Nutzfahrzeug-Geschichte zum Anfassen

In diesem Jahr ist die Oldtimer-Show an den Ort ihres Entstehens zurückgekehrt: In Wörth feierten tausende Besucher 110 Jahre Lkw-, Omnibus- und Unimog-Geschichte. Ein Oldtimer-Treffen der Superlative ist dieses Fest historischer Lkw, ausgerichtet von Mercedes-Benz-Classic und der „Nutzfahrzeug-Veteranen-Gemeinschaft“ (NVG).
Axel Bilstein ist einer von denen, die das Virus gepackt hat. Als er 1972 seinen Daimler-Frontlenker LPS 1513 für 1 500 DM erwarb, wusste der Mann aus Langenfeld im Rheinland noch nicht, mit welcher Krankheit er sich da infiziert hatte. Jahre hat der heutige Immobilienmakler in die Restaurierung der Sattelzugmaschine gesteckt. „Eigentlich war das ja mal ein Solo-Tankwagen mit kurzem Fahrerhaus. Genutzt habe ich den Daimler selbst noch als Spediteur mit einer aufgebauten Pritsche.“
Wie so vielen Sammlern geht es auch Axel Bilstein nicht ums Geld, wohl aber darum, Werte zu erhalten. Verkäuflich seien die wenigsten Oldtimer, allenfalls getauscht würden die „Schätzchen“ untereinander. Faszinierend an den Truck-Oldies ist nicht nur die einfache Technik. Laut Bilstein transportierten die gängigsten Lkw der 50er, 60er und 70er Jahre weit rationeller als mancher moderne, so genannte Leicht-Lkw heutzutage. Zum Beleg dieser Theorie führt Axel Bilstein die Eckdaten seines zweiten, nach Wörth mitgebrachten Ausstellungsstücks an: Der blaue 334er Mercedes-Hauber, Baujahr 1961 hat bei 16 Tonnen Gesamtgewicht eine Nutzlast von 9,2 Tonnen. Davon träumen heute die Besitzer von deutlich schwereren 18-Tonnern. Der Grund für den Speck auf den Hüften heutiger Lkw sind unter anderem die zahlreichen Zusatz-„Gimmicks“ wie Turbolader, Ladeluftkühler oder die zahlreichen elektrischen Servomotoren. Wie beim Pkw, stiegen auch bei den Lkw die Leergewichte gehörig an. Ein Gutteil des Zusatzgewichtes gehe heute aber auch aufs Konto stark verbesserter Sicherheit, so Bilstein.
Mehr als 300 Oldtimer waren auf dem Treffen zu Bewundern – darunter viele Standard-Lkw aus den Wirtschaftswunderjahren. Und die großen unter den alten Marken hat mancher noch selbst als Kind erlebt: Büssing, Hanomag, Henschel, Kaelble, Krupp, Magirus. Große Namen, die heute vom Markt verschwunden sind, aufgegangen in den noch größeren, weltweit agierende Konzerne.
Die Geschichte des Treffens ist bei weitem jünger als die der ausgestellten Objekte: Erst 1996, aus Anlass des 100.Geburtstages des Lkw begann Mercedes-Benz-Classic und die damals gegründete „Nutzfahrzeug-Veteranen-Gemeinschaft“ mit dem zweijährigen Ausstellungszyklus. Dass dabei jedes Mal ein anderes Werk als Ausrichter fungiert, macht die Sache nur interessanter, da Werksrundgänge und tiefe Einblicke in heutige Produktionsmethoden mit zu den zahlreichen Programmpunkten gehören.
In Wörth wartete allerdings ein besonderes Schmankerl auf den engagierten Nutzfahrzeug-Fan: Einmal selber fahren! Dem Autor war’s vergönnt, sich selbst einmal hinter das Volant eines 1959er Daimler L5000 klemmen zu dürfen. Was für ein Erlebnis! Und was für ein Lenkrad! Es ist riesig und behindert fast den Blick auf die Straße. Das Schalten mit dem unsynchronisierten Getriebe funktioniert noch. Hochschalten mit Zwischenkuppeln, den Ganghebel beherzt durchziehen – die Schaltungen gelingen geräuschlos. Runterschalten mit Zwischengas: Gang raus, Welle mit einem Gasstoß beschleunigen, mit etwas Gefühl in den kleineren Gang. Ist schon schwieriger, funktioniert aber mit etwas Gefühl und Gehör für die Drehzahl. Die Kupplung geht schwer, Servo-Unterstützung gibt’s nicht. Die Federung: hart ist noch geschmeichelt, die Sitzbank federt das Schlimmste weg. Der Rückspiegel: lächerlich klein, man sieht eigentlich nichts. Musste man ja auch nicht, der Verkehr war damals noch recht übersichtlich. Der Blinker ist ein Winker: Dreht man den Blinkerschalter schnellt die orangefarbene Abbiege-Kelle aus ihrem Gehäuse und – winkt tatsächlich. Robert Domina/mid
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