Meilensteine der Automobilgeschichte – Der Siegeszug des modernen Kleinwagens mit Frontantrieb

Jahrzehntelang wogte der Kampf um die beste Auslegung des Antriebsstrangs: Heckmotor oder Frontmotor, lautete die Frage. Und die Anordnung Motor vorn – Antrieb hinten nannte man vielsagend „Standardantrieb“, weil der 1934 von Citroen initiierte Vorderradantrieb lange Zeit ein Nischendasein fristete. Letztlich jedoch besannen sich die Konstrukteure zunehmend auf das platzsparende Frontantriebs-Konzept. Als dann noch ab Ende der sechziger Jahre kompakte Kleinwagen mit Heckklappe auftauchten, war der Siegeszug nicht mehr aufzuhalten.

Kleine Autos versprühen heutzutage eine Menge Charme, sie sind komfortabel, auf Wunsch stark motorisiert, und sie halten hinsichtlich beanspruchter Verkehrsfläche und in Sachen Verbrauch klug Maß im Sinne der Ressourcenschonung. Die Geburt dieser Fahrzeug-Kategorie (Konzept: Frontantrieb mit vorne quer eingebautem Motor, Heckklappe zur besseren Beladung) lässt sich ab Ende der sechziger Jahre verfolgen. Damals war es die italienische Firma Autobianchi mit dem Modell A 112, die den entscheidenden Schritt wagte. Die deutschen Hersteller brauchten bis 1974, ehe der Audi 50 erschien – der kleine Ingolstädter mit dem schicken Karosserie-Design, munteren Vierzylinder-Triebwerken und Bestwerten beim Leichtbau war so gut, dass Konzernmutter Volkswagen sofort zugriff und davon den baugleichen Polo ableitete.

Automobiles Querdenken

Das experimentierfreudige Lebensgefühl der späten 60er und frühen 70er Jahre war ein idealer Nährboden für automobiles Querdenken. Es entstanden ja nicht nur die neuen Kleinwagen, sondern auch aufregende Sportwagen-Konzepte (1969 und 1970 sogar das Flügeltüren-Wankel-Coupé C 111 von Mercedes-Benz) und Limousinen mit neu definiertem Sicherheitsstandard, wie die Mercedes S-Klasse von 1972. In Italien, wo in den 50ern der kleine Fiat 500 mit Heckmotor antrat und auch der im April 1964 vorgestellte Fiat 850 diesem Konzept nochmals folgte, sah die Welt [foto id=“350812″ size=“small“ position=“left“]bereits fünf Jahre später ganz anders aus. Denn der 1969 auf dem Turiner Salon präsentierte Autobianchi A 112 war hinsichtlich Rauausnutzung und technischer Auslegung meilenweit entfernt vom konservativen Entwurf des Fiat 850.

Der eigentliche Durchbruch des Frontantriebs im Kleinwagen ereignete sich allerdings bereits 1959, als der von Alec Issigonis genial konzipierte Mini die Welt-Automobilproduktion bereicherte. Allerdings besaß der spätere Rallye Monte Carlo-Sieger noch keine Heckklappe, sondern einen sich nach unten öffnenden kompakten Deckel. Von Beginn an wurde im Mini ein bereits quer eingebauter Vierzylindermotor mit 848 ccm und 35 PS verwendet – 1959 eine wahrhaftige Revolution! Weitere Versionen führten zum Mini Cooper mit 998 ccm Hubraum und 56 PS bzw. 1071 ccm und 70 PS für den Mini Cooper S, jeweils in der Mk. I-Konfiguration.

Wie weit der Issigonis-Mini seiner Zeit voraus war, zeigte die (Nicht-)Reaktion der Konkurrenz. Denn es vergingen exakt zehn Jahre, ehe Autobianchi seinen A 112 präsentierte. Begonnen hatte der Umschwung bei der innovativen italienischen Firma, die vor der Übernahme durch Fiat 1967 als ein Joint Venture von Fiat und Pirelli geführt wurde, bereits 1964. Damals entstand die auf dem Turiner Salon präsentierte, deutlich größere Schrägheck-Limousine „Primula“. Die „Primel“ besaß einen braven 1,2 Liter-Vierzylindermotor mit 51 PS. Der war platzsparend quer und um 15 Grad nach vorne geneigt unter der Motorhaube placiert worden – den 15 Grad-Winkel übernahm später auch Audi beim [foto id=“350813″ size=“small“ position=“left“]Audi 50 von 1974! Mit Heckklappe, Frontantrieb und Quermotor waren im Primula somit bereits alle fortschrittlichen Details zusammengeführt worden. Und auch der Simca 1100 von 1967 zeigte das gleiche Konzept, wenn auch oberhalb des Kleinwagensegments.

