Panorama: US-Motorhomes – Wo “Big“ noch immer “Beautiful“ ist

„Big is beautiful“ – dieses Lebensmotto der Amerikaner ist offenbar krisenresistent. Zwar bäckt Joe Average in den Nachwehen der Wirtschaftskrise tatsächlich etwas kleinere Brötchen, interessiert sich für Kompaktwagen und wechselt von der Villa ins Reihenhaus. Doch wer einmal über einen Campingplatz in Florida, Arizona, Kalifornien oder Nevada fährt, kommt auch heute aus dem Staunen nicht mehr heraus: Was dort fast schon bescheiden als Motorhome geführt wird und oft zu Hunderten in Reih und Glied parkt, ist bisweilen größer und luxuriöser als manche europäische Eigentumswohnung. Bis zu 20 Meter lang, 650 PS stark, über vier Meter breit und gerne auch mal 750.000 Dollar teuer, degradieren diese Luxusliner die Flaggschiffe heimsicher Branchenriesen zu rollenden Hundehütten.

Marktführer in der amerikanischen Luxusliga ist die Firma Monaco Coaches aus Oregon, die seit 40 Jahren die größten, luxuriösesten und teuersten Wohnmobile diesseits der individuellen Maßfertigung auf die Räder stellt. Schon der kleinste Wagen bringt es auf zehn Meter und kostet 350.000 Dollar aufwärts, und die größten kommen mit Zwillingsreifen und Doppelachse auf knappe 20 Meter, 17 Tonnen und einen Listenpreis weit jenseits einer halben Million.

Flaggschiff ist die „Signature Series“, die zugleich zu den Bestsellern zählt – zumindest bei Eric Island in Las Vegas, dem größten der etwa 75 amerikanischen Monaco-Händler in den USA. In guten Zeiten hat er davon zwölf Stück im Monat verkauft, doch heute zehrt die Wirtschaftslage auch an seinem Geschäft.[foto id=“366007″ size=“small“ position=“left“]

Eine Welt von Lack und Leder

Dennoch ist der Laden voll und die Leute schwärmen von Reisen in den Luxuslinern, die mit Camping im herkömmlichen Sinn nichts mehr gemein haben. Von Luftkissen an allen drei Achsen wie ein fliegender Teppich gefedert und angetrieben von einem 15 Liter großen Dieselmotor mit bis zu 650 PS gleiten sie wie Traumschlösser durch die Landschaft und bieten allen erdenklichen Luxus. Wer am Türschloss den richtigen Zahlencode eingibt und die drei elektrisch ausfahrbaren Stufen hinauf steigt, betritt deshalb eine Welt von Lack und Leder, wie man sie selbst in Hotels nur selten findet: Fahrer und Beifahrer thronen in elektrisch verstellbaren Sesseln, die jedes europäische Wohnzimmer sprengen würden. Und dahinter fällt der Blick auf eine Sitzlandschaft, in der sich eine ganze Fußballmannschaft verlieren könnte. Vor allem wenn auf [foto id=“366008″ size=“small“ position=“left“]Knopfdruck die vier jeweils über zwei Meter langen und fast einen Meter tiefen Erker ausfahren und sich das Wohnzimmer zum Ballsaal weitet, gehen Besuchern aus Europa die regelmäßig die Augen über.

Überall in den handgeschnitzten Konsolen und hinter den Türen der massiven Holzschränke sind Schalter, Knöpfe und Monitore verborgen, mit denen man die Klimaanlage regelt, die Beleuchtung einstellt, die Videoüberwachung des Außengeländes kontrolliert, die Jalousien schließt, die Rollläden herunter lässt, die Markisen ausfährt oder einfach nur die Tür aufmacht, wenn ein Gast den Gong bedient. Selbst neben dem riesigen Doppelbett, das fast völlig unter einem Berg von Kissen verschwindet und angesichts der reihum montierten Spiegel ein schier unendliches Format annimmt, gibt es beinahe mehr Schalter als an einem Regiepult.

