E-Mobilität: Experten warnen vor übertriebenen Erwartungen

Die Erwartungen an Elektroautos von Politik und Verbrauchern sind nach Expertenmeinung deutlich zu hoch. Sie befürchten, dass andere Antriebstechnologien vernachlässigt werden.

Erhebliche Verbrauchsverbesserungen von Diesel- und Ottomotoren werden in den nächsten 20 Jahren „sicherlich den größten Beitrag zur CO2-Reduzierung“ leisten, erklärte Wolfgang Steiger, Leiter Zukunftstechnologien bei VW, beim diesjährigen Internationalen Wiener Motorensymposium. Eine Diskriminierung solcher Antriebe in Erwartung der E-Mobilität hätte verheerende Folgen. Es bestehe zwar weitgehend Einigkeit innerhalb der Politik und der Automobilindustrie, dass die Elektrifizierung komme, doch sei eine echte Serienmarktfähigkeit reiner Elektrofahrzeuge erst ab 2020 zu erwarten.

Volkswagen werde ab 2010/2011 Elektrofahrzeuge in verschiedenen Bauweisen und Modellen in Flotten erproben, kündigte Steiger an. Ab 2013 sei mit Stückzahlen von mehr als 1 000 Fahrzeugen je Modell und Jahr zu rechnen. Die Mehrkosten würden jedoch noch deutlich über den von den Kunden erwarteten Beträgen liegen. Ab 2020 sollten zusammen mit der nächsten Generation von Motoren, Batterien und der Leistungselektronik Fahrzeuge zu einem marktfähigen Preis möglich sein. Dabei müsse die Markteinführung von politischen Rahmenbedingungen begleitet werden, die sich nicht nur in staatlichen Zuschüssen zum Kauf eines Elektrofahrzeugs erschöpfen dürften. Die Politik müsse auch den technischen Nachwuchs bei der Aus- und Weiterbildung zur E-Mobilität fördern.

Man dürfe aber die Technologie nicht überfordern und nicht in eine riskante Subventionsmaschinerie einsteigen. Es bestehe die Gefahr, dass die Politik dem Verhaltensmuster der vergangenen Jahrzehnte folge, jeweils eine Technologie besonders hervorzuheben, warnte Steiger. Keiner der Hypes habe je zum Erfolg geführt, sondern nur durchaus sinnvolle Alternativen in ihrer Entwicklung massiv behindert. So habe etwa der Brennstoffzellen-Hype zur Einstellung der Batterieforschung und zur erheblichen Reduzierung der Weiterentwicklung von Verbrennungsmotoren geführt. Auch die nachfolgende Erklärung von Biokraftstoffen zum alleinigen Ziel sei letztendlich gescheitert. Aus diesen Fehlern sollte man lernen und den Batterie-elektrischen Antrieb als „Lieblingskind der Politik“ in eine sinnvolle Entwicklung überführen.

Der gesellschaftliche Wandel mit einer neuen Definition des Wohlstandes, der nicht mehr von einem Mehr an Gütern, sondern von einem Zuwachs der Lebensqualität geprägt ist, werde sich auch auf das Nutzer- und Kaufverhalten auswirken, betonte Steiger. In Zukunft würden mehr auf das Mobilitätsbedürfnis zugeschnittene Fahrzeuge nachgefragt werden – zum Beispiel voll elektrisch fahrende Stadtfahrzeuge – während man einen darüber hinaus gehenden Bedarf möglicherweise auf der Basis von Leasing-, Pooling- oder Sharing-Konzepten decken werde.

Peter Langen von der Entwicklung Antrieb bei BMW in München schlug in dieselbe Kerbe: Die Frage sei legitim, ob künftig ein Fahrzeug alle Anforderungen in sich vereinen müsse oder ob sich der Kunde – abhängig von seinen individuellen Fahrgewohnheiten – für ein spezifisches Fahrzeug entscheiden werde. Zwischen dem Berufsverkehr in den Innenstädten, den äußeren Wohngebieten der Ballungsräume und dem Fernverkehr bestünden große Unterschiede in den Nutzungsbedingungen. Skeptisch äußerte sich Langen zu Hybridfahrzeugen, weil dort Strom aus der fossilen Energie zum Betrieb des Verbrennungsmotors erzeugt werde und der Wirkungsgrad „nie besser als der Verbrennungsmotor in seinem Bestpunkt abzüglich der Wirkungsgradkette des Elektroantriebs“ sein könne. Auch Plug-in-Hybridautos und reine Elektrofahrzeuge würden das Ziel einer Verringerung der CO2-Emissionen nicht erreichen, wenn der Strom aus fossilen Quellen komme. Es bestehe jedoch die Chance, dass in den nächsten zehn bis 20 Jahren deutlich mehr Strom aus regenerativer Energie verfügbar sein werde.

Auch Langen warnte davor, übertriebene Erwartungen an die Elektromobilität zu wecken. Von der Hoffnung auf eine breite Markteinführung von Elektrofahrzeugen in ein bis vier Jahren und von Vorstellungen einer Mindestreichweite von rund 430 Kilometern sei die gesamte Industrie weit entfernt. Der Weg werde noch viele Jahre in Anspruch nehmen und der Verbrennungsmotor bis dahin in zahlreichen Optimierungsstufen weiterhin Bestand haben, schloss Langen.

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