Radfahrer lieber auf die Straße! Es lebe der Mischverkehr!

Man muss einmal daran erinnern: Auch den Radfahrer erklärt die deutsche Straßenverkehrsordnung zum Fahrzeugführer! Demnach hat er sich genau wie ein Auto- und Motorradfahrer an die Bestimmungen der StVO zu halten, an Vorfahrtsregeln, Verkehrszeichen und Lichtsignalanlagen zuallererst.

Die Realität sieht leider anders aus. Mit regelkonformem Verhalten fallen Radfahrer heutzutage seltener auf. Sie folgen vielmehr eigenen Interpretationen der StVO nach der Devise: Die vielen Paragrafen gehen einen Radfahrer doch im Grunde weniger an. Derart schlechte Vorbilder machen in Deutschland Tag für Tag Schule. Und nun erinnert ein deutsches Verwaltungsgericht auch noch einmal ausdrücklich an eine verbriefte, ein bisschen in Vergessenheit geratene Freiheit, von der die Fahrradfraktion fortan vermutlich mehr als bisher Gebrauch machen dürfte.

Fahrzeugführer „auf dem Lande“ nähmen es offensichtlich nicht so genau mit den Regeln der Straßenverkehrsordnung, heißt es. Liegen mag das am Fehlen von Verkehrsampeln und markierten Fahrspuren. Oder einfach nur an der vergleichsweise spärlichen Verkehrsdichte. Solches Umfeld lässt Verkehrsteilnehmer die eine oder andere Disziplinübung einfach lockerer angehen. Schließlich wacht auch das Auge des Gesetzes in ländlichen Regionen eher nur zufällig.

Bei Radfahrern haben sich Lässigkeiten im Umgang mit der StVO allerdings bereits bis zum Verhalten im innerstädtischen Straßenverkehr vorgearbeitet. Offenkundig basieren die dynamischen Bewegungsprofile heutiger Fahrradfahrer – meist jüngeren Semesters – zuerst auf dem Ehrgeiz, überall zügig voranzukommen, was immer sich dem Vorwärtsdrang auch entgegenstellen mag. Selbst in tiefdunklem Ampelrot wird noch lange kein Grund gesehen, die Fahrt zu unterbrechen. Lauernd wird nach einer Lücke im freigegebenen Querverkehr gespäht. Bei der kleinsten Chance, das Ampelrot für Sekunden ignorieren zu können, geht die Post ab! Derart einfältige Lückenflitzer schenken zurückbleibenden motorisierten Wartegemeinschaften ganz gern noch einen letzten hämischen Blick. Ätsch, ihr müsst warten! Und weg sind sie.

Radfahrende Fahrzeugführer, die sich allerlei leichtsinnige Freiheiten herausnehmen, müssen Ordnungshüter kaum fürchten. Das Auge des Gesetzes guckt lieber weg. Als umweltpolitisch korrekte Fortbewegungsmittel scheinen Fahrräder – mit und ohne funktionierende Beleuchtungseinrichtung – unter gesellschaftlichem Schutz zu stehen. Und nun gibt es auch noch einen Gerichtsentscheid, der – wie es heißt – „die Rechte der Radfahrer als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer“ stärkt. Auf ein entsprechendes Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (Az.BayVGH11 B 08,186) verweist der Auto Reise Club Deutschland (ARCD).

Gleichberechtigung! Die will Radlern ja niemand verwehren, auch wenn sie weder mit einer Fahrradsteuer noch mit anderen Opfern für die Verkehrsinfrastruktur zur Kasse gebeten werden. Aber geben die Radler – wie gesagt Fahrzeugführer! – nicht oft genug zu verstehen, dass sie mehr wollen als nur Gleichberechtigung? – In den Regeln der StVO scheinen viele von ihnen bestenfalls unverbindliche Empfehlungen zu sehen.

