Oldtimer-Rallyes

Oldtimer-Rallyes ziehen immer mehr Menschen in ihren Bann

Hamburg-Berlin-Klassik 2016 Bilder

Copyright: Jaguar Land Rover

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Die Anzahl von Oldtimer-Rallyes hat inflationäre Formen erreicht. Allein in diesem September könnten Besitzer eines historischen Fahrzeugs an neun verschiedenen Wettfahrten teilnehmen. Die Menge der Veranstaltungen spiegelt letztlich auch die Zunahme von Autos mit H-Kennzeichen wider – und das Interesse der Hersteller, sie als Schaufenster der eigenen Historie zu nutzen. So hat es Jaguar Land Rover (JLR) dieses Jahr bei der Hamburg-Berlin-Klassik am Wochenende auch gemacht. Auf der mehr als 750 Kilometer lange Strecke durch Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg waren mit Unterstützung der deutschen Dependance des englischen Herstellers ein Land Rover Serie 1 von 1948, ein XK 120 von 1952, ein E-Type von 1961 und ein Range Rover Classic von 1975 am Start. Alle Fahrzeuge kamen ins Ziel – was bei Oldie-Ausfahrten keine Selbstverständlichkeit ist. Jeder Beobachter am Straßenrand hat, wenn es um historische Fahrzeuge geht, wahrscheinlich seine ganz persönlichen Vorlieben. Auffälligstes Auto des JLR-Quartetts war aber sicher das knallrote E-Type-Cabriolet, nicht zufällig steht solch ein Roadster seit 1996 als automobiles Kunstwerk in der Dauerausstellung des „Museum of Modern Art“ in New York. Vor 55 Jahren war es die Sensation auf dem Genfer Auto-Salon, bot mit einer Höchstgeschwindigkeit von 150 Meilen (240 km/h) ferrari-gefährdende Fahrleistungen und kostete nur einen Bruchteil dessen Preises. Seit 1987 befindet sich das Fahrzeug mit der Chassisnummer 876068 im Besitz von Jaguar Deutschland. Die gewaltige Motorhaube, die sich bis über die Vorderräder spannt, ist das prägnanteste Merkmal des Zweisitzers. Darunter arbeitet ein 3,8 Liter großer Sechszylinder, der 265 PS leistet. Drei SU-Vergaser füttern die Brennräume mit Gemisch und über das serienmäßige Viergang-Getriebe wurden fast 350 Newtonmeter Drehmoment an die Hinterachse gebracht. In der zweiten Serie des schließlich mehr als 72 000-mal produzierten Jaguar-Imageträgers wurde das Aggregat durch einen 4,2-Liter-Antrieb und später noch durch einen V12-Motor ersetzt. 1966 erschien der längste E-Type überhaupt. Durch einen um 23 Zentimeter gestreckten Radstand wurde auf Wunsch der amerikanischen Kundschaft ein 2+2-Sitzer aus dem Coupé. Fragt man Schaulustige, was sie als wichtigstes Merkmal an Oldtimern schätzen, erhält man oft die Antwort „Charakter“. Anscheinend wird dies bei modernen Pkw vermisst. Auch wenn die Neuzulassungen derzeit steigen, streben immer weniger junge Leute einen Führerschein an, und wer ihn schon hat, nutzt Car-Sharing-Angebote. Mehr und mehr erweisen sich Oldtimerfreunde als Bewahrer der Hingabe zu des Deutschen liebstem Kind. Dabei sind es beileibe nicht nur ehemalige Schlosser oder Kfz-Mechaniker, die ölverschmierte Hände in das Metallgewirr unter Haube tauchen. Geisterwissenschaftler werden zu Hardcore-Schraubern, Ärzte oder Rechtsanwälte zu wandelnden Lexika der Automobil-Technik. Auch der Apotheker Bernd Rutten ist so ein Spätberufener, der sich selbst das Schrauben beigebracht hat. Bevor der Kölner gemeinsam mit seiner Frau einen E-Type der Serie II als Objekt der Begierde identifiziert hatte, besaß er einen MG-A. Sein Jaguar-Roadster war zwar nach dem Import aus den USA fahrbereit, aber „ich wollte ein neuwertiges Auto“, sagt der 68-Jährige, „und genau wissen, wie alles funktioniert.