Zwischen Delle und Desaster – Bagatelle oder Unfallschaden

Eine Bagatelle ist eine unbedeutende Sache, eine Kleinigkeit – so jedenfalls die ursprüngliche Bedeutung des Begriffes. Was Autofahrer für eine Bagatelle halten, das geschieht täglich unzählige Male im Straßenverkehr: Ein kleiner Kratzer oder ein angerempelter Stoßfänger, der allem Anschein nach kaum Schaden genommen hat. Doch ein erleichtertes „Ist ja nichts passiert“ sollte nicht ohne genauere Prüfung ausgesprochen werden. Bei einem modernen Auto kann der Laie kaum erkennen, ob der Schaden tatsächlich nur eine Kleinigkeit ist.

Geht es um Bagatellschäden, dann ist auch zu klären, wo eigentlich die Grenze zwischen einer solchen Minimal-Blessur und einem echten Unfallschaden liegt. Entscheidend ist dabei die Höhe der anfallenden Reparaturkosten. Laut Daniela Mielchen, Fachanwältin für Verkehrsrecht in Hamburg, hat es sich eingebürgert, dass bis zu einer Schadenshöhe von 750 Euro von einer Bagatelle gesprochen wird.  Doch diese Aussage führt gleich zum nächsten Problem. Wer sich mit den aktuellen Werkstattkosten nicht auskennt, wird kaum den nötigen Aufwand für die Behebung des Schadens einschätzen können.
 
Was bei dem einen Auto wirklich kostengünstig zu beheben ist, kann bei einem anderen Modell deutlich kostspieliger sein. Wurde bei einem leichten Auffahrunfall der Stoßfänger beschädigt, fällt das bei einem in die Jahre gekommene Kleinwagen [foto id=“461097″ size=“small“ position=“left“]meist noch in den Bereich der Bagatelle. Das Ersatzteil sollte für kaum mehr als 80 Euro zu bekommen sein, muss dann noch eine neue Lackschicht aufgetragen werden, fallen weitere 300 bis 400 Euro an.
 
Geschieht ein vergleichbarer Unfall dagegen mit einer Limousine der oberen Mittelklasse jüngeren Baujahrs, ist die Grenze der Bagatelle schnell überschritten, wie Roberto Galifi erklärt. Der ist Vorstandsmitglied im Verband der unabhängigen Kfz-Sachverständigen (VKS) und kennt sich mit Reparaturpreisen aus: Selbst wenn der Stoßfänger nur instand gesetzt und dann lackiert werden muss, kann das laut Galifi zwischen 1.400 und 1.600 Euro kosten. Muss Ersatz für das beschädigte Teil her, dann übersteigt der vermeintlich kleine Schaden schnell die Schwelle von 2.000 Euro.
 
Das größere Problem besteht laut Galifi jedoch darin, dass mache Schäden gar nicht mehr erkennbar sind, sogar ausgewiesene Profis haben damit Probleme. So können die Folgen eines Heckaufpralls zunächst den Eindruck vermitteln, als wäre bis auf ein paar Kratzer alles in Ordnung. Schließlich sind moderne Stoßfänger „reversibel“ konstruiert – sie geben nach und absorbieren so die Energie des Aufpralls. Augenblicke später bewegen sie sich dann zurück und nehmen wieder ihre ursprüngliche Form an. Unter den scheinbar unbeschädigten Kunststoffflächen verbergen sich jedoch Karosseriestrukturen aus Metall und immer häufiger auch komplexe elektronische Systeme mit Sensoren. Ob die Schaden genommen haben, lässt sich nicht auf den ersten und auch nicht auf den zweiten Blick erkennen.
 
Galifi nennt als weiteres Beispiel Fahrwerksschäden, wenn zum Beispiel beim Ein- oder Ausparken das Rad eines anderen Fahrzeugs gerammt wird. Eine intensive Sichtprüfung entdeckt an Reifen und Felge wahrscheinlich keinerlei Spuren. Ein schneller Besuch in der Werkstatt dürfte ebenfalls zur Entwarnung durch den Kfz-Meister führen. Ob Fahrwerk beziehungsweise die Spurstangen Schaden genommen haben, lässt sich erst im Rahmen einer aufwendigen Vermessung feststellen – dann jedoch ist die Überraschung häufig umso größer.
 
Autofahrer stehen in solchen Situationen vor einer schweren Entscheidung: Gutachter einschalten oder nicht? Handelt es sich am Ende doch nur um eine Bagatelle, zahlt die Versicherung die Kosten für ein umfassendes Sachverständigen-Gutachten nicht. Anwältin Mielchen rät im Zweifelsfall immer zur Fahrt in die Werkstatt für eine erste Einschätzung der Schadenshöhe – auch wenn auf die Schnelle vielleicht nicht jeder verborgene Schaden erkannt wird. Statt eines umfassenden [foto id=“461098″ size=“small“ position=“right“]Gutachtens könne ein Sachverständiger außerdem ein Kurzgutachten erstellen. Das habe die Qualität eines Kostenvoranschlages und koste 50 bis 100 Euro, was dann doch die Versicherung übernehme.
 
Zusätzlich weist Daniela Mielchen darauf hin, dass bei einem unverschuldeten Unfall das Einschalten eines Anwalts nichts kostet – den muss dann nämlich die gegnerische Versicherung bezahlen. Ohne Unterstützung eines Rechtsbeistandes bekommt ein Geschädigter von den Versicherungen laut Mielchen durchschnittlich nur 80 Prozent der eigentlich berechtigten Ansprüche überwiesen.
 
Entscheidend für den Ablauf der späteren Regulierung sind zudem die ersten Minuten nach dem Unfall. Zwar muss bei einem kleinen Schaden nicht die Polizei eingeschaltet werden, trotzdem sind einige Grundregeln zu beachten. Ideal ist es, wenn beide Parteien ein Protokoll des Unfallhergangs anfertigen und es unterschrieben. Außerdem sind die persönlichen Daten wie Name und Anschrift sowie Fahrzeugkennzeichen auszutauschen – im Idealfall die Versicherungsnummern. Sinnvoll sind auch Fotos, die den Unfallort, die Position der Fahrzeuge und auch die beschädigten Teile festhalten. Damit die Bagatelle eine Bagatelle bleibt und nicht einer nervenaufreibenden Regulierungs-Katastrophe mündet.
 
Aus dem Internet lässt sich der Europäische Unfallbericht kostenlos herunterladen oder direkt ausdrucken. Das Formular erleichtert die Aufnahme der wichtigen Daten und Fakten nach einem Unfall.

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