Im Rückspiegel

Mercedes-Benz 1993: Keine Nische bleibt leer

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Vom Oberklasse-Hersteller mit großer Tradition zum Full-Line-Anbieter, der die Zukunft prägt – dieser Wandel begann bei Mercedes-Benz vor 25 Jahren unter dem Druck des Marktes. Die Presse wird zum Jahresanfang 1993 von der neuen Strategie und dem Beginn einer Produktoffensive informiert. Das Unternehmen sieht sich nun auf dem Weg zu einer Portfolio-Ausweitung – differenziert wie nie zuvor und technologisch breit aufgestellt. Dazu passend soll sich die Marke ändern – in Richtung jünger und frischer.

Im Jahr 1993 ist die Marke in fünf Segmenten aktiv

In der Oberklasse mit den Fahrzeugen der S-Klasse (Limousine und Coupé), in der oberen Mittelklasse mit dem, was bald E-Klasse heißen wird (Limousine, T-Modell, Coupé, Cabriolet) sowie in der damals noch so genannten Kompaktklasse mit dem Typ 190 (Limousine), die dann C-Klasse heißt. Außerdem gibt es die Roadster der SL-Reihe sowie die Geländewagen mit dem markanten G als Signet.

Zehn Jahre später hat sich das Bild bereits deutlich gewandelt, nun sind es elf Pkw-Baureihen und weitere Derivate: 2003 gibt es zusätzlich die A-Klasse, die C-Klasse hat ein T-Modell und ein Sportcoupé erhalten, der SLK (heute: SLC) ist hinzugekommen und außerdem die M-Klasse (heute: GLE), der SLR McLaren, der Maybach sowie die V-Klasse. Dazu kommen zahlreiche Varianten von AMG.

In den Jahren danach ergänzen dann die B-Klasse, der CLS, der GLS, die R-Klasse und der SLS AMG das Produktprogramm. Und heute bekommt Probleme, wer das Modellprogramm über Fahrzeugsegmente geordnet darstellen will. Die Marke steht heute als Full-Line-Anbieter im Markt mit großen, mittleren und kleinen Limousinen, T-Modellen, Coupés und Cabriolets, SUV in zahlreichen Varianten, Shooting Brake oder auch Pickup.

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Der 1993 verkündete Wandel hatte einen ernsten Hintergrund

Die Automobilindustrie Europas erlebt Ende der 1980er-Jahre einen ausgeprägten Verdrängungswettbewerb. Gleichzeitig werden die Grenzen zwischen den Marktsegmenten Ober-, Mittel- und Kleinwagenklasse immer durchlässiger und die Kunden verlangen mehr Möglichkeiten zur die Individualisierung ihrer Fahrzeuge.

Mercedes-Benz hatte mit der Einführung der Kompaktklasse (W 201) im Jahr 1982 bereits einen entscheidenden Schritt gemacht, um das Produktprogramm über die klassischen Schwerpunkte in der oberen Mittelklasse und der Oberklasse hinaus zu erweitern. Dennoch fällt Anfang der 1990er-Jahre ein Resümee der jüngeren Entwicklung äußerst kritisch aus: So war das Jahr 1992 von einem Personalabbau um 13 000 Stellen und von Kurzarbeit in den deutschen Mercedes-Benz Personenwagen-Werken geprägt. So stellte der Vorstandsvorsitzenden der Daimler-Benz AG, Helmut Werner, fest: „Ohne einen Abbau der Beschäftigung können wir unsere Marktposition in einem derart wettbewerbsintensiven Umfeld wie dem gegenwärtigen nicht nachhaltig verbessern. Daher war es unvermeidlich, jetzt die entsprechenden Schritte einzuleiten.“

Neue Strategie, Neue offensive

Um wieder zu alter Stärke zu finden, beschließt das Unternehmen, die Produktpalette deutlich auszuweiten und bewusst auch Nischen zu besetzen. Zudem nimmt sich das Unternehmen zum Ziel, die Internationalität zu stärken, Produktionskosten zu senken und trotz der deutlichen Erhöhung der Fahrzeugvarianten die Teilevielfalt zu verringern. Kernpunkte der neuen Strategie fasst Helmut Werner am 28. Oktober 1993 gegenüber Führungskräften des Unternehmens in Stuttgart zusammen: Die Herausforderungen für die Marke liegen in „einer offensiven, adäquaten Produktpolitik“ und in einer „globalen strategischen Basis für das Unternehmen“ sowie höherer Produktivität und Kosteneffizienz.

