Generation 60 plus: Was muss das Auto können?

Autohersteller kennen ihre Zielgruppen. Behaupten sie zumindest. Seit Generation beten Verantwortliche des Marketings im Rahmen jeder Autoneuvorstellung die wichtigsten Merkmale ihrer Wunschzielgruppe für ein neues Fahrzeug herunter, egal ob es sich um einen japanischen Kleinwagen, die deutsche Mittelklasse oder italienische Sport-Exoten handelt. Danach ist der künftige Kunde nicht älter als 25, akademische ausgebildet und promoviert. Er verfügt über ein Haushaltseinkommen ab 6 000 Euro netto, sein Lebensstil ist freizeitorientiert, multikulturell und urban zivilisiert. Dass dieses Wunschdenken mit der Praxis nichts zu tun hat, beweisen harte Zahlen.

Eine Studie der Universität Duisburg-Essen hat 2010 das Durchschnittsalter deutscher Neuwagen-Käufer mit 50,8 Jahren ermittelt. Mercedes-Käufer waren danach 56,1 Jahre alt, BMW-Kunden 53,1 und Besitzer neuer Audis zählten immerhin noch 50,8 Lenze. Während der Anteil an Neuwagenkäufern unter 40 zwischen 2006 und 2010 von 23,3 auf 20,2 Prozent gesunken ist, wächst die „Generation 70+“ unter den Neuwagenkunden deutlich. Bereits 2020 wird Studien zufolge jeder zweite Bundesbürger sechzig Jahre oder älter sein. Gerade diese Generation legt besonderen Wert auf die Qualität ihrer persönlichen Mobilität. Denn sie verfügt nicht nur über die Mittel, sondern auch über die notwendige Zeit, diese Mobilität zu nutzen. Unverständlicherweise zeigt bis heute kein Fahrzeughersteller Mumm, Selbstvertrauen und Respekt vor seinen Kunden, in dem er besondere Aspekte seiner Modelle als „seniorengerecht“ vermarktet. Dabei gibt es genügend Features und Fahrzeugseigenschaften, die auf den reiferen Autokunden wie zugeschnitten sind.

Egal wie alt ein Autokäufer ist, auch für die älteren Semester gilt: Frisches Design, hohe Funktionalität und ein gutes Image fürs persönliche Prestige stehen ganz oben auf der Wunschliste. Darum sollte sich der Autokunde folgende Fragen grundsätzlich am Anfang des Entscheidungsprozesses für ein neues Auto stellen: Für welche Einsatzzwecke will ich mein Auto künftig verwenden? Soll das Gefährt nur als Kurzstreckenvehikel dienen oder auch regelmäßig für mehrere hundert Kilometer am Stück Komfort bieten? Wie viele Personen fahren mit? Wie viel Ladekapazität brauche ich? Ältere Menschen neigen trotz kleinem eigenen Haushalt dazu, beim Fahrzeugkauf den Transportbedarf für Kinder und Enkel eng in die Kalkulation einzubeziehen. In diesem Fall bieten sich kompakte Vans mit hoher Variabilität des Innenraums an.

Ältere Menschen bevorzugen generell eine erhöhte Sitzposition. Die gewährleistet nicht nur ein bequemeres Ein- und Aussteigen. Auch die Übersicht auf das Fahrzeuggeschehen ist besser und das hilft wiederum beim Rangieren. Wenn das Alter die Gelenkigkeit reduziert, helfen beim Rangieren Einparkhilfen und Rückfahrkameras, die schon lange nicht mehr das Privileg der Ober- und Luxusklasse gelten. Als Faustregel gilt: Beim Aussteigen sollte der Kniewinkel bei einem auf die Fahrbahn gestellten Fuß mindestens 90 Grad betragen oder besser mehr. Das reduziert den Kraftaufwand deutlich. Die Sitzhöhe, gemessen von Fahrbahn bis zur Sitzfläche hat mindestens 60 Zentimeter zu betragen, die Einstiegshöhe von Fahrbahn zu Dachkante 120 Zentimeter nicht zu unterschreiten. Nicht von ungefähr ist der Golf Plus der Liebling der Senioren, gefolgt vom Opel Meriva. Auch die B-Klasse von Mercedes und die Toyota-Modelle RAV4 und Verso stehen bei dieser Zielgruppe hoch im Kurs.