Mit dem A 112 erzielte Autobianchi beachtlichen und anhaltenden Erfolg – immerhin wurde der im Design quadratisch-kantige und 3,23 m kurze Stadtflitzer bis 1985 im Modellprogramm verankert. Wieder einmal erwies sich die gestalterische schnörkellose Sachlichkeit als Erfolgsrezept: Der A 112 wurde als sportlich und zeitgemäß empfunden, trotz des nur 44 PS leistenden 903 ccm-Vierzylinders kam der Fahrspaß nicht zu kurz. Verantwortlich dafür war das mit anfangs 660 kg äußerst niedrige Leergewicht. In den Abarth-Versionen mit 58 bzw. 70 PS begleitete der A 112 die PS-Träume vieler motorsportbegeisterter junger Männer in den 70er und 80er Jahren. Insgesamt wurden über 1,2 Millionen Einheiten aller A 112-Varianten (teilweise auch mit dem Lancia-Logo) bis 1985 gebaut. Fiat übernahm das Erfolgskonzept des A 112 ab 1971 im Modell 127.

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Es schien nur eine Frage der Zeit, bis auch die Kleinwagen-affine Marke Renault den Wettbewerb unter den kompakten Kleinwagen aufnehmen würde. Nach der R 16-Limousine und dem ärmlich wirkenden R 6 brachten die [foto id=“350815″ size=“small“ position=“left“]Franzosen das Segment 1972 mit dem Renault 5 richtig in Schwung. Sein auf Anhieb überzeugendes Design enthielt moderne Elemente wie vertikal angeordnete Heckleuchten und die anstatt konventioneller Chromstoßstangen montierten großflächigen Prallelemente aus Kunststoff, die als wesentliches optisches Differenzierungsmerkmal dienten. Erste Entwürfe des R 5 datieren von 1967, damals unter Leitung von Designer Michel Boué. In Deutschland diente ein 845 ccm-Vierzylindermotor mit 36 PS als Basistriebwerk, populärer jedoch war der R 5 TL mit 956 ccm Hubraum und 44 PS. Der Motor war bei dieser ersten R5-Generation allerdings noch in Längsrichtung verbaut, erst mit der zweiten Generation ab Ende 1984 erfolgte der Schritt zum Quereinbau.

Zwei Jahre nach dem Renault 5 debütierte endlich der erste deutsche Vertreter der neuen Fahrzeuggattung: der Audi 50. Es war eines jener drei geradezu revolutionären Modelle, die der weitsichtige Audi-Technikchef Ludwig Kraus innerhalb von sieben Jahren entwickeln ließ: die Modelle Audi 100 (1968), Audi 80 (1972) und Audi 50 (1974). Ohne diesen Gen-Pool aus Ingolstadt, soviel darf gesagt werden, wäre Volkswagen zu Beginn der siebziger Jahre modellpolitisch ausgetrocknet. Die zu lange gepflegte Käfer-Kultur und das überhastete Ende eines zu teuren [foto id=“350816″ size=“small“ position=“left“]Mittelmotor-Kompaktwagens (EA 266) brachte Wolfsburg in schlimme Nöte, die erst gelindert wurden, als der Audi 80 ab 1973 zum VW Passat (anfangs als dreitüriges Schrägheck) mutierte. Auf die gleiche Weise verwandelten die VW-Manager den Audi 50 in den Polo I.

Das Exterieur-Design des Audi 50 basierte auf einem Vorschlag von Nuccio Bertone. Dieses Modell wurde von Ludwig Kraus, Designchef Georg Bertram und dem ehemaligen Schöpfer des Ro 80, Claus Luthe, geschickt modifiziert, wobei die gestalterische Leichtigkeit auch heute noch überzeugt. Der Audi 50 aus deutscher Produktion blieb fünf Jahre lang in Produktion, ehe 1978 nach 180.828 Exemplaren das Aus zugunsten des Polo kam. Wolfsburg hatte entschieden, die Marke Audi nicht mehr im Kleinwagen-Bereich antreten zu lassen. Eine aus heutiger Sicht fragwürdige Entscheidung, wie die späteren Aktivitäten zugunsten eines A3 (ab 1996), A2 und des heutigen A1 beweisen…

Mit zwei spritzigen und vibrationsarm laufenden 1,1 Liter-Vierzylinderaggregaten (1,1 Liter, 37 kW/50 PS; 1,1 Liter, 44 kW/60 PS, ab August 1977 1,3 Liter mit 44 kW/60 PS) kam der 3,52 m lange und lediglich 720 kg wiegende Baby-Audi bei den Kunden bestens an. Das moderne Konzept mit um 15 Grad geneigtem Quermotor, vorderen Scheibenbremsen und einer sehr präzisen Viergangschaltung ließ speziell die 60 PS-Version glänzen und nicht wenige stattliche Limousinen fahrdynamisch alt aussehen. Ab März 1975 stellte Volkswagen dem Audi 50 eine abgespeckte [foto id=“350817″ size=“small“ position=“left“]Billig-Variante zur Seite: mit VW-Emblem und lediglich 40 PS aus 0,9 Liter Hubraum. Der Polo war geboren, ab Modelljahr 1976 waren auch dort die 1,1 Liter-Motoren verfügbar.

Der positive Beitrag, mit dem der Audi 50 die Vier-Ringe-Marke aus Ingolstadt und Neckarsulm speziell unter jungen Käufern in jenen Jahren populär machte, kann dennoch nicht hoch genug eingeschätzt werden. Audi darf sich deshalb zu Recht als einer der Pioniere einer Fahrzeuggattung fühlen, deren drei Erfolgsmerkmale lauten: Frontantrieb, Quermotor, Heckklappe.

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