in einem Jeep Grand Cherokee manchmal noch bedrängt fühlt, wähnt man sich hoch oben am Steuer des Tundra als König der Straße, der buchstäblich über den Dingen steht.

 

[foto id=“335082″ size=“small“ position=“right“]Dabei ist man Herr über ein feudales Königreich: Zugegeben, man muss erst einmal ein paar Klimmzüge an den massiven Haltegriffen machen, bis man es auf den Thron geschafft hat. Und ganz so nobel wie etwa bei einem Lexus ist die Landschaft aus Kunststoff und Kunstleder im Tundra auch nicht. Doch sitzt man auf Sesseln, die jedem Wohnzimmer zur Ehre gereichten, hat mehr Platz als in den meisten Hotelzimmern von Hollywood und genießt natürlich alle Annehmlichkeiten, mit denen sich amerikanische Autofahrer gemeinhin verwöhnen lassen: Die Klimaanlage verwandelt die Kabine auf Knopfdruck in eine Sauna oder einen Eisschrank; Sitze, Spiegel und sogar die versenkbare Heckscheibe funktionieren natürlich elektrisch, und Stauraum gibt es ohne Ende. Nicht nur, dass man auf der Pritsche Tischtennis spielen und auf der Rückbank mit einem halben Dutzend Filmsternchen eine wüste Party feiern könnte. Sondern auch für den üblichen Kleinkram findet sich überall das passende Plätzchen. So verschwinden allein vorne ein halbes Dutzend Dosen in den Cupholdern und vermutlich noch einmal so viele Six-Packs in der riesigen Mittelkonsole.

 

In Fahrt bringt den Tundra ein Motor, der so gewaltig ist wie das Auto, das er antreiben soll: Acht Zylinder, 5,7 Liter Hubraum und 381 PS sind genau das richtige, wenn man ein Dickschiff von mehr als drei Tonnen und knapp sechs Metern bewegen will. Natürlich ist der V8 der krasse Gegenentwurf zu all den sparsamen Hybriden, mit denen Toyota die Welt retten will. Doch ein bisschen Spaß wird ja wohl noch sein dürfen. Und nach dem ersten Kickdown spült ein Schwall von Benzin und Adrenalin ohnehin alle Skrupel davon. Viel zu imposant ist das Gefühl, wenn 544 Nm die Schwerkraft aushebeln und den Wagen nach vorn werfen, als habe der Tundra noch nie etwas von der Trägheit der Masse gehört. Während sich die imposanten 20-Zöller fest in den Asphalt beißen und die sechsstufige Automatik fein säuberlich die Gänge wechselt, vergehen deshalb gerade einmal 6,3 Sekunden, bis der Tacho bei Tempo 100 steht. Damit kann man beim Ampelspurt ordentlich Eindruck schinden. Dass dabei der Verbrauch dann allerdings locker über die sonst üblichen 20 Liter auf 100 Kilometer schnellt, können die Amerikaner leicht verschmerzen. Nicht umsonst ist dort Benzin mittlerweile wieder billiger als der Eistee, denn sie an der Tankstelle für 99 Cent die Dose verkaufen. Und außerdem hat der Tundra ja zu Recht einen 100-Liter-Tank.

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[foto id=“335083″ size=“small“ position=“left“]Kurz nach dem Ampelspurt und spätestens hinter dem Ortsschild hört der Spaß mit dem Tundra allerdings auch schnell wieder auf: Zumindest auf dem Mullholland Drive, wo die High Society von Hollywood ihre Sportwagen ausfährt, hat man mit dem Dickschiff nichts zu suchen: Während der Tundra auf den langen, breiten und vor allem geraden Highways durch die Wüste nach Las Vegas oder Palm Springs so gelassen und gemütlich schippert wie ein Kreuzfahrtdampfer und mal selbst über die antiquierte Blattfederung hinwegsehen kann, schlingert er über die Pässe in den Hollywood Hills wie ein Tanker in Seenot. Kein Wunder bei einer butterweichen Lenkung und einem Wendekreis von 15 Metern.

 

Imposant am Tundra sind nicht nur Format und Fahrleistungen, sondern auch der Blick in die Preisliste. Denn so viel Auto fürs Geld gibt es sonst kaum irgendwo – zumindest wenn man aufs Kilo oder die Kubikzentimeter schaut. Schließlich kostet das Basismodell mit einem mickrigen Sechszylinder von vier Litern Hubraum nur 23.000 Dollar oder rund 16.000 Euro. Und selbst die Top-Version mit Achtzylinder, zuschaltbarem Allradantrieb und der feudalen CrewMax-Kabine ist mit ihren 42.500 Dollar oder umgerechnet gut 30.000 Euro noch billiger als bei uns der einfachste Land Cruiser.

 

[foto id=“335084″ size=“small“ position=“right“]Zwar sind die Zulassungszahlen für die Giganten von gestern erst durch die rapide gestiegenen Benzinpreise und dann durch die Wirtschaftskrise arg in den Keller gerauscht. Doch mittlerweile ist der Sprit in Amerika wieder günstig, die Wirtschaft berappelt sich – und der Absatz der Pick-Ups schnellt wieder nach oben: Mit allein 435.000 Verkäufen in den ersten zehn Monaten des Jahres ist und bleibt die Ford F-Serie der Golf der Amerikaner und das meistverkaufte Auto im Land. Nimmt man noch den Chevrolet Silverado, den Dodge Ram und den GMC Sierra dazu, haben schon die Big Three aus Detroit bis Oktober über eine Million Pick-Ups verkauft. Und auch bei den Importeuren läuft das Geschäft wieder besser. Natürlich sind die 200.000 Einheiten der fetten Jahre noch lange nicht wieder erreicht. „Aber für dieses Jahr registrieren wir bereits ein Plus von 19 Prozent“, sagt Toyota-Sprecher Thome mit Blick auf die 76.000 Tundras, die bis zum 31. Oktober verkauft wurden.

 

Die allermeisten davon fahren zwischen New York und Los Angeles. „Denn der Tundra ist ein rein amerikanisches Auto“, sagt Thome. „Er wird hier gebaut und auch nur hier verkauft.“ Im Prinzip ist das richtig. Doch ein Blick auf deutsche Internetportale und die Höfe freier Importeure straft ihn Lügen: Für eine Handvoll Großstadtcowboys, denen ein Cadillac Escalade zu vornehm und eine Mercedes M-Klasse zu mickrig ist, gibt es den Tundra zu Preisen knapp unter 50 000 Euro auch bei uns.

 


Toyota Tunda – Technische Daten:
Full-Size-Pick-Up

Motor V8-Benziner
Hubraum 5662 ccm
Leistung 280 kW/381 PS
max. Drehmoment 544 Nm
Getriebe Automatik
0-100 km/h 6,3 s
Höchstgeschwindigkeit 170 km/h
Preis für Grau-Importe ca. 48 000 Euro

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