Senioren am Steuer – Assistenten helfen

„Über 70-jährige wollen nicht unbedingt erkennen, wie gesund Fahrradfahren ist oder welche Möglichkeiten der Nahverkehr bietet. Sie wollen Auto fahren.“ Jürgen Howe, Professor am Institut für Psychologie der Technischen Universität Braunschweig, kennt die Vehemenz, mit der Senioren ihre individuelle Mobilität über das Selber-Lenken eines Fahrzeuges sichern wollen.  Dem stehen jedoch häufig altersbedingte Einschränkungen des Körpers entgegen.

In den heutigen technischen Möglichkeiten von Fahrassistenzsystemen wie Navigationsgeräten, Einparkhilfen oder einem Tot-Winkel-Assistenten sieht Howe aber eine große Chance, die körperlichen Gebrechen, die naturgemäß mit dem Alter verbunden sind, zu reduzieren. Sie können helfen, die Fähigkeit, ein Fahrzeug ohne Risiken zu lenken, bis ins höchste Lebensalter zu erhalten.

Denken Sie manchmal daran, Ihren Führerschein abzugeben?

„Denken Sie manchmal daran, Ihren Führerschein abzugeben und nicht mehr selbst ein Auto zu lenken?“ Eine Frage, die von über 70 jährigen zu mehr als 85 Prozent mit einem klaren „Nein“ beantwortet wird. Dieses Ergebnis einer Studie über die „Anforderungen der Älteren an das Auto“ mit  300 Personen hat den Psychologen Howe vor drei Jahren veranlasst, eine Zeitungsannonce zu schalten: „Uni sucht interessierte Autofahrer zwischen 60 und 90 Jahren, die mobil bleiben wollen.“ Seitdem trifft sich zweimal im Jahr eine Gruppe von etwa 50 Personen, die Sprachassistenten unterschiedlicher Marken ebenso kritisch unter die Lupe nehmen wie Allradantrieb, Hybrid-Systeme oder einen Nachtsicht-Assistenten. Physiker und Ingenieure sind ebenso dabei wie eine Chemikerin, die mit ihrem Porsche im Jahr etwa 12.000 Kilometer unterwegs ist und wie die meisten anderen seit mehr als 50 Jahren den Führerschein besitzt.

Howe ist von der Technikbegeisterung der Gruppe absolut angetan: „Alle haben Auto fahren noch ohne jegliche elektrische oder elektronische Helferlein gelernt. Es war die Zeit, in der der klassische  Schulterblick zur Routine wurde.  Neue Technologien sind bisher noch nicht wirklich bis zu dieser Personengruppe  durchgedrungen.“ Also ist es nur zu verständlich, dass die Senioren sich erst einmal fragen, ob sie so etwas wie einen Totwinkel-Assistenten denn wirklich brauchen. „Wenn das technische Hilfssystem dann ein altersbedingtes  Problem löst – beispielsweise die Einschränkung, den Kopf ausreichend weit zur Seite drehen zu können -, dann sind sie auch bereit, Geld dafür auszugeben“, erklärt der Forscher. Noch sind die Ergebnisse der Befragungen nach den umfangreichen Testfahrten nicht vollständig ausgewertet. Doch schon jetzt zeigt sich, dass über 80 Prozent der Teilnehmer eine Einparkhilfe als sinnvoll ansehen. Beim Navigationssystem ist der Zuspruch etwas geringer. Hier schwingt die Sorge mit, das Gerät richtig bedienen zu können, weiß Howe aus Gesprächen.

Der Großteil der Älteren bevorzugt das Auto als Fortbewegungsmittel. Senioren wollen beispielsweise nicht mit johlenden Jugendlichen oder biertrinkenden Fußballfans an einer Haltestelle auf den Bus warten müssen. Dazu komme, dass mit zunehmendem Alter das Schleppen von Lasten immer schwerer falle. „Um das Fahrzeuge auch weiterhin zu bewegen, sind Senioren auch bereit, sich freiwillig einzuschränken: auf Zeiten mit wenig Verkehr oder auf Regionen, die sie gut kennen“, weiß Howe aus den Befragungen. Dennoch seien einige aus der Gruppe der Braunschweiger Uni auch mit über 70 Jahren immer noch bis zu 60.000 Kilometer im Jahr am Steuer unterwegs.

Es gelte also, den Personen die mit den Jahren aufkommende Unsicherheit durch den Verlust bestimmter auditiver (hören), visueller (sehen) und kognitiver (denken) Fähigkeiten zu nehmen. Als geradezu geniales Assistenzsystem bezeichnet Howe in diesem Zusammenhang Aufmerksamkeitsassistenten wie Mercedes ihn anbietet. Das Fahrzeug gibt mittels einer Kaffeetasse im Display ein Signal, dass Zeit für eine Pause ist. Über 70 Parametern – von Gaspedalstellung bis Lidschlagkontrolle – werden für diesen Warnhinweis vom Fahrzeug ausgewertet. Ältere Autofahrer haben häufig physiologisch bedingt eine geringere Konzentrationsfähigkeit und können weniger ausdauernd aufmerksam sein. „Ihnen ist bewusst, dass sie nicht an einem Stück sechs Stunden fahren können und deshalb machen sie vorsichtshalber alle ein bis zwei Stunden Pause“, schildert Howe das Szenario. Dennoch wachse die Verunsicherung, ob man auch tatsächlich ausreichend Erholungsphasen mache. Aus Sorge einen Fehler zu machen, blieben Betroffene oft  kilometerlang mit Tempo 80 hinter einem Lkw. Das aber nerve und erhöhe die Anspannung nur noch mehr. Ein Aufmerksamkeits-Assistent ist für den Psychologen ein ideales Hilfsmittel mit einer klaren Rückmeldung. Das gebe Sicherheit. So brauche man nicht mehr an sich zu zweifeln.

Wichtig ist es, Senioren an neue Techniken und Systeme heranzuführen, sie mit ihnen vertraut zu machen. Wenn man Systeme wie die Klimaanlage oder ein Navigationsgerät selten benutze – und noch dazu das Kurzzeitgedächtnis schlechter ist – dann könne man schon mal vergessen, wie man die Frontscheibenbelüftung aktiviere oder den Maßstab der Karte ändere. Der Braunschweiger Professor sieht eine Hotline der Fahrzeughersteller als Lösung. Nach der Kontaktaufnahme – am besten über die Sprachsteuerung – könnte eine vertrauenswürdige und langsam sprechende Person am anderen Ende der Leitung dann das aufgetretene Problem  mit ein paar Rückfragen zum Modell und Alter des Systems in wenigen Augenblicken beheben. „Über diese Lernform wären wesentlich mehr Verkäufe von Assistenzsystemen möglich, als mit einem Prospekt, den man den Älteren ohne weitere Erklärung mitgibt“, sieht Howe auch aus marktwirtschaftlicher Sicht einen Sinn in derartigen Betreuungsangeboten. Schließlich werden es in Zukunft eher mehr als weniger Senioren, die am Lenkrad eines Autos sitzen werden.

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