Kommentar zur Energiesteuerrichtlinie: Angie, bleibe hart!

Der Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) ist dagegen, ebenso der Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), sogar die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich schon dagegen ausgesprochen und dennoch will die EU-Kommission am Mittwoch ihre Vorschläge zur Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie vorlegen. Die sieht vor, dass Diesel-Kraftstoff und Benzin in Zukunft nach Energieinhalt und Kohlendioxid-Emissionen besteuert werden sollen.

Das klingt zunächst einmal plausibel und gerechter als die heutige Steuer-Regelung, die den Dieselkraftstoff besserstellt. Und dennoch werden viele aufatmen, wenn Deutschland bei dieser Regelung sein Veto einlegt. Solche Steuervorschriften bedürfen in Brüssel nämlich der Einstimmigkeit. Die Mehrheit wäre vermutlich schnell zu erlangen; denn nur drei Mitglieder der EU verfügen über Autoproduktion. Die anderen könnten es sich leicht machen, und dem scheinbar grünen Schritt zustimmen. Doch damit liefen auch sie in eine Falle.

Bei E10 haben wir gerade gelernt, dass die Abstimmung an der Zapfsäule stattfindet. Die geplante Harmonisierung der Steuer für beide Kraftstoffarten würde aber dazu führen, dass Diesel an deutschen Zapfsäulen immer und zehn Cent teurer angeboten würde als Superbenzin. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, welchen Einfluss ein solcher Dieselpreis auf das Kaufverhalten bei Neuwagen hätte: Der Dieselanteil am Neuwagengeschäft würde von heute rund 50 Prozent dramatisch einbrechen. Was ein Dieselpreis oberhalb des Benzinpreises verursacht, sieht man in den USA. Dort ist Diesel teurer, und die Anbieter von Dieselfahrzeugen tun sich schwer.

Eine Forschungsarbeit („Politikszenarien für den Klimaschutz IV – Szenarien bis 2030“), in Auftrag gegeben vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, kommt zu dem Schluss, dass eine Angleichung der Steuersätze für Diesel- und Ottokraftstoff zu einem Rückgang der Dieselfahrzeuge im Flottengeschäft von 60 Prozent führen würde. Aber nicht nur die Flottenmanager gucken aufs Geld, der privat autofahrende Mensch kann auch rechnen. Der soll für den Dieselmotor mehr bezahlen und damit beim Staat die höhere Mehrwertsteuer abgeben, wird bei der Kfz-Steuer heftig benachteiligt und soll dann auch noch mehr für sein Dieselöl bezahlen? Da richten wir uns doch besser auf einen Dieselanteil ein, der nur noch von den Fans getragen wird – 20 Prozent?

Schon an dieser Stelle wird die Widersinnigkeit der Vorgehensweise der EU schmerzhaft spürbar. Sie meinen, der deutsche Finanzminister und seine Kollegen seien dazu bereit, eine solche Gleichbesteuerung aufkommensneutral darzustellen und rechen vor: Heute wird in Deutschland Benzin mit 66,5 Cent pro Liter besteuert, Diesel mit 47 Cent. Folgt man der EU-Logik, müsste der Benzinkunde künftig mit 48,1 Cent zu Kasse gebeten werden, der Dieselkunde aber mit 55,2 Cent.

Das wäre für die Benzinmobilisten ein Grund zur Freude. Doch leider geht die EU bei dieser Rechnung von falschen Voraussetzungen aus. Denn sie nimmt den Anteil der Dieselmotoren an den Neuzulassungen als Grundlage, nämlich die rund 50 Prozent. Im Bestand befinden sich aber nur rund 27 Prozent Dieselfahrzeuge. Das wird dem Finanzminister nicht gefallen, weil das ein fulminantes Loch in seine Kasse reißt. Die EU versucht aber, gerade ihm eine solche Lösung schmackhaft zu machen. Sie geht in ihrer Rechnung davon aus, dass sich der Dieselanteil sogar auf 68 Prozent der Neuzulassungen ausweiten werde.

Ein solcher Prozentsatz wäre ein Traum für jeden Politiker, der sich mit der Kohlendioxid-Problematik auseinandersetzt. Schließlich brauchte ein Dieselmotor in Fahrzeugen der Baujahre 2009/2010 rund 30 Prozent weniger Kraftstoff als ein vergleichbarer Benzinmotor. Solch ein Dieselanteil wäre erstrebenswert. Deswegen hat sich die EU mit dem Bericht vom 28. April 2010 („Eine europäische Strategie für saubere und energieeffiziente Fahrzeuge“) eine Förderung sauberer und energieeffizienter Fahrzeuge mit konventionellen Verbrennungsmotoren zur Senkung des europäischen CO2-Ausstoßes aus die Fahne geschrieben.

Das ist der klassische Fall von einem Zielkonflikt. Der wird auch damit nicht gelöst, dass die EU-Kommission nun scheinbar zurückrudert und sich auf die langen Übergangsfristen bis 2020 zurückzieht. Das wird sich – wie auch schon in anderen Fällen – ebenso als ein taktisches Spielchen erweisen wie der Hinweis, dass die deutschen Steuern ja sowieso schon über den von Brüssel geforderten Mindeststeuersätzen liegen. Brüssel will für Benzin 36 Cent pro Liter und für Benzin 41 Cent durchgesetzt sehen. Doch die Pflicht zur Gleichbehandlung beider Kraftstoffe setzt den Hinweis außer Kraft, Deutschland liege ja bereits über diesen Sätzen.

Vorschriften wie diese betrachtet man am besten von ihrer Wirkung her. Die Umwelt wird davon nichts haben, weil der Benzineranteil in Deutschland steigen wird. Vielleicht könnte die Steuervorschrift manchen umweltbewussten und kühl rechnenden Dieselfahrer auf die Idee bringen, sich nun für ein deutlich kleineres Benzin-Mobil zu entscheiden. Ein Narr, der Böses dabei denkt, etwa, dass hier im Hintergrund wieder einmal Industriepolitik mitwirkt. Wer baut denn viele große Dieselmotoren? Die Antwort auf die Frage führt nach Deutschland. Wer lebt vom Kleinwagengeschäft? Die Antwort führt nicht immer nach Deutschland. Aber zu Zeit sind die deutsche Automobilindustrie und die Wirtschaft allgemein den anderen in der EU sowieso zu stark. Gern würden sie ein wenig auf die Bremse treten.

Eine weitere Folge wären steigende Preise. Steuerbegünstigungen für das Transportgewerbe hat die EU verboten, also werden die kleinen Gewerbetreibenden ebenso wie die großen Speditionen mit höheren Kosten leben müssen und die an uns weiterreichen.

Uns wird die Anpassung der Steuer von Benzin und Diesel an den Energieinhalt und an den CO2-Ausstoß als Gewinn für die Umwelt und als gerecht verkauft werden. Und weil das so schön plausibel klingt, wir die EU selbst in Deutschland viele Verbündete mobilisieren. Schon hört man auch aus Deutschland entsprechende Töne. Da kann man nicht anderes ausrufen als: Angie, bleibe hart!

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