Nachhaltige Mobilität: Deutschland steigt aufs Fahrrad

Beeindruckend ist die Renaissance, die das Fahrrad in den vergangenen Jahren erlebt hat. 70 Millionen Velos gibt es laut dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC) mittlerweile in Deutschland, und die Hälfte davon wird auch regelmäßig genutzt. Laut dem Deutschen Mobilitätspanel (MOP) der Bundesregierung ist die Fahrrad-Kilometerleistung zwischen 1996 und 2010 um satte 38 Prozent gestiegen. Und der Anteil des Fahrrads am „Modal Split“, also an der Nutzung aller Verkehrsmittel zusammengenommen, stieg von 7,8 Prozent auf 9,6 Prozent. Mit dem jüngst von Verkehrsminister Peter Ramsauer verkündeten „Nationalen Radverkehrsplan“ zur Verbesserung der Fahrrad-Infrastruktur und zur Schaffung einer nachhaltigen Mobilität soll der Anteil bis 2020 sogar auf 15 Prozent steigen.

Kometenhaft und eigentlich völlig unerwartet hat sich das Fahrrad also als ernstzunehmende Alternative zum Auto entwickelt. Die neu entdeckte Liebe der Bundesbürger zum Velo ist laut dem Wissenschaftsmagazin „Technology Review“ zum einen dem steigenden Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein geschuldet, zum anderen sind gerade die Stadtbewohner die verstopften Innenstädten, täglichen Staus und die ständige Parkplatzsuche überdrüssig. Auch die hohen Spritpreise tragen zum Umstieg vieler Autofahrer aufs Zweirad bei. Dazu kommt, dass das Fahrradfahren sich heute deutlich bequemer gestaltet als noch vor ein paar Jahren: Der technische Fortschritt bei den Fahrrädern zeigt sich in einem deutlich erhöhten Fahrkomfort und weniger Kraftaufwand, auch Dank des E-Bikes.

Eine wahre Revolution haben dabei die Pedelecs – Fahrräder, bei denen ein E-Motor den Fahrer beim Treten unterstützt – ausgelöst. Denn damit werden auch Strecken über fünf Kilometer zum Kinderspiel, außerdem ziehen die neuen Gefährte nun Zeitgenossen aufs Rad, denen das Strampeln im Sattel bis dato zu anstrengend war. Gerade ältere Menschen, aber auch Berufspendler entdecken so das Fahrrad wieder für sich. Im vergangenen Jahr kauften deutsche Kunden rund 310 000 Pedelecs, 2012 will der Zweirad-Industrieverband gar 400 000 Einheiten an den Mann beziehungsweise Frau bringen.

Mit dem wachsenden Aufkommen an Fahrradverkehr steigen jedoch auch die Anforderungen an die Infrastruktur. Gerade die schnellen Pedelecs werden von anderen Verkehrsteilnehmern häufig unterschätzt, zumal sie von einem herkömmlichen Fahrrad auf den ersten Blick kaum zu unterscheiden sind. Denn weder Fußgänger, noch Autofahrer rechnen damit, dass beispielsweise flotte Senioren mit 25 km/h über den Fahrradweg gebraust kommen. „Wir brauchen breitere Radwege, ausreichende Sichtmöglichkeiten an Knotenpunkten und Überholmöglichkeiten“, fordert das Deutsche Institut für Urbanistik (DIFU). Nicht immer ist dafür ein hoher finanzieller Aufwand nötig. Die DIFU-Experten sehen als einfachste Lösung für finanzklamme Kommunen, Radstreifen auf die Straße zu malen.

Der Nationale Radverkehrsplan sieht den Ausbau der Rad-Infrastruktur zugunsten einer nachhaltigen Mobilität vor. Dazu gehören beispielsweise die Einrichtung von Rad-Schnellstraßen, aber auch PR-Kampagnen und die Ausweitung der Mobilitätserziehung bei Kindern. Außerdem will Ramsauer den Radverkehr besser mit dem ÖPNV abstimmen. Der allerdings liegt meist in der Hand der Kommunen und entzieht sich damit jeglichem Zugriff der Bundesregierung.

Als leuchtendes Beispiel in Sachen Fahrradfreundlichkeit ziehen die Experten meist die dänische Hauptstadt Kopenhagen heran. Nicht weniger als 370 Kilometer – meist von den Straßen abgetrennte – Radwege inklusive einer Radschnellstraße ziehen sich durch die Metropole. Auf dieser Hauptroute ist sogar die Ampeltaktung auf den Radverkehr angepasst: morgens herrscht stadteinwärts grüne Welle vor, abends stadtauswärts. Und weitere 20 Superradwege sollen künftig die Stadt mit den sub-urbanen Gebieten verbinden. Zudem stehen kostenfrei rund 1 000 Leihfahrräder zur Verfügung. Das Ergebnis: ein Fahrradanteil am Gesamtverkehrsaufkommen von 38 Prozent – und dies verbunden eine spürbare Verbesserung der Luft- und damit der Lebensqualität.

Doch bei einer nachhaltigen Mobilität in Städten geht es nicht allein ums Rad oder Pedelec. Hierzulande wechseln immer mehr Menschen auf ihrem Weg zwischen Rad, Bus, U- und S-Bahn sowie dem Carsharing-Fahrzeug hin und her. Die Teilstrecken per Fahrrad lassen sich dabei am einfachsten mit Leihfahrrädern absolvieren, die der Reisende beispielsweise am Carsharingpunkt besteigt und am Bahnhof vor seiner Weiterreise wieder abgibt. Allein die 7 500 „Call-a-Bike“-Leihräder der Deutschen Bahn finden bereits heute 410 000 Nutzer in 50 Städten. Damit könnte eine enge Verzahnung von Fahrrad und ÖPNV – noch vor nicht allzu langer Zeit praktisch unmöglich – für viele Pendler und Gelegenheitsfahrer zum Alltag werden und unsere Innenstädte von Verkehr und Luftverschmutzung entlasten.

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