Audi

Audi kommt elektrisch aus dem Turbo-Loch

Audi führt einen guten alten Gedanken zur Serienreife: den Turbolader, der bei Bedarf elektrisch unterstützt wird. Ein A6-Prototyp mit elektrischem Biturbo jedenfalls macht Lust auf Serienmodelle. Alle reden vom Elektroauto. Audi auch: Hybridmodelle gibt es bereits, der R18 E-Tron Quattro gewann überlegen die 24 Stunden von Le Mans.

Der in Kleinserie gebaute rein elektrische R8 E-Tron (280 kW / 381 PS) stellte jüngst auf dem Nürburgring einen Rekord auf für Elektrosportwagen. 2014 wird der A3 E-Tron als Plug-in-Hybrid erwartet. Dessen ungeachtet glaubt man auch bei Audi, dass der Verbrennungsmotor noch für lange Zeit die wichtigste Antriebsquelle im Auto sein wird. Auch hier stehen Fortschritte an.

Die Verbesserungen, an denen allenthalben gearbeitet wird, sind bekannt. Audi konzentriert sich über sie hinaus auf ein kleines Bauteil. Es hat auf Leistung und Drehmoment, auf den Verbrauch und vor allem auf das vom Fahrer subjektiv empfundene Temperament entscheidenden Einfluss: der Tubolader.

In ihm, man weiß es, wird eine Turbine von den Auspuffgasen in Drehung versetzt. Sie treibt ein zweites Turbinenrad, das Luft in den Motor drückt. Er wird auf diese Weise mit mehr Luft versorgt als er selbst ansaugen könnte. In diese zusätzliche Luft wird mehr Benzin oder Diesel eingespritzt: Leistung und Drehmoment steigen. Bezogen auf den Hubraum haben die TDI-Motoren im VW-Konzern seit 1989 über 100 Prozent an Leistung gewonnen und 70 Prozent an Drehmoment. Gleichzeitig ging die Schadstoff-Emission um 95 Prozent zurück.

Ein Turbolader lebt von den Auspuffgasen des Motors. So lange davon bei niedrigen Drehzahlen nur wenig anfallen, kommt auch die Turbine nicht in Schwung. Gibt der Fahrer Gas, so dauert es einige Zehntelsekunden, bis der Motor mehr Auspuffgase erzeugt. Erst sie lassen die Turbine Drehzahl gewinnen, dann erst setzt der Ladeeffekt ein. Diese Gedenksekunde ist gemeinhin als „Turbo-Loch“ bekannt.

Viel Gehirnschmalz wurde schon investiert, diese störende Verzögerung auszumerzen. Radikalkur ist ein Kompressor: Er wird vom Motor angetrieben, lädt bereits bei niedrigsten Drehzahlen – verschlingt dafür einen Teil der Mehrleistung, die er erzeugen soll. Was Audi und mithin der Volkswagen-Konzern trickreich vermeidet: Der Kompressor in den stärkeren 1,4-l-TSI-Motoren arbeitet nur bei niedrigen Drehzahlen, wenn der Turbolader noch wenig Druck liefert. Bei höheren übernimmt der Turbolader allein, der Kompressor wird abgeschaltet.

Die TSI-Motoren mit Twin-Charger-Aufladung erreichten inzwischen Millionenauflagen. Sie sind kompakt, kräftig, vergleichsweise sparsam. Die Kombination aus Turbolader plus Kompressor erfordert aber großen Aufwand, sie ist teuer. Audi erinnerte sich deshalb an eine alte Idee, die bisher freilich nie über wenige Prototypen hinauskam: Der Turbo wird von einem elektrisch angetriebenen zweiten Lader unterstützt, so lange nicht genügend Auspuffgase zur Verfügung stehen.

Der Gedanke klingt einfach, scheiterte bisher aber vor allem am Strombedarf: Der elektrisch angetriebene Lader benötigt einige Kilowatt Antriebsleistung. Im herkömmlichen 12-Volt-Autonetz lassen sie sich nicht darstellen. Audi erhöht die Bordspannung deshalb auf 48 Volt. Diese Lösung der Zukunft bietet Vorteile auch für andere Disziplinen, so etwa für Heizscheiben, für die Klimaanlage oder für die Rekuperation. Für die Beleuchtung, Fensterheber, Radio etc. gibt es ein zweites Bordnetz mit den gewohnten 12 Volt. Den gesamten Stromhaushalt belastet der elektrische Biturbo nur wenig: Er tritt nur beim Gasgeben bei niedrigen Motordrehzahlen in Aktion. Bei höheren Touren arbeitet der Turbo wie gewohnt allein.

Das Ergebnis überzeugt

Im untersten Drehzahlbereich, zwischen 1000 und vielleicht 1800 Umdrehungen pro Minute, so lange sich herkömmliche Turbos vor allem im dynamischen Verhalten schwer tun, steigt das Drehmoment beim Gasgeben viel rascher an. Bei vollem Beschleunigen aus dem Stand bringt der elektrische Biturbo in den ersten drei Sekunden gegenüber der konventionellen Lösung einen Vorsprung von etwa zwei Fahrzeuglängen. Das ist eine Menge: Der A6-Prototyp mit dem neuen Biturbo-Diesel erweist sich beim Drauftreten im wahrsten Sinn des Wortes als Kraft-Fahrzeug.

Der elektrische Biturbo könnte ein neuer bedeutender Entwicklungsschritt für Benzin- wie für Dieselmotoren werden. Leistung und Drehmoment steigert er nicht weiter. Aber er verleiht dem Motor Kraft aus dem Drehzahlkeller, verbessert also das subjektiv empfundene Temperament und damit die Freude am Fahren. Und kann sogar weiter mäßigend auf Verbrauch und CO2-Ausstoß einwirken – weil die Drehzahlen in der täglichen Praxis noch niedriger liegen können. Sogar in den Kosten verspricht der E-Biturbo Vorteile. Erste Schätzungen gehen davon aus, dass sie bei größeren Serien nicht höner liegen als die bei Hochleistungsfahrzeugen verbreiteten doppelten und sogar dreifachen Turbolader.

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