MZ lebt weiter! Die Chronik einer oft totgesagten Traditionsmarke

1906 kaufte der Däne Jörgen Skafte Rasmussen eine
leerstehende Tuchfabrik in Zschopau, wo zunächst Haushalts- sowie
Werkstattgeräte und Kfz-Zubehör gefertigt wurde. 1922 begann die eigentliche
Bestimmung der Zschopauer: der Bau von Motorrädern. Durch viele Höhen und
Tiefen musste die Marke bis heute gehen und stand bis vor Kurzem vor dem
kompletten Aus – bis die ehemaligen Rennfahrer Martin Wimmer und Ralf Waldmann
MZ gekauft haben.

 

Als 1922 das erste Motorrad in Zschopau aus dem DKW-Werk
(Dampf Kraft Wagen-Werk) rollte, war das die Geburtsstunde einer
traditionsreichen Geschichte. Zwar hatte das sogenannte „Reichsfahrtmodell“ –
benannt nach der gewonnenen ADAC-Reichsfahrt – bei 148ccm nur 2,5 PS, aber es
stellte einen bahnbrechenden Schritt für den künftigen Motorradbau dar.

Weltspitze und kurz vor dem Aus

Kurz darauf wurde das Werk zu einem Konzern und baute rasant
schnell neue, bessere und für die damalige Zeit absolut moderne Maschinen.
Beispielsweise war das DKW-Stahlmodell SM ein Meilenstein in der
Motorradproduktion und später war DKW führend in der 175er und 250er Klasse im
Rennsport – in den 500er Klassen lieferte sich DKW spannende Duelle um die
Spitze mit BMW. Als das Werk 1928 das gesamte Aktienpaket der Audi-Werke AG
Zwickau übernahm, war DKW mit knapp 2360 Beschäftigten und rund 45 000
verkauften Motorrädern im Jahr der größte Motorradhersteller der Welt.
[foto id=“66482″ size=“small“ position=“left“]Allerdings hat die Weltwirtschaftskrise 1929 das Unternehmen schwer getroffen:
Zwar konnte der Ruin durch die breite Produktpalette verhindert werden, aber
die Zahl der Beschäftigten sank auf nur noch 850. So schloß sich DKW der 1932
gegründeten Auto Union an, zu der auch Audi, Horch und Wanderer gehörten. Drei
Jahre später stellte DKW erneut eine Weltneuheit vor: den elektrischen Anlasser
(Dynastart) – für die Marke schien es wieder bergauf zu gehen. Doch als der 2.
Weltkrieg ausbrach muss das Werk wie auch im ersten Weltkrieg Rüstungsarbeiten
verrichten und konnte sich nur noch halbherzig um die Motorradproduktion
kümmern. Glücklicherweise bleibt das Werk bis nach Kriegsende unversehrt –
allerdings wurde Zschopau und das Werk von sowjetischen Truppen besetzt, die
die totale Demontage befahlen und MZ-Ingenieure verpflichteten die Produktionsstätte
in der Sowjetunion wieder neu auf zu bauen. Das Werk stand vor dem Aus…

Aus DKW wird MZ

Die Zschopauer können ein Jahr nach dem Krieg aufatmen: Der
Umzug in die nahe gelegene Zweigstelle Wilischtal (die ebenfalls demontiert
wurde) war endlich möglich und so wurde mit einer so genannten
„Friedensproduktion“ begonnen, die ausschließlich Haushaltsgeräte und
Stationärmotoren umfasste. Als am 05. August 1948 erklärt wurde, dass das
ursprüngliche Werk im Zschopautal wieder für die Motorradproduktion frei
gegeben sei, machten sich die 445 IFA-DKW Mitglieder sofort daran, wieder den
Klassiker IFA-DKW RT 125 in Serie herzustellen. [foto id=“66483″ size=“full“] Es war das erste Motorrad nach
dem Krieg, das in Zschopau gebaut wurde – das erste nach der kompletten
Demontage des Werkes. Sofort ging es für die Marke wieder bergauf: Die aus der
RT 125 resultierende Rennmaschiene fuhr wieder regelmäßig aufs Podest, was das
Ansehen der Marke steigerte – jedoch nicht die Verkaufszahlen. In der noch
jungen DDR mangelte es an Materialien für die Produktion und außerdem wurde
nach dem Krieg die Herstellung von Motorrädern als unwichtig empfunden. Obwohl
der gute Ruf das Werk vor noch schwierigeren Zeiten bewahrte, musste das
Unternehmen aufgrund ministerieller Weisung die Buchstaben DKW aus dem Firmennamen
entfernen. Das Werk hieß von nun an VEB Motorradwerk Zschopau – oder
kurz: MZ!

