Bentley Mulsanne: Weniger fällt schwer

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Wer nach dem Preis eines Bentley „Mulsanne“ fragt, kommt als Kunde eigentlich nicht in Frage. Deshalb sollen die 292.740 Euro Grundpreis gleich zu Beginn dieser Geschichte ihren Haken erhalten. Dann steht nämlich nichts mehr im Wege für den ungetrübten Genuss einer Ausfahrt mit der wohl luxuriösesten Limousine der Welt. 377 kW/512 PS Leistung bewegt dabei 2,6 Tonnen puren automobilen Luxus

„Luxus“, pflegte die[foto id=“469297″ size=“small“ position=“right“] legendäre französische Modeschöpferin Coco Chanel gerne zu dozieren, „ist nicht das Gegenteil von Armut, sondern von Ordinärem (Gewöhnlichem).“ Mehr wäre im Grund zu einem Bentley „Mulsanne“ nicht zu sagen. Die 5,50 Meter lange Limousine verkörpert den ultimativen Standard, den ein Auto heute erreichen kann, nach dem Ableben von Maybach geradezu konkurrenzlos, mal abgesehen vom Rolls Royce „Phantom“.

Benannt nach der Kurve

2009 legte die britische VW-Tochter die Limousine als Ablösung des Bentley „Arnage“ neu auf. Da in diesen Fahrzeugregionen nicht zuletzt Tradition eine unverzichtbare Rolle spielt, pflegte der Hersteller bei der Namensgebung die Sitte, seinen Fahrzeugen Namen von Kurven der Rennstrecke von Le Mans zu verleihen. 1924 und von 1927 bis 1930 siegten die grünen Boliden fünfmal beim französischen Langstreckenklassiker. Von 1980 bis 1992 trugen Limousinen des Hauses ebenfalls die Bezeichnung „Mulsanne“.

[foto id=“469298″ size=“small“ position=“left“]Der Chef sitzt hinten

Bei Limousinen dieser Dimension geht die Hand nach einer andächtigen fußläufigen Runde voller Bewunderung über die gelungenen Proportionen und die erhabene Zeitlosigkeit der teilweise aus Leichtmetall gefertigten Karosserie reflexartig zum Griff der rechten Fondtüre. Schließlich spendierte Bentley beim milden Facelift für den „Mulsanne“ Anfang des Jahres unter anderem dem Fond mehr Komfort und Pflege im Detail. Hier sind wir Menschen, hier wollen wir sein! Um uns perfekt klimatisiert ins feine weiche Leder zu kuscheln, und die Beine im Luxus von 1 090 Millimetern Beinfreiheit schwelgen zu lassen. Dann käme die Lektüre einer renommierten überregionalen Tageszeitung in Betracht. Und schließlich darf der Gedanke reifen, unter diesen Umständen sogar den Genuss eines moussierenden Kaltgetränks in Erwägung zu ziehen. Frei nach Wilhelm Busch: Lieblich und luftig perlt die Blase, der Witwe Klicko in dem Glase!“

Sportive Gene[foto id=“469299″ size=“small“ position=“right“]

„Halt“, ruft der Bentley-Kenner an dieser Stelle. „Ein Bentley mit seinen sportiven Genen ist ein Auto für Selbstfahrer. Wer sich vom Chauffeur kutschieren lassen will, ist im Fond eines Rolls Royce artgerechter aufgehoben!“ – Kein Problem, kuscheln lässt sich auch im Sitz des Fahrers. „Sitz“ ist dabei eine komplette Untertreibung für dieses Fauteuil, das so viele Einstellmöglichkeiten bietet, dass jede bekannte menschliche Körpergröße eine perfekte Position hinter dem ledernen Volant findet. Das Auge schweift ohne jede Hast über eine weitläufige Landschaft von erlesenem, polierten Wurzelholz; nur aufgelockert von klassischen Rundinstrumenten, verchromten Bedienknöpfen und aus dem Vollen gefrästen Austrittöffnungen der Lüftung.

Auf 100 km/h in 5,3 Sekunden

Trotz der Dimensionen lässt sich die Karosserie dank der scharfen Bügelfalte im Kotflügel und dem geflügelten „B“ über dem Maschenkühler nach vorne gut überblicken. Per Tastendruck in der Mittelkonsole erwacht der mächtige V8 zum Leben. [foto id=“469300″ size=“small“ position=“left“]Eine Konstruktion, deren Wurzeln bis in die Fünfziger reichen. Der Hubraum von 6,75 Litern ist seit den ersten Tagen gesetzt. Die aktuelle Version erfüllt die Euro-5-Norm bei den Abgasgrenzwerten, leistet nicht wie früher „genug“, sondern nunmehr stolz kommunizierte konkrete 377 kW/512 PS. Wer einen „Mulsanne“ nicht wirklich versteht, kann ihn in 5,3 Sekunden aus dem Stand auf 100 Sachen pressen und bis 296 km/h fliegen lassen. Aber solches Walten, das unter die Rubrik „grober Unfug“ fällt, ist Kunden vorbehalten, die auch nicht davor zurückschrecken, eine Doppelmagnum „Chateau Petrus“ für einen Pott Glühwein unter Dampf zu setzen.

Das Triebwerk liefert bereits bei 4.200/min seine volle Leistung und erzeugt zudem ein Drehmoment, das gemeinhin an Stammtischen von Panzerkommandanten kursiert. 1.020 Newtonmeter fallen über die Kurbelwelle bereits bei 1.750/min her, die die Getriebeautomatik von ZF mit acht Stufen mit einer Diskretion verwaltet, wie der Butler des Lord Montague of Beaulieu den reichen Weinkeller seines fürstlichen Herrn.

Fazit – mit Verlaub[foto id=“469301″ size=“small“ position=“right“]

Der „Mulsanne“ gleitet mühe- und schwerelos wie ein fliegender Teppich über vernachlässigte Ortsdurchfahrten wie über geschundene Oberflächen bundesdeutscher Autobahnen und hüllt seine Passagiere in einen perfekten Kokon; als wäre seine vornehmste Aufgabe, Menschen nicht nur von A nach B zu transportieren, sondern vor dem Rest der bösen Welt zu beschützen. Über die wenigstens 20 Liter, die die Gemischaufbereitung während 100 Kilometern Wegstrecke zu zündfähigem Gemisch braut, brauchen wir angesichts von nur 23 Exemplaren, die 2012 den Weg nach Deutschland fanden, im Hinblick auf eine ernste Bedrohung der Umwelt kein Wort verlieren. Und zum Thema „443 Liter Gepäckraumvolumen“ lacht sich jeder Skoda Octavia mit seinen 590 Litern kaputt. Wieder fühlt sich der Bentley-Kenner an dieser Stelle bemüßigt, ein „Halt!“ zu rufen und zu ergänzen: „Wer im Mulsanne reist, lässt sein Gepäck von dienstbaren Geistern besorgen.“ – Weniger Auto fällt nach diesem Ausflug tatsächlich schwer.

Bewertung

Plus wie Minus bilden keine wirklich sinnvollen Kategorien bei der Bewertung eines Bentley Mulsanne. Oder wer würde sich bei einem Date mit Jennifer Lopez dafür interessieren, ob die „Latin Queen“ tatsächlich so tolle Apfelküchlein backen kann wie Mutti?