Gastkommentar: Der falsche Mann und ein Hoffnungsschimmer

GM-Boss Rick Wagoner ging nicht freiwillig von Bord. US-Präsident Barack Obama himself hat diese Entscheidung gewissermaßen getroffen, auch wenn er sie hat treffen lassen. Noch nie hat ein amtierender US-Präsident in eine Personalentscheidung eines eigentlich unabhängigen Unternehmens eingegriffen.

Für die Konservativen ein schlimmer Fehltritt im Vaterland des freien Kapitalismus. Nüchtern betrachtet hat Obama aber recht. Und wir dürfen uns denken, wie ihm seine Berater gesagt haben, dass Rick Wagoner von Anbeginn an der falsche Mann an der GM-Spitze gewesen ist. Ein Cost Cutter, ein Erbsenzähler ohne den Hauch von automobiler Kompetenz und Leidenschaft.

Diese Art Management zieht sich durch die gesamte GM-Geschichte seit den Achtzigern. Eine Sparrunde überrundete die vorhergehende. Die Opel-Chefs wechselten im Zwei-Jahres-Turnus, immer darauf bedacht, beim Ergebnis noch eins draufzusetzen. Kaum einer der amerikanischen Opel-Chefs hatte das Interesse von Opel im Sinn, sondern nur Interesse für seine Karriere. Es war schon vermessen, Opel-Ingenieure Patente entwickeln zu lassen, sie an GM USA abzutreten und zur Nutzung dieser Patente durch Opel dann Lizenzgebühren zu verlangen. Was wiederum dazu geführt hat, dass die Gewinne in Deutschland und damit fällige Steuern sanken. Opel wurde als Melkkuh missbraucht, Neuentwicklungen wurden gestrichen, um die Bilanz für den aktuellen Boss zu schönen, Missmanagement pur.

Als Journalisten das 1994 geschrieben und immer wieder kritisiert haben, wurden sie des Kampagnen-Journalismus geziehen. Niemand bei Opel wollte einräumen, was alles schieflief. Insofern ist das heutige Opel-Drama ein von GM (nicht Opel!) hausgemachtes. Das Schlimme daran: Opel hat geniale Ingenieure und Produktionsfachleute, baut heute klar wettbewerbsfähige Autos in bester Qualität, leidet schon lange nicht mehr am Lopez-Syndrom und ist innovativ wie nie zuvor. Aber wer so eine Mutter hat, ist arm dran. Insofern ist der Wechsel von Wagoner zu Fritz Henderson kein radikaler Schritt und schon gar keine Verbesserung der Konzernpolitik.

Bei GM wurde immer nur „saniert“, anstatt mal daran zu arbeiten, dass grundsätzlich nicht mehr saniert werden muss. Auch als Henderson Chef von GM in der Schweizer Europazentrale wurde, ging es immer nur um „Sanierung“, das in der Branche wohl meist missbrauchte Wort. Insofern ist „Sanierung“ das Beheben von Problemen, die durch die vorhergehende „Sanierung“ entstanden sind.

Henderson fiel damals auch nichts anderes ein, als zu „sanieren“, Kosten zu sparen und 12 000 Arbeitsplätze zu streichen (die meisten übrigens bei Opel). Insofern ist Henderson lediglich ein jüngerer Wagoner, der genauso denkt wie sein Vorgänger. Wer statt Benzin im Blut nur Bilanzzahlen im Kopf hat, tut sich schwer mit der Konstruktion emotionaler Autos. Wie auch immer das Opel-Problem gelöst werden wird – Fritz Henderson wird nicht viel dazu beitragen. Und schon bald wird sich zeigen, dass bei GM nur die Köpfe ausgetauscht wurden, nicht die Denke.

Für die deutsche Autoindustrie hat das Jahr zwar schlimm begonnen, aber es gibt auch einen Hoffnungsschimmer, dass die Talsohle vor allem auf dem US-Markt erreicht sein könnte. Man muss sich ja heute sehr vorsichtig ausdrücken. Aber wenn Porsche in einer Pressemitteilung schreiben kann: „Erste Anzeichen für eine Stabilisierung der Lage auf dem nordamerikanischen Markt zeigt der Vergleich der Verkaufszahlen mit dem Vormonat: Die Auslieferungen lagen im März um 15 Prozent über den Februar-Werten“, dann ist das die erste gute Nachricht seit Langem, wenn man vom Strohfeuer der Abwrackprämie auf dem deutschen Markt mal absieht.