Lesen Sie auf Seite 2, wie MZ zur Motorradmarke Nummer in in der DDR aufstieg und nach der Wende wieder um das nackte Überleben kämpfen musste!

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Die besten Jahre

Ab diesem Zeitpunkt startete MZ eine einzigartige
Erfolgsgeschichte. Die Produktionsbedingungen verbesserten sich von Jahr zu
Jahr, die Verkaufszahlen stiegen ebenfalls und auch im Rennsport pirschte sich
MZ wieder an die absolute Weltspitze heran. Vor allem in der 125er- und 250-er
Klasse werden WM-Siege gefeiert und die DDR-Mannschaft fuhr auf MZ
ununterbrochen an die Spitze. Durch die ständige Modernisierung der
Produktionsweise – aber auch der Motorräder – vertreibt sogar Neckermann in der
BRD MZ-Motorräder – die Zulassungsrate beträgt dort ansehnliche 18,5%. Von
allen in Zschopau hergestellten Motorrädern wurden ungefähr die Hälfte ins
Ausland exportiert – sogar in die USA, trotz des kalten Krieges! Bereits 1970
rollte das 1.000.000ste Motorrad seit 1950 vom Band, 1983 das 2.000.000ste.
Insgesamt wurden bis zur Wende mehr als 2.545.000 Motorräder gefertigt –
bedeutend mehr als von jedem anderen Hersteller in Ostdeutschland. Allerdings
mussten 1989 3.200 beschäftigte um ihren Arbeitsplatz bangen: der Ostblock
zerfällt und damit auch ein entscheidender Absatzmarkt für die Zschopauer.

 [foto id=“66484″ size=“full“]

Kämpfen ums nackte Überleben

1990 privatisierte die Treuhandanstalt volkseigene Betriebe,
dazu gehörte auch MZ. Der Name wird von VEB Motorradwerk Zschopau in MZ GmbH geändert. Ein drastischer Produktionsrückgang zog Massenentlassungen nach sich
– nur noch 1950 Angestellte dürfen bleiben. Die Treuhand wollte sogar ein Sanierungspaket
durchbringen, das nur noch 250 Arbeitsplätze bei MZ vorsah – die
Betriebsleitung wehrte sich dagegen vehement. Das Ende ließ sich trotzdem nicht
mehr aufhalten: am 18.12.1991 schloß MZ seine Tore. So wie es einmal war,
sollte es nie mehr werden…

Auferstanden aus Ruinen

Sieben Monate nach dem Ruin der MZ GmbH gründete
Petr-Karel-Korous die MuZ (Motorrad- und Zweiradwerk GmbH), die bereits im
Herbst 1992 eine neue Produktpalette vorstellen konnte. Die Motoren für die
Maschinen wie die Silver Star Classic oder die Saxon Country kamen vom
Österreichischen Motorradbauer Rotax. [foto id=“66485″ size=“small“ position=“left“] Nach nur eineinhalb Jahren war es der
sächsischen Motorradschmiede gelungen spezielle Nischen im Motorradsektor zu
besetzen, wofür MuZ auch eine Auszeichnung für erfolgreiches Marketing erhielt.
Doch schon bald drohte das erneute Aus: Die Treuhand verkaufte die
Fertigungseinrichtungen für die Zweitakter an die Türkei – gerettet werden
konnte das Unternehmen nur durch den malaysischen Konzern Hong Leong, der den
traditionsreichen Motorradhersteller nach dem Konkurs übernahm. Erstaunlicherweise
konnte der angeschlagene MuZ-Konzern trotzdem weiter sportliche Erfolge feiern. Vor allem im Supermoto-Bereich hielt die Marke immer noch mit der Spitze mit:
beispielsweise erreichte Elli Bindrum 1996 auf MuZ Platz drei der Gesamtwertung
im Supermoto Cup. Ab 1998 versuchte sich MuZ in Zusammenarbeit mit Swiss-Auto
sogar in der Königsdisziplin des Motorradrennsports: [foto id=“66486″ size=“small“ position=“right“]der MotoGP (damals noch
500er Klasse) – allerdings ohne nennenswerten Erfolg. Ein Jahr später, also
1999, fiel das „u“ aus dem Firmennamen. Endlich durfte mit Fug und Recht
behauptet werden „MZ is back“! Vor allem mit revolutionärer Produktpalette um
die neue RT 125 (die Super Kritiken bekam) und das neue MZ-Flagschiff MZ 1000 S
sollte die Marke wieder zurück in die Erfolgsspur finden. Aber nachdem sich
Hong Leong nach Auslaufen des Vertrages aus dem Engagement immer mehr zurückzog
und angesichts der niedrigen Umsatzzahlen stand MZ mal wieder kurz vor dem
Bankrott. Die Produktion wurde eingestellt bzw. nach Fernost verlagert. Nach
einer Rettung sah es lange Zeit nicht aus…