Weiter auf Seite 2: Panorama: US-Motorhomes – Teil II

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[foto id=“366010″ size=“small“ position=“left“]Auf den von daheim gewohnten Standard müssen die Reichen auf Reisen dabei nicht verzichten. Selbstverständlich gibt es in der Küche neben Herd, Mikrowelle, Grill und einem mannshohen Kühlschrank auch einen Geschirrspüler. Im Wandschrank des Badezimmers wurden hinter Dusche, Waschtisch, Toilette und Schminkkommode auch eine Waschmaschine und ein Trockner montiert. Ganz hinten in der Garderobe gibt es neben einem klimatisierten Fach für die Schuhe einen Tresor. Der größte der drei Flachbildfernseher hat das Format einer Schultafel. Und wer mit der Fußspitze gegen die kleine Klappe an der Trennwand zum Schlafzimmer stößt, aktiviert den automatischen Staubsauger, der wie von Geisterhand die beheizten Fliesen aus Italien reinigt.

Damit man auf Reisen auch ja autark ist und sein Leben im Luxus ungestört genießen kann, stecken im Unterboden der rollenden Traumschlösser Versorgungseinrichtungen, die mancher Kleinstadt zur Ehre gereichen würden. 600 Liter Diesel und 400 Liter Frischwasser gewähren einen großen Aktionsradius, ein leistungsstarker Boiler verwandelt die Dusche in ein türkisches Dampfbad und sechs Batterien puffern genügend Strom für rauschende Partys im Nirgendwo. Sollte der Saft trotz allem einmal ausgehen, steckt unter dem Führerhaus ein eigener Generator, mit dem Erics Mitarbeiter Dwight bisweilen sogar sein Haus versorgt, wenn bei ihm mal wieder der Strom ausfällt.[foto id=“366011″ size=“small“ position=“left“]

Viele von Erics Kunden kommen damit allerdings nicht einmal bis an die Stadtgrenze, sondern landen gleich auf einem der riesigen Stellplätze entlang des Autobahnrings um die Spieleroase. „Wir verkaufen unsere Fahrzeuge oft an so genannte Snowbirds“, sagt Dwight, „an Menschen aus den kälteren Bundesstaaten im Norden und Osten der USA, die in diesen Wohnmobilen überwintern und vor dem Schnee vier, fünf Monate im Jahr in die Sonne flüchten.“ Auf diese Klientel hat sich die schillernde Metropole in der Wüste von Nevada bestens eingerichtet und den Reichen eigene Refugien geschaffen: Würde so ein Luxusliner auf einem deutschen Campingplatz einlaufen, wäre das ähnlich spektakulär wie ein Maybach vor Rudis-Reste-Rampe oder ein Bugatti beim GTI-Treffen an der Tankstelle um die Ecke. Doch auf dem von dicken Mauern und hohen Palmen gesäumten Areal am Blue Diamond Boulevard sind die Besserverdiener für Tagesmieten von mehreren hundert Dollar unter sich: Vor der Anmeldung parkt ein Bentley, an der [foto id=“366012″ size=“small“ position=“left“]klimatisierten Reservierung lächelt Tiffany das Lächeln eines Covergirls, und ohne Besucherausweis würde der Torwärter nicht einmal Madonna oder Präsident Obama aufs Gelände lassen.

Hinter seiner Schranke sieht es aus wie in einem Centerpark für Multi-Millionäre. Rund um die Wohnmobile sind ganze Wagenburgen von Freizeitfahrzeugen aufgebaut, an jedem zweiten Stellplatz dampfen Grills im Oktoberfest-Format und am Ende jeder Reihe gibt es einen Tennisplatz oder einen Swimmingpool. Dass sich die Kunden dort wohl fühlen, kann Verkäufer Dwight schon nachvollziehen. Doch warum sich die Leute erst für 750.000 Dollar ein Luxusheim auf Rädern kaufen und es dann doch wie eine Immobilie nutzen, das hat er bis heute nicht verstanden.

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