Kommentar: Bis der Kragen platzt

Es könnte alles so schön sein: Der Winter hat aufgegeben, die Frühlingssonne übernahm die Regie in der Natur. Ostern steht vor der Tür. Freude darüber weckt bei Autobesitzern Lust, auf Reisen zu gehen. Und schon reiben sich bei Mineralölgesellschaften unternehmerische Hände. Wieder einmal lässt man – wie gewohnt – die Kraftstoffpreise schon im Vorfeld der nahenden Reisewelle in Deutschland explodieren. 1,45 Euro für einen Liter Super! Und das sei bestimmt noch nicht das Ende, mutmaßt vierzehn Tage vor Ostern ein Tankstellenpächter in Potsdam.

Ein weiteres Mal werden Sprecher im Dienste von Mineralölunternehmen beteuern, der jähe Preisanstieg habe nicht das Geringste mit der Reisewelle zu tun. Die Gründe, so wird man erklären, lägen im Auf und Ab des internationalen Ölgeschäfts, das von Deutschland aus überhaupt nicht zu beeinflussen sei. Papperlapapp! Man fragt sich doch, wo denn andere europäischen Länder ihr Öl oder ihren Kraftstoff einkaufen, wenn sie es sich leisten können, zur selben Zeit ihre ohnehin eher moderaten Spritpreise beizubehalten!

Seit Langem scheint in unserem Lande ein fieses Motto staatlicher und unternehmerischer Geschäftstüchtigkeit zu gelten: Vom deutschen Autofahrer lässt sich noch viel mehr holen! Hinter der an den Tag gelegten vielseitigen Raffinesse steckt Kalkül, steckt wohl schon Machenschaft. Murrend nimmt der Autofahrer seine Ausbeutung zur Kenntnis, tankt zu horrendem Preis – was bleibt ihm anderes übrig – und hofft, dass der Erlebnisbereich Tankstelle möglichst bald wieder in besserer Erinnerung bleibt.

Doch die nächsten Feiertage und die sommerliche Ferienreisewelle kommen bestimmt. Die Kraftstoffpreise werden erneut hochschnellen. Auch dieses alte Spiel verstärkt das Gefühl, dass es in Deutschland in vielerlei Hinsicht wohl darauf angelegt wird, den Langmut des Volkes auszuloten. Das probieren durchaus auch Regierungskoalitionen. Solche Testprogramme lassen offenbar keinen Raum für den Gedanken, dass eines Tages jedermanns Kragen platzen könnte.