Eine gute Ergonomie und ausreichend Verstellmöglichkeiten bei den Sitzen und dem Lenkrad qualifizieren jedes Fahrzeug, unabhängig vom Alter des Käufers. Eine wichtige Rolle spielen auch die Bedienkräfte der Komponenten. Natürlich ist ein Endsechziger, der noch jedes Jahr das goldene Sportabzeichen ablegt, per se in den Beinen kräftig genug, eine Feststellbremse mit kräftigem Tritt zu fixieren, eine elektrische Parkbremse erzielt den gleichen Effekt jedoch per bequemem Tastendruck.

Gern bestellen ältere Käufer ihr neues Gefährt mit einer Automatik, denn so lenkt einmal die Schaltarbeit weniger vom Verkehrsgeschehen ab. Doch auch die Entscheidung für den Schaltautomaten ist eigentlich weniger alterbedingter körperlicher Reduktion geschuldet als vielmehr der Vernunft. Moderne Schaltautomaten mit ihren elektronischen Steuerungen wechseln die Gangstufen schneller, präziser und Wirtschaftlicher als jeder Mensch. Auch der Blick auf die modernen Assistenzsysteme verdeutlicht: Hier zielen Empfehlungen weniger auf eine bestimmte Altersgruppe als vielmehr auf allgemeine Vernunftbegabung, Einsicht und Verantwortungsbewusstsein. Ein Kaufkriterium für ein neues Auto sollte beispielsweise eine Verkehrsschilderkennung sein, die die jeweils aktuell vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit ins Cockpit projiziert. Auch eine Notbremsfunktion sowie ein Totwinkel-Warner verbessern die Sicherheit.

Auch wenn jeder Hersteller den jungen Autokunden auf´s Podest stellt, freuen sich Autohäuser, in praktischer Erfahrung mit ihrer Kundschaft gereift, besonders über ältere Käufer. Denn gerade die verfügen überdurchschnittlich oft über solide Einkommenverhältnisse. Doch für potentielle Kunden gilt: Keine Kaufentscheidung ohne ausgiebige Probefahrt. Denn nur die Praxis beantwortet die wichtigsten Fragen wie: Sind Ein- und Austeig bequem? Ist die Sitzposition optimal für jedes körperliche Format einstellbar? Ist die Bedienung einfach und intuitiv? Gibt es nicht zu viel elektronischen Schnickschnack, der nur ablenkt und viel zu umständlich zu bedienen ist? Autokäufer der „Generation 60+“ sollen selbstbewust das Autohaus betreten. Wer bereit ist, eine in der Regel mindestens fünfstellige Summe in ein neues Auto zu investieren, ist kein Bittsteller, sondern derjenige, der bestimmt, wo es beim Autokauf lang geht. Denn Autoträume kennen bekanntlich keine Altersgrenze.

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Otto Meyer

März 19, 2012 um 9:38 pm Uhr

Naja, Fahrzeug-Eigenschaften als "seniorengerecht" zu vermarkten ist nicht so einfach. Hab vor einiger Zeit eine Studie gelesen, nach welcher sich jeder Mensch als jünger, schöner, sportlicher, usw. wahrnimmt als er tatsächlich ist. Es liegt also in der Natur der Menschen, sich zu überschätzen. Und wenn wir ehrlich sind, niemand will an das Negative erinnert werden. Ich denke, dass wenn ein Hersteller tatsächlich den Mumm hätte, das zu tun, was in diesem Artikel vorgeschlagen wird, dass er am Großteil seiner Autos sitzen bleiben würde.
Mein Nachbar, der zur Generation 60+ gehört, besitzt einen Meriva. Als ich ihn mal gefragt habe, wieso er ausgerechnet einen Meriva fährt, meint er, dass ihn damals die peppige Optik und die Sportlichkeit des Wagens gefallen hat. (er hat ein stärkeres Modell)
Mit keinem Wort erwähnte er die höhere Sitzposition, das Raumangebot, oder die Flex-Türen, die besonders für ältere Leute gut sein sollen.
Das lässt mich zum Schluss kommen, dass ältere Leute insgeheim diese Features schätzen, aber die Illusion aufrechterhalten wollen, dass sie noch jung sind. Wehe da kommt ein Autohersteller daher, und meint "XY ist speziell für alte Leute konzipiert worden" und lässt somit die Seifenblase zerplatzen. 😉

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