Mit ihrem Urteil wollen die bayerischen Richter sicher noch einmal unterstreichen, dass es „keine generelle Pflicht zur Radwegbenutzung“ gibt. Radfahrer dürfen also „im Regelfall“ die Fahrbahn wählen. Ärger hatte es wegen einiger innerstädtischer Radwege gegeben, von deren Beschilderung die zwingende Benutzungspflicht abzuleiten war. Jetzt wurde daran erinnert: „Städte und Gemeinden können nur in Ausnahmefällen Radwege als benutzungspflichtig kennzeichnen.“

Zutreffend sei sicher, dass auch in zahlreichen anderen Fällen die Benutzungspflicht für Radwege „ohne ausreichenden Rechtsgrund“ angeordnet wurde. Eine solche Anordnung dürfe jedoch nur eine Ausnahme sein, interpretiert der ARCD den Tenor des gefällten Urteils, das formal nur in Bayern gilt. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) hält es aber dem Charakter nach für ein Grundsatzurteil, an dem sich andere Verwaltungsberichte in Deutschland wohl orientieren würden. So wird’s wohl kommen.

Der Richterspruch mag die ernüchternde, weithin noch immer nicht bekannte Tatsache berücksichtigen, dass der Ausbau von Radwegen im innerstädtischen Bereich – vielerorts jahrelang mit hohem finanziellen Einsatz (sicher auch aus der Kfz-Steuer-Quelle) vorangetrieben – nicht unbedingt zu weniger, sondern oft sogar zu mehr Unfällen führte, wie gezielte Untersuchungen zeigen. Motorisierte wissen um die Gefahren, die „straßenbegleitende“, also parallel zur Fahrbahn verlaufende Radwege mit sich bringen, sobald nach rechts abgebogen werden soll. Von hinten nahende Radler werden leicht übersehen; erst recht bei Dunkelheit und Fahrrädern ohne Licht, die es überall gibt, als sei das inzwischen Gewohnheitsrecht.

Gewonnen wurde vielerorts die Erkenntnis, dass das Befahren von Radverkehrsanlagen besonders an Knotenpunkten unsicherer ist als das Befahren der Fahrbahn mit Fahrrädern.

Frei von Tücken sind Radwege nicht. Überraschen aber muss, dass die Verwaltungsrichter in Bayern die bislang oft bemühte Argumentation offenbar nicht mehr gelten lassen wollen, die da lautet: Mischverkehr auf einer gemeinsamen Fahrbahn bleibe nicht zuletzt mit Blick auf die Geschwindigkeitsunterschiede der verschiedenen Fahrzeuge problematisch. Deshalb wurde letztlich sogar Mofa-Fahrern erlaubt, Radwege zu benutzen, und kürzlich verwies der Gesetzgeber – der überzeugenden Tempo-Logik folgend – auch die skurrilen einachsigen Elektroroller, die „Segways“, auf Schutzstreifen, Radfahrstreifen und Radwege.

Die ausdrückliche richterliche Feststellung, dass es keine generelle Pflicht gebe, vorhandene Radwege zu benutzen, werden Radfahrer als Aufforderung deuten, sich mehr als bisher selbstbewusst unter Autos und Motorräder zu mischen. Mit dem Abtauchen in eine ganz andere Leistungs- und Tempoeinheit dürfte weder der Sicherheit des Radfahrers noch der der Motorisierten gedient sein. Angesichts des regelwidrigen Verhaltens vieler – nicht aller! – Radfahrer, lässt die Aussicht nicht eben frohlocken, dass in zunehmendem Maße problematischer Mischverkehr auf der Straße zu bewältigen sein wird. Sicheren Verkehrsfluss stellt man sich irgendwie anders vor.

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Gast auto.de

Mai 27, 2010 um 1:50 pm Uhr

Schön, daß Sie alle Ihre generalisierten Behauptungen mit fundierten Quellen belgegt haben, ansonsten könnten Ihnen böse Zungen gar noch Stammtischpolemik unterstellen…

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