Meilensteine der Automobilgeschichte – Die großen Sportwagen-Jahre 1966 bis 1973

Jede Automobilepoche kennt ihre Schwerpunkte – die Aufbruchstimmung ab Mitte der sechziger Jahre brachte entsprechende Impulse vor allem im Sportwagen-Segment. „Flach und breit“ lautete das Credo der Designer, die Reifen vergrößerten dem Vorbild aus der Formel 1 gemäß ihre Lauffläche deutlich. Erst im Herbst 1973 endete diese Ära mit der ersten sogenannten Öl- und Energiekrise.

Die Ära startete atemberaubend:

Im März 1966 debütierte auf dem Genfer Automobilsalon der wegweisende Lamborghini Miura P 400 mit quer eingebautem Zwölfzylinder-Mittelmotor – ein Paukenschlag! Plötzlich sahen die 275er Frontmotor-Ferrari nicht mehr ganz so frisch aus, lediglich die Dino-Modelle retteten Maranello vor dem Vorwurf eines verschlafenen Trends.

Lamborghini etablierte sich mit dem Miura als ernsthaftester Konkurrent des springenden Pferdes. Firmengründer Ferruccio Lamborghini begann 1948 als Traktoren-Fabrikant: sein erster Ackerschlepper entstand unter abenteuerlichen Bedingungen durch Zuhilfenahme von Fahrzeugteilen aus dem [foto id=“354322″ size=“small“ position=“left“]Kriegsnachlass der Firmen Ford, General Motors und Morris.

Die Ur-Version des Miura trug die Bezeichnung P 400, sie verfügte über die charakteristischen schwarzen „Augenbrauen“-Umrandungen der offenliegenden Klappscheinwerfer. Das Konstruktionsprinzip der Scheinwerfer kopierte Porsche zehn Jahre später beim 928. Marcello Gandini hatte die Proportionen des Miura perfekt ausbalanciert, wobei leichte Anklänge an den Ford GT 40 dem Zeitgeist geschuldet sein dürften. Die vordere Haube sowie die Heckabdeckung mit der schuppenartigen Motorenabdeckung waren jeweils komplett hochklappbar, was dem Miura-Eigner beim Tankstopp zusätzliches Aufsehen garantierte. 257 kW/350 PS leistete der raumsparend quer placierte Vierliter-V12. Für Bertone stellte das Design des Miura eine herausragende Arbeit dar, man emanzipierte sich eindrücklich gegenüber Pininfarina und dessen Entwürfen für Ferrari.

Damit jedoch nicht genug!

Das Team in Sant´Agata Bolognese präsentierte bereits 1967 den Prototyp eines ultraflachen Viersitzers: Marzal lautete der Name des futuristischen und üppig verglasten Gefährts, mit dem das monegassische Fürstenpaar eine Ehrenrunde vor Beginn des 1967er Monaco Grand Prix drehte. Daraus entstand 1968 der Espada. Doppelscheinwerfer im streng vertikal realisierten Kühlergrill und die unverwechselbaren NACA-Lufteinlässe auf der Motorhaube schenkten dem erneut von Gandini gezeichneten Entwurf eine Aura stilsicher interpretierter Details. Das mit geringer Flächenneigung auslaufende Dach besaß ein [foto id=“354323″ size=“small“ position=“left“]konventionelles Heckfenster. V12-Motorisierung war auch beim Espada Ehrensache, hier mobilisierte das Triebwerk zunächst 239 kW/325 PS.

Keine Frage, Ferrari musste reagieren auf diesen Doppelangriff des benachbarten Newcomers. 1968 war es soweit. Zwar blieb auch diesmal der konservativ gepolte Commendatore Enzo Ferrari noch dem Frontmotorprinzip treu (erst der Berlinetta Boxer brachte fünf Jahre später den Umschwung), doch die visuelle Ausstrahlung des Modells 365 GTB/4 war so gewaltig, dass hier einhellig von einer Stil-Ikone des Frontmotor-Designs gesprochen werden muß. Sie war das Werk von Leonardo Fioravanti, dem es mit Entwürfen für den Dino sowie den späteren BB ebenfalls gelang, Ferrari ins Mittelmotor-Zeitalter zu führen. Umgangssprachlich wurde der Ferrari 365 GTB/4 bald nur noch „Daytona“ genannt – eine Hommage an den Ferrari-Dreifachtriumph auf jener US-Rennstrecke im Jahr 1967. Der 4,4 Liter-Zwölfzylindermotor leistete in [foto id=“354324″ size=“small“ position=“left“]der im Herbst 1968 auf dem Pariser Automobilsalon debütierenden Version 259 kW/352 PS – womit der Nennleistungswert des Miura in eher absurder Symbolik knapp überboten wurde.