Ehemalige Rennfahrer halten MZ am Leben

Es waren die ehemaligen Grand-Prix-Fahrer Martin Wimmer und
Ralf Waldmann, die die sächsische Motorradmarke gekauft haben – mit allem, was dazu
gehört – und so das Zschopauer Traditionswerk vor dem kompletten Aus bewahren.
[foto id=“66487″ size=“small“ position=“left“]Zwar ist laut Wimmer noch nichts „zu 1000 Prozent sicher“, aber es dürfte sich
nur noch um Formalitäten handeln. Derzeit ist aber kein Vertreter des
MZ-Eigentümers Hong Leong in Deutschland um letzte Details zu klären. Aber noch
in dieser Woche soll der Vertrag dann endlich unterschrieben werden um die über 80-jährige Motorradtradition in sachsen am leben zu halten. Immerhin 70 Mitarbeiter sollen dann für die Endmontage von Motorrädern und Rollern verantwortlich sein, die Produktion derBauteile soll allerdings nach Informationen der Sächsischen Zeitung komplett nach Asien verlegt werden. Um dem angeschlagenen Hersteller wieder richtig auf die Beine zu helfen, bedarf es dennoch einer
massiven Finanzspritze. Ob das Land Sachsen MZ unter die Arme greift, ist noch
nicht entschieden. Die Gespräche dauern an – offizielle Stellungnahmen dazu
gibt es aber erst, nachdem der Vertrag unterschrieben ist.

 

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Gast auto.de

Mai 25, 2009 um 6:40 pm Uhr

So sehr ich die Reminiszenzen aus verflossenen Zeiten auch verstehe, Motorräder mit den Attributen "einfach" und "robust" locken niemanden mehr hinter dem Ofen vor. Die Musik spielt woanders. Wenn diese Attribute so erstrebenswert für alle wären, würden wir nur Lada fahren.
Wenn schon die alte DDR-Hymne zitiert wird, dann doch bitte auch etwas vollständiger: Auferstanden aus Ruinen UND DER ZUKUNFT ZUGEWANDT. Das muss es auch für MZ heißen. Nicht ans Gestern oder soagr Vorgestern denken, sondern nach vorne schauen. Die 1000der hat Maßstäbe in Zschopau gesetzt und an die gilt es anzuknüpfen. Wer sie für unbrauchbar hält, weiß nur nicht mit ihr umzugehen.

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Mai 25, 2009 um 6:38 pm Uhr

So sehr ich die Reminiszenzen aus verflossenen Zeiten auch verstehe, Motorräder mit den Attributen "einfach" und "robust" locken niemanden mehr hinter dem Ofen vor. Die Musik spielt woanders. Wenn diese Attribute so erstrebenswert für alle wären, würden wir nur Lada fahren.
Wenn schon die alte DDR-Hymne zitiert wird, dann doch bitte auch etwas vollständiger: Auferstanden aus Ruinen UND DER ZUKUNFT ZUGEWANDT. Das muss es auch für MZ heißen. Nicht ans Gestern oder soagr Vorgestern denken, sondern nach vorne schauen. Die 1000der hat Maßstäbe in Zschopau gesetzt und an die gilt es anzuknüpfen. Wer sie für unbrauchbar hält, weiß nur nicht mit ihr umzugehen.

