BMW

Oldtimer-Fahrbericht: BMW 328 Roadster – Schnell stürmisch

Oldtimer und Oldtimer sind ja bekanntermaßen zwei völlig unterschiedliche Baustellen. Die einen sind äußerst kompliziert konstruiert und hinter deren Technik steigen oft nur wenige Spezialisten, die dann früher oder später bei einer Restauration komplett an den Ideen der Konstrukteure von anno dazumal verzweifeln. So ganz anders ist da der legendäre zweisitzige BMW 328, der in den Jahren 1935/36 entwickelt wurde und mit seinem klassischen Reihensechszylinder mit 1.971 Kubikzentimetern Hubraum und exakt 59 kW/80 PS eine eigentlich recht übersichtliche Technik vorweist.

Die Basis des Zweiliter-Triebwerks stammt aus dem viersitzigen Tourenwagen 326, der nur 38 kW/50 PS leistete. Etwas komplizierter war nur die mechanische Lösung, um zwischen den beiden Ventilkammern Platz für die Ansaugwege zu schaffen. Zur Betätigung der Auslassventile wurde ein spezieller Kipphebel in der Ventilkammer der Einlassventile angesteuert und zu jedem Auslassventil gehören dann ein Stößel, zwei Stoßstangen und zwei Kipphebel. In der Einlass-Ventilkammer befinden sich insgesamt zwölf Kipphebel – eigentlich doch ganz einfach, oder?[foto id=“510515″ size=“small“ position=“right“]

Soweit zur theoretischen Seite des Motors, als viel spannender empfinden wir die Fahreigenschaften des nunmehr fast 80 Jahre alten Sportwagens. Wir wählen uns direkt aus dem Münchener BMW-Museum einen nahezu perfekten, leuchtend blauen 328 Roadster aus dem Jahr 1937 für unsere ausführlichen Testfahrten. Der Wert des hochglanzpolierten Museumsstücks liegt im oberen sechsstelligen Bereich, flüstert uns ein BMW-Mitarbeiter zu. Um den 3,90 Meter langen, 1,55 Meter breiten und 1,40 Meter hohen Traumwagen mit dem elfenbeinweißen Startknopf anwerfen zu können, muss man sich erst einmal hinter das riesige Bakelit-Lenkrad zwängen. Dazu werden die relativ kleinen, fensterlosen und hinten angeschlagenen Türen mit einem verchromten Hebel auf der Innenseite geöffnet.

Aber bitte gaaanz vooorsichtig, damit die zarten ledernen Halteriemen nicht zu sehr gedehnt werden, oder gar abreißen. Dann setzt man sich rückwärts hineingleitend auf die einfachen Ledersitze. Mit einem satten Rumms fallen die Türen wieder ins Schloss, es kann endlich losgehen. Der frisch überholte Motor springt bereits nach den ersten Umdrehungen an und aus dem einflutigen Endrohr ertönt eine ohrenschmeichelnde Symphonie, die den Sportwagen-Charakter nochmals deutlich unterstreicht. Die vier Vorwärtsgänge lassen sich unter Zuhilfenahme der Einscheiben-Trockenkupplung relativ hakelfrei schalten, wobei es ungemein hilft, dass der dritte und der vierte Gang synchronisiert wurden. Da aber nicht alle 328er-Getriebe [foto id=“510516″ size=“small“ position=“left“]die letzten Jahrzehnte so gut überstanden haben, lässt die BMW-Classic-Abteilung zusammen mit dem Automobilzulieferer und Getriebespezialisten ZF aus Friedrichshafen das einst verwendete Hurth-Getriebe originalgetreu reproduzieren. Dabei wird so sauber und sorgsam gearbeitet, dass sogar der internationale Automobildachverband FIA und der Weltverband der Oldtimer-Clubs FIVA ihren Segen zum neuen Schaltwerk geben. So werden die alten Autos mit den neuen Getrieben künftig auf jeden Fall auch bei offiziellen Oldtimer-Veranstaltungen ohne Probleme zugelassen. Für die zwischen 1936 und 1940 insgesamt 464 gebauten BMW 328 stehen nun 55 neue Original-Getriebe bereit, um den beliebten Klassikern wieder auf die Straße zu verhelfen. Der Kostenpunkt liegt bei stolzen 19.750 Euro zuzüglich Einbau.

Bergauf, bergab cruisen wir oben ohne über die herrlichen alpenländischen Landstraßen, bis dunkle Gewitterwolken uns zu einem Extrastopp an einer glücklicherweise überdachten Tankstelle zwingen. Ziemlich kompliziert lässt sich das dünne schwarze Stoffdach mit dem verchromten Metallgestänge montieren, aber nur zu zweit und in mindestens sieben Minuten. Beim Auftanken mit dem oktanreichen Super-plus-Sprit fällt der extreme Durchmesser des Tankstutzens auf. Das oberarmdicke Rohr wird mit einem großflächigen Tankdeckel mit 15 Zentimetern Durchmesser hinten rechts, zwischen Reserverad und Kennzeichen verschlossen. Ebenfalls schön oldiemäßig: Um unter der Motorhaube den Ölstand zu prüfen, müssen zuerst die beiden dicken mittelbraunen Lederriemen mit Gürtelverschluss geöffnet werden.

Und immer mit dabei ist ein Ein-Kilogramm-Hammer, zum Öffnen und Schließen der Flügel-Zentralverschlüsse an den blauen Stahlrädern. Auf den kurvenreichen Straßen merkt man, dass das BMW-Fahrwerk auch schon damals seiner Zeit voraus war. Kein zickiges Ausbrechen stört die Fahrt über zahlreiche Serpentinen. Auch die Vierrad-Flüssigkeits-Fußbremse, sprich die hydraulischen Trommelbremsen mit 280 Millimeter Durchmesser, sind den damals üblichen Seilzugbremsen deutlich überlegen. Bei einem [foto id=“510517″ size=“small“ position=“right“]kurzen Abstecher auf die Autobahn erreichen wir relativ schnell die Höchstgeschwindigkeit von 155 km/h. Aber ohne Seitenscheiben handelt es sich bei höheren Geschwindigkeiten um ein sehr sehr stürmisches Vergnügen.

Es wurden aber nicht nur die „normalen“ zweisitzigen Roadster von der 328er Baureihe gefertigt. Auf Kundenwunsch gab es verschiedene Cabriolet-Varianten, sowie ein Coupé mit abnehmbarem Hardtop. Die Krönung aber sind die Touring-Coupé-Rennversionen, die bei der Mille Miglia und in Le Mans 1939 und 1940 zum Einsatz kamen und auch gewannen. Die Erfolge des BMW 328 reißen aber auch heutzutage nicht ab. Bei der Bodensee-Klassik 2014 erzielte dieser blaue 328 den Klassensieg bei den Vorkriegsfahrzeugen und setzte sich somit gegen starke Gegner, wie den Riley TT Sprite Special von 1934 und den Alvis Silver Eagle von 1936 durch.

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