Als konzeptionellen „Bruder im Geiste“ etablierte Maserati gegenüber dem Ferrari Daytona sogar zwei Jahre zuvor ein Modell, das heutzutage zu den großen Würfen der Dreizack-Marke gezählt wird: den Ghibli (I). Auch hier reüssierte das bewährte und einst vom Jaguar E-Type 1961 modern interpretierte Design-Konzept: Ellenlange Motorhaube, darunter der klassische, drehmomentstarke Maserati-4,7 Liter-V8 mit 228 kW/310 PS. Dank dieses Ghibli-Entwurfs etablierte sich Giorgio Giugiaro unter den Top-Designern, damals arbeitete der spätere Ital Design-Chef noch für Ghia. Doch produziert wurde der Ghibli, den mancher Sportwagen-Interessent dem etwas rundlicher gezeichneten Ferrari Daytona vorzog, bei Vignale.

Lesen Sie weiter auf Seite 2: Meilensteine der Automobilgeschichte – Teil II

{PAGE}

[foto id=“354325″ size=“full“]

[foto id=“354326″ size=“small“ position=“left“]Die Parade außergewöhnlicher italienischer Sportwagen jener Jahre wäre unvollständig ohne Alejandro de Tomaso. Der Argentinier lancierte seinen „Mangusta“, ebenfalls eine Giugiaro-Schöpfung, im Jahr 1967. Der Achtzylinder-Mittelmotor mit 4,7 Liter Hubraum kam aus den Großserienbeständen von Ford. Spektakulär die „Gull Wing“-Konstruktion der Motorabdeckung – die beiden mittig angeschlagenen Formteile klappten steil nach oben. Eine diffizile Gewichtsverteilung und zu wenig Modellpflege ließen den Mangusta unter seinen Möglichkeiten bleiben. Besser erging es De Tomaso ab 1970 mit dem Pantera: das Tom Tjaarda-Design überzeugte sofort, der „Panther“ etablierte sich als preiswertere Alternative gegenüber Ferrari und Lamborghini. Das Mittelmotor-Coupé verwendete großvolumige V8-Triebwerke von Ford, was ihm allerdings die letzten Weihen in der Supersportwagen-Liga vorenthielt. Exklusivität ist eben auch eine Frage der Herkunft…

Nicht vergessen werden darf im Konzert der Supersportwagen zwischen 1966 und 1973 die Marke Mercedes. Denn auf der IAA 1969 debütierte mit dem C 111-I eine für Daimler-Benz-Verhältnisse derartig spektakuläre Mittelmotor-Konstruktion, dass daraufhin ein weltweites Echo erwuchs, wie es zuvor nur 1954 bei der New Yorker Premiere des Flügeltüren-300 SL registriert werden konnte. Das kleine Entwicklungsteam um Dr. Hans Liebold und den legendären Versuchschef und Rennsport-begeisterten Rudolf Uhlenhaut hatte in nur wenigen Monaten seit der Konstruktionsfreigabe im Dezember 1968 die [foto id=“354327″ size=“small“ position=“left“]Bündelung einer Reihe technischer Höhepunkte im Visier: Dreischeiben-Wankelmotor, Kunststoff-Karosserie mit Flügeltüren nach 300 SL-Vorbild – und eine Fahrwerks-Konzeption, die auch für Renneinsätze geeignet war.

206 kW/280 PS wurden auf Anhieb erreicht, doch dieser Versuchsträger nervte mit mangelnder Standfestigkeit der Wankelmotoren sowie den unbefriedigenden Elastizitätswerten im Fahrleistungskapitel. Deshalb stand nur sechs Monate später, im März 1970, mit der dann im legendären Orange („Weißherbst-metallic“) gehaltenen Karosserie (Designer waren u. a. Friedrich Geiger und Bruno Sacco) eine verbesserte Version. Dieser C 111-II besaß einen Vierscheiben-Wankelmotor mit 257 kW/350 PS und schaffte damit Tempo 300. Wäre Daimler-Benz seinerzeit über seinen Schatten gesprungen (als „Bremser“ galt intern ausgerechnet Vorstandschef Joachim Zahn), dann hätten die Deutschen auf einen Schlag die Superliga der Sportwagen aufgemischt und um das seinerzeit vielleicht interessanteste Modell bereichert.