“ Folglich wurde das Auto fachgerecht zerlegt und das unter Umständen, die jeden Profi-Mechaniker erschaudern lassen würden. Eine Werkstatt mit Grube gab es nicht, alles wurde in der heimischen Garage erledigt. Bald stellte sie sich als zu klein heraus, Teile mussten ausgelagert werden. „Die Speichenräder lagen fast ein Jahr lang im Schlafzimmer unterm Bett“, grinst Rutten, „meine Frau hat das ganz tapfer ertragen.“ Die Sonne strahlt genauso wie die Zuschauer, als das JLR-Team mit dem Serie-I-E-Type in Hamburg startet. Am Ende der Tour werden die Insassen nicht einen Meter unter geschlossenem Dach zurück gelegt haben. Nach der Viertelumdrehung des Mini-Schlüssels und dem Drücken des Startknopfs geschieht etwas, was von einem 55 Jahre alten Auto nicht unbedingt zu erwarten ist. Es springt im Nu an, ohne dass noch der Anlasser eine zweite oder dritte Umdrehung zu absolvieren hätte. Sonst erinnert nicht viel ans Autofahren heutigen Standards: Sicherheitsgurte und Kopfstützen fehlen ebenso wie Lenkunterstützung und Servobremse. Die Kupplung ist beinhart, aber die als Ersatz für das ursprüngliche 4-Gang-Moss-Getriebe installierte Getrac-Fünf-Gangbox erweist sich als Muster an Präzision. Von dem Traum einer entspannten Kaffeefahrt muss sich das Duo hinter der gewölbten Windschutzscheibe schnell verabschieden: Die Routenführung erfordert Konzentration, jede Unaufmerksamkeit des Beifahrers kann den Verlust einer Durchfahrtskontrolle und damit Strafpunkte bedeuten. Gibt es mal Stau an einer Wertungsprüfung, wird der zusätzlich eingebaute elektrische Lüfter aktiviert, damit die Großkatze nicht überhitzt. Die malerische Strecke über geschwungene norddeutsche Nebenstraßen bietet allerhand Verblüffendes – so rollen die zu Beginn mehr als 180 Starter durch Orte wie „Rom“, „Benzin“ und „Sorgenlos“. Dass Oldtimer-Rallyes kein elitärer Zeitvertreib sind, sondern breite Bevölkerungsschichten ansprechen, ist fast auf jedem Kilometer der Tour zu erleben. Hunderte begrüßen den Konvoi in den größeren Orten bei der Durchfahrtskontrolle, und es gibt kein einziges Dorf, wo nicht wenigstens ein Dutzend Schaulustige den rastlosen Auto-Rentnern mit Beifall und gezückten Kameras begegnen. Und da es keine High-Tech-Boliden sind, die da gefeiert werden, sondern in der Regel rasselnde und schnaufende Gefährte ohne Scheibenbremsen, Airbags und Abstandstempomat, muss es wohl etwas anderes sein, was Respekt und Wohlgefallen auslöst: Es ist Applaus für Menschen, die sich dem Schutz eines technischen Kulturguts verschrieben haben. Eher vom olympischen Gedanken als von unbeugsamem Siegeswillen beseelt, sammeln die JLR-Teams unvergessliche Eindrücke und unvermeidliche Strafpunkte. Am Ende haben die Semi-Profis die Nase vorn. Jahreslanges Training hat sie befähigt, einen auf der Straße liegenden Kontaktschlauch auf die Hundertstelsekunde genau mit den Vorderrädern zu treffen.

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Hamburg-Berlin-Klassik 2016

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