Lancia

Lancia Stratos – Der Donnerkeil

Das waren die coolsten Kanten aller Zeiten: Als der italienische Karosseriebauer Bertone im Herbst 1970 auf dem Turiner Automobilsalon den ersten Entwurf für den Stratos gezeigt hat, hielt die Fachwelt den Atem an: Ein Auto, so kompromisslos auf den minimalen Widerstand des Windes getrimmt, hatte man damals noch nicht gesehen. Und als dann Lancia ein Jahr später die Serienfertigung beschloss, war es um die Italiener vollends geschehen: Zumindest für ein paar Monate waren all die Lamborghini und Ferrari vergessen.

Doch der Stratos, gerade einmal 3,67 Meter lang und nur 1,08 Meter hoch, war nicht nur ein Showstar. Sondern vor allem war er ein erfolgreicher Rennwagen. Gebaut nach den Vorstellungen der Motorsportabteilung und mit seiner Kunststoffkarosse keine 1.000 Kilogramm schwer, hat der Stratos vom ersten Tag an die Rallye-Pisten dominiert und nicht umsonst ab 1974 drei Mal in Folge die Weltmeisterschaft gewonnen. Außer dem Audi Quattro gibt es deshalb in diesem Sport wahrscheinlich kein anderes Auto, das so erfolgreich war.

[foto id=“321107″ size=“small“ position=“left“]Das ist jetzt 40 Jahre her, doch die Faszination für die Flunder ist ungebrochen. Zumindest bei Menschen wie Udo Sparwald. Er ist Kfz-Mechaniker aus Ensdorf an der Saar und einer der ganz wenigen Experten, die sich in der Stratosphäre wirklich auskennen. Selbst leidenschaftlicher Rallyefahrer hat er sich auf die Wartung und Instandsetzung des Donnerkeils spezialisiert und deshalb ständig ein halbes Dutzend Stratos in seiner kleinen Werkstatt – bei einer Gesamtproduktion von 500 Fahrzeugen, die es in alle Welt verschlagen hat, ist das kein schlechter Schnitt. Insgesamt kennt der Saarländer sogar noch mehr: „Mindestens fünf, eher zehn Prozent aller je gebauten Autos hatte ich schon in den Händen“, erzählt der Meister, während er gerade an einem nackten Rahmen schraubt, der irgendwann mal wieder ein Stratos werden will. Denn wer einmal eine Fahrgestellnummer ergattert hat, der lässt nicht mehr locker, bis das Auto wieder fährt – selbst wenn, es wie Sparwalds Augapfel, eigentlich komplett neu aufgebaut werden muss.

Obwohl der Lancia-Experte damit sicher noch ein paar Jahre beschäftigt ist, weiß er, dass sich die Mühe lohnt. Schließlich ist er oft genug mit einem Kundenfahrzeug unterwegs – zum Beispiel mit der Straßenversion von Claus Aulenbacher aus Mainz, der neben ein paar anderen italienischen Sportwagen auch noch einen Gruppe IV-Stratos bei Classic-Rallyes einsetzt.

[foto id=“321108″ size=“small“ position=“right“]Diesmal allerdings hat er seinen feuerroten Stratos Stradale mitgebracht und bittet zu einer rasanten Zeitreise mit 190 PS. Die kommen von einem 2,4 Liter großen V6-Motor, den Lancia damals aus dem Ferrari Dino übernommen hat. Der Motor brüllt so laut, dass sich jedes Gespräch erübrigt. Und er dreht so hoch, dass man schon um den rasanten Rentner fürchten möchte. Doch Besitzer Aulenbacher ist frohen Mutes und bleibt kräftig auf dem schmalen Gaspedal stehen: Ins Auto gekauert wie eine WC-Ente, krallt er sich ins Lenkrad, blickt stur geradeaus und jagt davon, als gäbe es kein Morgen mehr. Natürlich gibt es heute Sportwagen die deutlich schneller sind. Doch wenn maximal 225 Nm den geilen Keil in 6,8 Sekunden auf Tempo 100 schleudern, dann fühlt man sich so, als habe einen Scotty gerade aufs Raumschiff Enterprise gebeamt. Und wenn die Flunder tatsächlich auf die 250 km/h zufliegt, werden Evil Knevel oder Enzo Ferrari kurz mal zu Laiendarstellern.

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Wenngleich der Stratos ein kompromissloser Sportwagen war, der für die Rallye-Piste entwickelt und nur zwecks Homologation auch auf die Straße gebracht wurde, muss man auf einen Hauch von Komfort nicht verzichten: Die Schalensitze sind deshalb mit feinem Leder bezogen, es gibt eine Klimaanlage und obwohl man schon bei Landstraßentempo kaum sein eigenes Wort versteht, haben die Italiener ein Soundsystem eingebaut.

[foto id=“321110″ size=“small“ position=“left“]Allerdings kann man in der dunklen Lederhöhle kaum vernünftig sitzen: Der Fußraum ist viel zu eng, und wer größer als 1,80 Meter ist, weiß nicht, wohin mit seinem Kopf. Außerdem sind die Sessel ein wenig versetzt, so dass man irgendwie immer auf dem Schoß des Nachbarn kauert. Trotzdem wird das Lächeln in Aulenbachers Gesicht mit jedem Meter breiter: „Dieses Auto ist einfach eine Wucht“, schwärmt der Stratos-Fahrer und ist fest davon überzeugt, dass sich so ein Sportwagen noch heute verkaufen ließe.

Zwar hat Lancia damit offenbar längst abgeschlossen und sogar die Namensrechte verkauft. Doch nicht umsonst arbeiten betuchte Fans wie Michael Stoschek, der Chef des Automobilzulieferers Brose, mit viel Elan an einem Comeback des Keils und haben bereits einen ersten Prototypen vorgestellt. Wie Lancia vor 40 Jahren hat auch er sich bei Ferrari bedient: Unter der schwarzen Karbon-Hülle steckt die verkürzte Plattform des F430 Scuderia, und hinter den Sitzen röhrt ein V8 mit 4,3 Litern Hubraum und runden 500 PS.

[foto id=“321111″ size=“small“ position=“right“]Wenn Stoschek auf seiner Website www.new-stratos.com von der Faszination für die Flunder schreibt und Sparwald in seiner Werkstatt von den Kunden aus ganz Europa erzählt, die zu ihm an die Mosel kommen, dann kann man kaum glauben, dass der vielleicht schärfste Lancia aller Zeiten mal ein Ladenhüter war. Doch während er auf der Rallyepiste in Serie siegte, wurde er von den Händlern beinahe verramscht. Ursprünglich mal 49.500 Mark teuer, gab es ihn zum Schluss angeblich schon für ein Drittel des Preises. Doch diese Zeiten sind längst vorbei, sagt Stratos-Kenner Sparwald: „Unter 100.000 Euro ist heute kein Auto mehr zu bekommen.“

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