Kommentar: Verweigerung der grünen Welle?

Vorbemerkung: Immer wieder hat man die Autofahrer beim Wickel, wenn es um die Reinhaltung der Luft geht. Sie werden sogar aufgefordert, sich neue Autos zuzulegen, weil deren Emissionen die Umwelt weniger belasteten als Abgase von Pkws älteren Jahrgangs.

Doch in diesen Zeiten drückt kaum jemand das Geld so, dass er es gar nicht erwarten kann, Erspartes zum Kauf eines neuen Autos anzulegen. Auch mit der Forderung nach der grünen Umweltplakette fürs Fahrzeug werden Autofahrer heutzutage unter moralischen, vor allem unter finanziellen Druck gesetzt. Denn wer will – richtiger gesagt: kann (!) – schon mit seinem Auto eingerichtete Umweltzonen wirklich immer meiden, mit denen Kommunen offenbar zuerst signalisieren wollen, dass sie den Forderungen der EU, die auf Bevormundung und Diktat aus ist, selbstverständlich doch nachkommen. Was tut’s, wenn der Effekt des Aussperrens plakettenloser Fahrzeuge aus ausgewiesenen Umweltzonen nach wie vor umstritten bleibt. Show ist alles.

Dass Kommunen selbst wenig Eifer entwickeln, ihrerseits das ihnen Mögliche zu unternehmen, um gegen die so oft ins Spiel gebrachte Umweltbelastung durch den Fahrzeugverkehr vorzugehen, ist irgendwie bezeichnend. Weil weit einfacher eben bleibt, ein paar runde Sperrschilder „Umweltzone“ aufzustellen (die ein Auswärtiger kaum wahrnehmen kann) und auf Wunder zu warten, als etwa dafür zu sorgen, dass der Straßenverkehr fließt. Zum Teufel mit der grünen Welle? – Sie zu organisieren ist machbar, aber so was kostet natürlich Aufwand, auch Geld.

Hoffung kommt auf, wenn bei einem Presseseminar des Deutschen Verkehrssicherheitsrats e.V., dieser Tage abgehalten, die Referentin Dr. Birgit Hartz von der Bundesanstalt für Straßenwesen Werbung für die grüne Welle macht, die „in erster Linie der Sicherheit der Verkehrsteilnehmer, aber auch der Gewährleistung des Verkehrsflusses“ diene. In den Städten jedoch käme es noch immer durch Ampeln zu häufigen Halten, langen Wartezeiten und zähflüssigem Verkehr. „Ampeln führen neben längeren Reisezeiten auch zu erhöhtem Energieverbrauch und vermeidbaren Umweltbeeinträchtigungen wie Lärm und Abgase.“

Die EU könnte jubeln: Nach Überzeugung der Bundesanstalt für Straßenwesen sichern „sorgfältig geplante grüne Wellen einen guten Verkehrsfluss, reduzieren unnötige Brems- und Beschleunigungsmanöver und tragen dadurch nachweislich dazu bei, dass weniger Feinstaubpartikel erzeugt und weniger Stickoxide ausgestoßen werden“, sagt Dr. Birgit Hartz und gibt damit eine Orientierung. Einräumt sie, dass Verkehrsaufkommen im Tagesverlauf natürlich seine Richtung ändert. Deshalb erführen grüne Wellen für die Straßenzüge häufig auch Veränderungen entsprechend der Tageszeit. „Wer morgens Richtung Innenstadt unterwegs ist, hat häufiger Grün als der, der stadtauswärts fährt. Nachmittags ist es umgekehrt.“

Offensichtlich verlangt eine verkehrsabhängige Steuerung grüner Wellen neben Einsicht auch entsprechenden Einsatz. Beim Befahren von Magistralen in der deutschen Hauptstadt ist weder von dem einen noch dem anderen etwas zu spüren. Grüne Wellen? – Bis auf wenige Ausnahmen Fehlanzeige! Die Runde macht, dass der Berliner Senat im Verzicht von grünen Wellen durchaus gewollte Verkehrsberuhigung sehe. Und in der Tat begrüßt Motorisierte selbst auf Berliner Durchgangsstraßen mit hohem Verkehrsaufkommen gegebenenfalls alle 200 oder gar nur 100 Meter eine rote Ampel: abbremsen, anhalten, anfahren – zur Belastung der Umwelt und zur „Freude“ der Anwohner! Offenbar hat der Berliner Senat, aber wohl auch die eine oder andere deutsche Stadtverwaltung die EU-Order zur Vermeidung von Umweltbelastungen durch den Kraftfahrzeugverkehr nicht verinnerlicht, sofern sie sie selbst angeht. Mit der Proklamierung einer Umweltzone scheint die EU-Pflicht als erfüllt betrachtet zu werden.

Von der Verwirklichung einer nützlichen „verkehrsadaptiven Steuerung“, die Hartz ins Gespräch brachte, kann schon gar nicht die Rede sein. Sie sagt: „Ausgehend von der aktuellen Verkehrssituation im Netz und vorausblickend durch Kurzzeitprognosen und eingesetzter adaptiver Netzsteuerung könnten die Wartezeiten und die Auslastungsgrade aller Ampeln im Netzzusammenhang berechnet und permanent online optimiert werden.“ Und zwar ließe sich durch eine laufende Neuberechnung der Grünzeitverteilungen der Ampeln „flexibel auf wechselnde Verkehrmengen reagieren, ohne die Möglichkeiten der lokalen Steuerung einzuschränken“.

„Die intelligenten Steuerungsverfahren können bei guter Planung, und regelmäßiger Pflege der Programme einen hohen Nutzen bewirken“, ist die Expertin für Verkehrsmanagement überzeugt. An der Zeit wäre es demnach, dass das auch Kommunen zur umweltfreundlichen Bewältigung des Straßenverkehrs beherzigen, statt von der Einrichtung immer neuer Umweltzonen Wunder zu erwarten.

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