Es geht wirklich nicht darum, eine Krise schönzureden. Aber es geht jetzt auch darum, die Psychologie des Redens von ihr zumindest aufzuhellen. Und da ist jedes positive Signal hoch willkommen. Vielen Dank, Porsche!

(Entnommen aus der aktuellen Ausgabe des Branchen-Informationsdienstes „PS-Automobilreport“)

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Gast auto.de

April 7, 2009 um 2:09 pm Uhr

Der Nagel wurde auf den Kopf getroffen!

Gast auto.de

April 7, 2009 um 12:18 pm Uhr

Ein brillianter Kommentar von Herrn Wiersch der den Nagel Buchstäblich auf den Kopf getroffen hat.
Opel, respektive seine Mitarbeiter können einem schon leid tun. Es gibt für GM keinen Grund Opel loszulassen, warum sollten sie auch? GM wird sich nur unter druck von Opel trennen und auch nicht ohne nochmal nachzuschnappen, um sich einen guten Happen einzuverleiben. Die Patente wird Opel wohl nicht wiedersehen von unseren amerikanischen "Freunden". Eine Amputation vom Mutterkonzern wird für Opel schwer aber Notwendig sein für einen Neuanfang. Ich jedenfalls drücke den Opelanern alle Daumen das sie es schaffen werden.

Gast auto.de

April 6, 2009 um 11:42 am Uhr

Ich bin immer noch gespannt, ob und wie eine Abspaltung der europäischen Konzerngruppe (Opel, Vauxhal, Saab) für den GM-Konzern realisierbar sein soll. Eine solche Abspaltung käme der Amputation einer gesunden Gliedmaße gleich und würde GM eines seiner vitalsten Systeme berauben. Wird es eine solche Abspaltung geben, ist das quasi der Startschuß für die Filetierung des Restkonzerns. Daher Wird eine Vollständige Loslösung der Europagruppe von GM mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Diskusionsthema sein. Für die Europagruppe wiederum ist eine Trennung vom kranken Restkonzern aber eine Frage des Überlebens, zumal Hilfen der Bundesregierung auch gerade davon abhängig sind.
Leider zeigt es sich immer wieder (auch aus meiner Erfahrung im Umgang mit amerikanischen Führungskräften), dass sich die USA trotz erwiesenen Versagens nach wie vor die alleinige Wirtschaftskompetenz auf die Flagge schreiben und von einem Umdenken in der US-Wirtschaft daher also nicht ausgegangen werden kann. Dabei wäre e

Gast auto.de

April 6, 2009 um 8:13 am Uhr

Kann Opel alleine überleben?
Ich denke ja, aber nur wenn ein Europäischer Opel-Konzern mit Opel, Saab und Vauxhall entsteht.
Natürlich braucht dieser neu entstandene Konzern auch einen oder mehrere Investoren.
Diejenigen die staatliche Beteiligungen ablehnen sage ich wie halten wir es bei VW, hier ist das Land Niedersachsen auch um die 20% beteiligt, warum kann das bei Opel auch nicht so sein?
Opel sterben zu lassen halte ich verantwortungslos, zumal Opel und seine Mitarbeiter diese "Krise" nicht zu verantworten haben.
Opel kann nach meiner Meinung nur überleben wenn GM sich vollkommen zurück zieht, die Patente von der US Regierung bzw. von den Banken zurück gegebene werden und wenn der Deutsche Staat und Investoren gemeinsam Opel eine neue Grundlage geben.
Ich glaube dass der neue Opel-Konzern sich dann positiv entwickeln wird, zumal Opel seit geraumer Zeit wieder richtig gute Autos gebaut hat die absolut am Weltmarkt konkurrenzfähig sind!

Gast auto.de

April 6, 2009 um 6:43 am Uhr

Die Denkweise der Amerikaner ist anders, als die der Europäer.
In fast allen europäischen Firmen, in denen US-Köpfe sich breit gemacht haben, geht es systematisch bergab. Bei denen zählten nur die eigenen Bedürfnisse und das Geld. Dauernd werden die Geschäftsführer ausgetauscht, die dann noch hohe Abfindungen kassieren. Fazit: US-Firmen, raus aus europäischen Firmen.

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