Kurz vor der Zäsur durch die Energiekrise Ende 1973 gab es erneut zwei wichtige Modelle aus dem Kreativ-Baukasten von Ferrari und Lamborghini. Obgleich der 365 GT/4 Berlinetta Boxer durch die endlich vollzogene Mittelmotor-Konfiguration überzeugte, wurde ihm die Schau gestohlen. Und zwar wieder von Lamborghini, wo der Countach so brutal-futuristisch wirkte wie das Raumschiff Enterprise im Umfeld des Komödienstadels. Marcello Gandini hatte sich in der Formgebung des nun mit längs eingebautem V12 aufwartenden Lamborghini-Flaggschiffs komplett neu orientiert, während Ferraris Pininfarina-Stilisten beim [foto id=“354328″ size=“small“ position=“left“]BB Boxer im Frontbereich sogar Elemente des 1969er C 111-I interpretierten. Der Berlinetta Boxer, mit 180 Grad-Zwölfzylinder-Flachmotor (also kein „richtiger“ Boxer!) auch hier neu positioniert, präsentierte sich mit einem ungewöhnlich langen vorderen Überhang.

Mit 375 bzw. 380 PS spielten beide Modelle erwartungsgemäß ihr Leistungsduell quasi pari aus. Aber die Präferenzen waren dennoch ungleich verteilt: Traditionalisten tendierten zum Ferrari BB, und auch manche Miura-Fans meinten, der Countach wäre eine Spur zu brutal. Doch wer den Countach für modisch hielt, täuschte sich: Noch heute wirkt er wie von einem anderen Stern, während der BB sich klar in seiner Epoche vororten lässt.

UNSERE TOP-ANGEBOTE FÜR SIE

MEHR ERFAHREN AUS DEM BEREICH NEWS

Alfa Romeo Junior zeigt sich erstmals öffentlich – in Mailand

Alfa Romeo Junior zeigt sich erstmals öffentlich – in Mailand

Genesis X Speedium Giro: Luxus-Studie für Radsportler

Genesis X Speedium Giro: Luxus-Studie für Radsportler

E-Go stellt erneut Insolvenzantrag

E-Go stellt erneut Insolvenzantrag

DISKUTIEREN SIE ÜBER DEN ARTIKEL

Bitte beachte Sie unsere Community-Richtlinien.

Georg Grams

Juli 7, 2011 um 11:35 am Uhr

Das stimmt…aber etwas gewagt finde ich einen gut 30 Jahre alten Dino mit einem Opel Astra zu vergleichen. Autos dieser Kragenweite misst man doch nicht nach deren Fahrleistungen. Ich sag ja auch nicht ein neuer Ford Fiesta ist schneller auf 100 km/h bzw. kommt überhaupt auf 100 km/h und ein Model T schafft das nicht. trotzdem ist der Model T ein ganz besonderes Auto, welches die industrielle Fliessbandproduktion von Automobilen revolutioniert hat. Ein Ferrari Dino mag zwar nicht der schnellste sein, aber es ist immerhin noch ein Dino. Vorteil war auf jeden Fall, dass die Motoren etwas robuster gebaut waren und die Ferrari-Triebwerke schon immer etwas anfälliger waren.

Gast auto.de

April 18, 2011 um 9:48 am Uhr

Neben den ‚bekannten‘ italienischen Größen fehlt aber einiges. Bizzarini fuhr bereits 290 km/h als die kleinen Ferraris und Lamborghinis noch 220 km/h für schnell hielten. Neben Alejandro de Tomaso fertigte auch ISO sensationelle Fahrzeuge mit amerikanischer Großserientechnik. Auch wenn diese Fahrzeuge heute leider verschwunden sind hatten sie immer den großen Vorteil, dass sie funktionierten! Ich fahre heute noch immer einen de Tomaso Longchamps und er funktioniert dank des sensationell einfachen Ford Cleveland Motors. Vergleicht man das Fahrzeug bei Oldtimer Treffen mit den anfälligen Ferraris, scheinen den Italienern mit den Jahren etliche Pferde davongelaufen zu sein. Ein klassischer Dino ist zwar noch nett anzusehen, aber im direkten Vergleich mit heutigen Fahrzeugen z.B. einem Opel Astra mit 1,4L Motorisierung (!) sieht der Ferrari alt aus.

Comments are closed.

zoom_photo