Panorama: Mit dem Pistenbully im Dienst der Skifahrer – Jenseits aller Schneeromantik

Harald Leitner setzt sich auf den Schwingsessel in seiner fast 9 Tonnen schweren Kässbohrer-Maschine und startet den 510 PS starken Mercedes-Sechszylinderdiesel. Die Fahrerkabine ist mollig temperiert, aus der Audioanlage singt Joe Cocker. Im weiten Schwung lässt der 33 Jahre alte Familienvater den Pistenbully aus der Halle der Bergstation Silvretta Nova gleiten, immer wieder kontrolliert er die Umgebung, ob ein verspäteter Skifahrer trotz der Sperrung noch auf den Hängen unterwegs ist und rauscht hinüber zur Südseite des Skigebietes, wo tagsüber die Wärme der Sonne und die scharfen Kanten der Ski dem Pistenbelag zugesetzt haben.

Auf dem Weg dorthin haben Leitners Kollegen schon lange vor Saisonbeginn mehrere Schneedepots angehäuft, immer dann, wenn es kalt genug war, den Kunstschnee rieseln lassen. Daran bedienen sich nun jede Nacht die gefräßigen Pistenraupen hier im österreichischen Montafon, einem der beliebtesten Skigebiete nördlich des Alpenhauptkamms, um die Pistenverhältnisse auf dem erwarteten hohem Niveau zu halten. Schneeberge werden versetzt, Löcher gefüllt und die Oberfläche geglättet. Mit dem zwölffach verstellbaren Schild am Bug und der Fräse am Heck. Nicht wenige Skifahrer blicken den Pistenraupen neidisch hinterher. Einmal und scheinbar mühelos den Hang hinauf zu fahren, das ist für manchen ein alter Kindertraum.

Martin Sohler schaut unterdessen mit zusammengekniffenen Augen zum Himmel. Kein Wölkchen in Sicht, keine Chance auf auch nur eine Schneeflocke. Aber die Temperaturen stimmen. Die Pisten-Mannschaften rechnen heute Nacht mit etwa fünf Grad Frost. Ideale Temperaturen, damit Sohler seinem Spitznamen gerecht werden kann. „Herr Holle“ nennen ihn die Touristen, er ist der Schneemacher des Tals, der mit vier Mitarbeitern und insgesamt 96 Propellerschneekanonen für gute Wintersportbedingungen sorgt, wenn das Wetter nicht mitspielt.

„Wichtig ist eine gute Basis“, sagt „Herr Holle“. „Sobald es kalt genug ist, sorgen wir für eine sehr harte Basisschicht, für die wir die Beschneiungsanlagen mit einem hohen Wasseranteil fahren.“ Das ergibt eine eher eisige Schicht, die zwar nicht gerade fürs Skifahren geeignet ist, aber den Boden darunter wirksam schützt und eine hervorragende Grundlage für Natur- oder künstlich erzeugten Schnee darstellt.[foto id=“448984″ size=“small“ position=“right“]

Von 3 bis 20 Grad minus können die Sufag-Propellermaschinen Schnee erzeugen, in zehn Stufen reguliert der Computer die Wasserzufuhr, je kälter es ist, desto weniger Wasser ist notwendig und umso besser ist die Schneequalität. 40 Kubikmeter Wasser vernebelt ein Gerät durchschnittlich in der Stunde, das entspricht der Füllmenge eines stattlichen Swimming-Pools. Anders als manches Skigebiet, leidet das Montafon nicht unter Wassermangel, gleich mehrere Bäche strömen von den Bergen ins Tal, sie liefern das kostbare Nass für die durstigen Schneekanonen. In einem Speichersee mit rund 10.000 Kubikmetern Fassungsvermögen wird bevorratet, von hier fördern leistungsstarke Pumpen das Wasser über ein kilometerlanges, frostsicher im Boden verlegtes Leistungssystem zu den jeweiligen Zapfstellen der Kanonen.

In den Depots häufen die Kanonen ganze Berge als Vorrat an. Und hier bedienen sich die Männer der Pistenpflege, die dann mit ihrer Arbeit beginnen, wenn die Schar der Touristen schon längst den Aprés-Ski hinter sich hat, beim Abendessen sitzt oder in der Sauna schwitzt. Harald Leitner ist einer von den 32 Fahrern, die mit den mächtigen Kettenfahrzeugen nach dem Betriebsende der Lifte auf die Reise gehen, 120 Kilometer fahren sie jede Nacht ab. Die Spätschicht endet erst gegen 23 Uhr.

„Wir müssen hoch konzentriert unterwegs sein“, sagt Leitner. Denn immer wieder steigen Routengänger auf Tourenski nach Sonnenuntergang hinauf auf Hütten und Almen, um am nächsten Morgen unbeschwerte Abfahrten erleben zu können. Und die neue Pistentechnik der Raupen birgt zusätzliche Gefahren. Mit Winden, die bis zu 4,5 Tonnen Last vertragen und Drahtseilen, die bis zu einem Kilometer lang sein können, ziehen sich die Pistenbullys wie Lügenbaron Münchhausen am eigenen Schopf steilste Hänge hinauf. Einbetonierte Haltepunkte dienen als Befestigungen für die Seile. Das hat den Vorteil, dass selbst schwierigste Hänge mit großen Neigungen mühelos bearbeitet werden können. Birgt aber die Gefahr, dass das stramm gespannte, in der Dunkelheit kaum sichtbare Seil, nächtliche Tourengänger gefährdet. Die Pistenraupen im Einsatz sind kaum zu hören und ihre Blinkleuchten scheinen in sicherer Entfernung. [foto id=“448985″ size=“small“ position=“right“]Die Gefahr lauert jedoch im Verborgenen.

Mindesten 20 Liter verbraucht der 12,8 Liter große Sechszylinder des rund eine halbe Million Euro teuren Pistenbully 600 Polar in der Stunde. Im Gegenzug bietet er 2.200 Nm Drehmoment an. Dennoch ist die Höchstgeschwindigkeit gering, die Automatik erlaubt maximal 23 km/h. Die aber schafft Leitner mit seinem schweren Gerät in fast allen Situationen, bergauf wie bergab. Damit die weiße Pracht möglichst schnell wieder ordentlich verteilt wird, die Pisten am nächsten Morgen wieder in einwandfreiem Zustand sind. Lange soll der Schnee halten damit die Skifahrer am nächsten Morgen wieder sicher ins Tal hinabschwingen können. Vor allem aber sollen sie in der nächsten Saison wiederkommen.

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