Der weitere Weg bis zum heutigen breiten Portfolio ist nicht immer geradlinig, sondern vielschichtig und auch reich an Erfahrungen – einige hilfreich, andere ärgerlich. Doch der Markenumbau gilt heute als gemeistert. Mercedes-Benz präsentiert sich mit einem umfassenden Pkw-Angebot in allen wichtigen Marktsegmenten. Dass die Produkte im Markt willkommen sind, zeigen die Verkaufszahlen. Der Erfolg schafft den Spielraum, den nächsten Wandel in ein neues Zeitalter der Mobilität zu gestalten, auch mit vernetzten, autonomen und elektrisch angetriebenen Fahrzeugen.

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In Genf fiel der Startschuss

1993 brauchten die Kunden nicht lange zu warten, wenn sie wissen wollten, wohin der verkündete große Aufbruch führen sollte. Noch im selben Jahr gibt Mercedes-Benz erste, noch zaghafte Ausblicke auf die anstehende Produktoffensive. Beim 63. Internationalen Automobil-Salon in Genf (4. bis 14. März 1993) präsentierte das Unternehmen die Studie eines viersitzigen Coupés. Erstmals zeigt Mercedes-Benz hier das später typische Vieraugengesicht, das 1995 schließlich die E-Klasse (Baureihe 210) und 1997 die CLK (Baureihe 208) charakterisiert.

Ende März 1993 beschließt der Vorstand der damaligen Daimler-Benz AG, die Typen-Nomenklatur der Mercedes-Benz Personenwagen ab Sommer 1993 neu zu ordnen. Nach dem Beispiel der Oberklasse-Limousinen der S-Klasse werden die Fahrzeuge der oberen Mittelklasse (Baureihe 124) künftig als E-Klasse bezeichnet. Die Kompaktklasse erhält mit der neuen Baureihe 202, sie kommt ebenfalls 1993, den Namen C-Klasse. Auch die Bezeichnung kommender neuer Fahrzeugfamilien folgt diesem Muster.

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Heute etabliert, damals Neuland: die A-Klasse

Im September 1993 zeigt Mercedes-Benz die Studie A 93, die einen Denkanstoß zur künftigen A-Klasse dokumentiert, zunächst gedacht als batterieelektrisch betriebenes Fahrzeug, bei dem die Batterie unter dem Fahrzeug im „Keller“ (Sandwich-Bauweise) sitzt. Diesen Weg in ein völlig neues Produktsegment verfolgt die Stuttgarter Marke weiter: Im November 1994 wird in Peking die auf den Zukunftsmarkt China ausgerichtete Studie „Family Car China“ (FCC) mit stilistischen Ähnlichkeiten zur späteren A-Klasse gezeigt. Im März 1997 hat die Serienversion der A-Klasse (Baureihe 168) schließlich auf dem Internationalen Auto-Salon Genf Premiere – nun mit klassischem Antrieb.

Innerhalb des Variantenreichtums spielt AMG zunächst eine Sonderrolle. Nach dem 1990 mit Mercedes-Benz geschlossenen Kooperationsvertrag erkennt das Deutsche Patent- und Markenamt AMG 1993 als Markenzeichen an. Im Herbst des gleichen Jahres erscheint der C 36 AMG und setzt ein deutliches Ausrufezeichen, was die Stückzahl angeht. Bis 1997 entstehen mehr als 5000 Fahrzeuge der viertürigen Sportlimousine. Der Wachstumskurs der Performance-Marke ist seither ungebrochen.

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Frischer Wind kam mit dem SLK

Im April 1994 zeigt Mercedes-Benz die erste Studie des kompakten Sportwagens SLK mit einem Variodach aus Metall. Die Baureihe 170 geht 1996 in Serie. Der Trendsetter mit den drei markanten Buchstaben trägt entscheidend zur Verjüngung der Marke bei.

Gleich zwei wichtige Ziele verfolgt Mercedes-Benz mit der im Januar 1996 auf der North American International Auto Show in Detroit vorgestellten Konzeptstudie „AAVision“. Denn dieser Wegbereiter der späteren M-Klasse (Baureihe 163) erschließt das Segment der SUV für die Stuttgarter Marke. Zugleich setzt Mercedes-Benz mit diesem neuen Fahrzeug die Strategie der stärkeren Globalisierung mit neuen Standorten um. Denn das Unternehmen baut die M-Klasse, die 1997 vorgestellt wird, im neuen Produktionswerk Tuscaloosa im US-Bundesstaat Alabama. Der Standort ist ein Schritt auf dem Weg der Marke vom Qualitätsbegriff „made in Germany“ zu „made by Mercedes“.

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