Chevrolet

Der Chevrolet Volt und die USA – Kulturkampf an der Steckdose

Auf den Chevrolet Volt könnte Amerika stolz sein. Schließlich ist das Elektroauto ökologische Avantgarde und heimst weltweit Preise ein – beides keine Selbstverständlichkeit für die einst große Auto-Nation, die sich in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend ins technologische Abseits manövriert hat. In Wirklichkeit ist der Volt jedoch das wohl meistgehasste Fahrzeug zwischen New York und Los Angeles.

Womit der kompakte Stromer, der in Deutschland auch als Opel Ampera verkauft wird, das verdient hat, ist für Europäer zunächst kaum nachvollziehbar. Geradezu grotesk muten die Verteufelungs-Reden von Seiten der konservativen Rechten an, etwa wenn der populäre Radiomoderator Rush Limbaugh aus dem Tea-Party-Umfeld den Volt als „von Obama angeordnete Todesfalle“ bezeichnet. Oder wenn der Republikaner Newt Gingrich, ehemaliger Herausforderer von Präsidentschaftskandidat Mitt Romney, breitbeinig und nur halb im Scherz bemängelt, dass in dem E-Mobil kein Platz sei für eine Gewehrhalterung.

Skepsis und ideologische Vorbehalte gegenüber neuen Technologien, die mit dem tradierten amerikanischen „Way of Driving“ brechen sind aber nur ein Teil der Erklärung für die harsche Ablehnung des Volt. Die Wurzeln liegen tiefer, in der jüngeren Geschichte seines Herstellers General Motors. Der jahrelang größte Autobauer der Welt musste 2009 Insolvenz anmelden und ging daraufhin zwischenzeitlich in Staatsbesitz über – für die neokonservativen Verfechter eines ungeregelten Marktes ein unerhörter Tabubruch. Fortan hatte in Detroit die US-Regierung das Sagen, und die wurde bereits damals vom Demokraten Barack Obama geführt – was in den Augen der Rechten alles nur noch schlimmer machte. „Government Motors“, wie der Konzernname damals verballhornt wurde, war für sie gestorben. Und ebenso sein Renommierprojekt, der technisch fortschrittliche Volt, der das angeschlagene GM-Image aufpolieren sollte.

Die in den Volt gesetzten Hoffnungen waren hoch. Rund 60.000 Fahrzeuge wollte General Motors ursprünglich bereits 2012 verkaufen und Konkurrenten wie Toyota Prius und Nissan Leaf auf die Plätze verweisen. 45.000 davon sollten allein an US-Kunden gehen. Verkauft wurden dort in den ersten sieben Monaten aber erst 10.660 Autos. General Motors hat daher nun die Produktion kürzlich für einen Monat ausgesetzt. Mangels Nachfrage stehen die Bänder bis mindestens Mitte Oktober still.

Die verbitterte Gegnerschaft von ein paar populistischen Ideologen allein, so einflussreich sie auch sein mögen, hätte der Volt wohl noch weggesteckt. Doch auch gemäßigte Konservative bringen sich in Stellung. Mitt Romney etwa, Obama-Herausforderer bei der Wahl im Herbst: Er sein nicht sicher, ob Amerika schon bereit für den Volt sei, sagte er auf einer Wahlkampfveranstaltung im April. Er hoffe zwar auf einen Erfolg, vor allem für die Beschäftigten in Detroit, „aber an Stelle von Politikern, die uns vorschreiben, welche Autos wir zu bauen haben, sollten wir die Leute entscheiden lassen, die den Markt verstehen.“ Dass Obama wie angedeutet an der Entscheidung zur Entwicklung des Volt beteiligt war, ist zwar eher [foto id=“432775″ size=“small“ position=“left“]unwahrscheinlich, wurde an dem E-Auto doch schon mindestens zwei Jahre vor seinem Amtsantritt im Januar 2009 gearbeitet. Die Unterstellung zwischen den Zeilen jedoch tut ihre Wirkung.

Für zusätzlichen Zündstoff sorgte bereits Ende 2011 ein Brandunfall. Mehrere Tage nach einem internen Crashtest war ein zur späteren Untersuchung geparkter Volt in Flammen aufgegangen. Offenbar ein Einzelfall verursacht durch eine nicht vorschriftsgemäß deaktivierte Batterie. Viele US-Medien, allen voran der Nachrichten-Marktführer Fox News, stellten das jedoch stark verkürzt dar. Der Volt gehe in Flammen auf, Batterien würden explodieren, das Auto töte Fahrer und Unbeteiligte, ließ die Berichterstattung durchblicken. Ein PR-Totalschaden, auch wenn bei Fahrzeugen in Kundenhand niemals ähnliche Fälle bekannt geworden sind.  

Trotzdem scheint es mit dem Volt in den USA aber aktuell leicht aufwärts zu gehen. Die knapp 10.666 verkauften Einheiten des rund 40.000 Dollar teuren Fahrzeugs sind zumindest deutlich mehr, als im gesamten Jahr 2011 (7.671 Einheiten) an Kunden ausgeliefert wurden. Und auch das mediale Dauerfeuer hat nachgelassen – wohl auch, weil im Wahlkampf niemand die GM-Angestellten unnötig gegen sich aufbringen will. Und sogar Fox News hat so etwas wie ein Waffenstillstandsangebot gemacht: Der Volt schafft es bei dem Nachrichtenkanal in die Liste der zehn wichtigsten US-Autos der vergangen 25 Jahre. Wäre dabei das Polarisierungspotential ein Kriterium, wäre der Volt wohl sogar die klare Nummer eins.

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