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Mai 25, 2009 um 6:29 pm Uhr

Wenn schon die alte DDR-Hymne zitiert wird, dann doch bitte etwas vollständiger: Auferstanden aus Ruinen UND DER ZUKUNFT ZUGEWANDT. So sehr ich die Reminiszenzen aus verflossenen Zeiten auch verstehe, mit solchen Motorrädern lässt sich heute kein Blumentopf mehr gewinnen. Weder sind unsere Autos einfach und robust, noch werden es Motorräder wieder sein. Insofern war und ist die 1000der durchaus mit einer Daseinsberechtigung versehen, die sich jedoch erst in späterer Zeit ausdrücken wird. Ob aus der Brache MZ bis dahin eine blühende Landschaft entwickelt, wünsche ich, aber Skepsis ist angebracht. Es sei denn, jemand erlegt die Platzhirsche mit Blattschuss.

Gast auto.de

Mai 1, 2009 um 7:38 pm Uhr

Ich finde es sehr mutig und patriotisch, was die beiden Ex-Rennfahrer da machen.
MZ gehört einfach dazu: Motorräder aus deutschen Landen – viele gab es, die in Wirtschaftskrisen allesamt auf der Strecke blieben. Das die Produkte von MZ in den letzten Jahren so schlecht liefen, lag meiner Meinung nach an der falschen Strategie. Es war nie das Ansinnen der Marke in gehobenen Klassen mitzumischen. Vielmehr wurden traditionell Motorräder für jedermann – einfach und robust gebaut und ebenso einfach zu warten. Ich hoffe das die Besinnung auf alte Tugenden den von allen MZ-Fahrern gewünschten Erfolg bringt. Übrigens war damals die Idee, ein 500er Einstiegsmodell wie die Silver Star zu bauen sicher nicht die schlechteste und noch dazu klassisch!

Gast auto.de

April 22, 2009 um 8:43 am Uhr

Die MZ hat auch meine Jugend begleitet und ist einfach Kult! Leider wurden dann in den 90er Jahren viele bewährte Konstruktionsdetails über Bord geworfen, so dass die neuen MZten eigentlich keine mehr waren. Die Kiloemme (MZ 1000 S) braucht meiner Meinung nach kein Mensch! Aber die 125er sind echt dicht dran am Kult, womit Waldi und Kollegen schonmal die richtige Entscheidung getroffen haben! Ich habe Waldi in Brünn mal gesprochen, toller Typ, der wird den Zweiflern noch beweisen, dass er was kann.
Ich drück` die Daumen und werde auch wieder eine MZ kaufen!
G.Neumann, Lauenburg

Gast auto.de

April 21, 2009 um 2:57 pm Uhr

Glück auf W& W. Habe bisher Honda, BMW und MZ gefahren und hatte mit keinem Motorrad
so wenig Reparaturen wie mit der MZ !!!

Ich wünsche viel Glück und das richtige Händchen bei der Modellpolitik !

Gast auto.de

April 19, 2009 um 5:59 am Uhr

jeder politiker bekommt 100 tage schonfrist – diese zeit sollten W&W auch zugestanden werden – die haben keinen schreibtisch übernommen sondern ein werk ! ich drück die daumen

Gast auto.de

April 17, 2009 um 9:57 am Uhr

Na ja, manches in diesem Artikel ist nicht sauber recherchiert, Elli Bindrum z.B. fuhr keine Supermoto sondern in der Supermono-EM, das ist ein himmelweiter Unterschied!
Auch die zweifelhafte Rolle des ehemaligen tschechischen Geschäftsführers sollte nicht unerwähnt bleiben, ausser dicken Zigarren und markigen Sprüchen war da nämlich nicht viel.
Ich für meinen Teil wünsche den "Neuen" viel Erfolg und die nötige Weitsicht sowie endlich mal die nötige Marktakzeptanz.
SuperMono-Gruß
Manczek

Gast auto.de

April 15, 2009 um 6:06 pm Uhr

Herzlichen Glückwunsch ein Motorrad was mich durch die Jugendzeit begleitete hat zukunft und wird unseren Enkel und Ur – Enkel noch freunde bereiten.
Mich hat dieses Motorrad nie in Stich gelassen und war unter den damaligen Bedingungen eine Meisterleistung von Entwicklung und Produktion.
Dank
B. Heigwer
Weißwasser

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