Genfer Automobilsalon: Treffen auf neutralem Boden

Die Woche wird spannend werden. Denn die wichtigsten deutschen Automobilmanager reisen Montag zu einem Treffen auf neutralem Boden.

In der Schweiz werden sie mit Kollegen aus anderen Ländern intensiv über den Kohlendioxidausstoß von Kraftfahrzeugen debattieren. Denn die Automobilindustrie wird beim Genfer Automobilsalon vom Mittwoch, 8. März 2007 an Position beziehen. Für denselben Tag hat Bundesumweltminister Siegmar Gabriel die Betriebsräte der deutschen Automobilhersteller zu einem Gipfel nach Berlin geladen. Das ist der zweite wichtige Termin dieser Woche, der zur Versachlichung der Debatte beitragen könnte.

Parralleluniversum – Zurück in die Realität

Die Betriebsräte der Autohersteller werden unseren eloquenten Bundesumweltminister aus seinem grünen Paralleluniversum auf den Boden der Tatsachen zurückholen müssen. Das wird den Racheengel Gabriel sicherlich nicht kurzfristig vom Saulus zum Paulus werden lassen. Aber die Konfrontation mit den Fakten verhindert beim Minister hoffentlich die zur Zeit üblichen populistischen und symbolischen Forderungen und führt ihn zurück zur gebotenen sachorientierten Arbeit an der Zukunft.

An demselben Strang werden die Manager in Genf ziehen. Sie werden nach einer langen Pause des überraschten Schweigens am Genfer See zeigen, was ihre Unternehmen bei der Reduzierung von Kohlendioxid heute leisten und bereits geleistet haben. Wer die langen Entwicklungszeiten im Automobilbau kennt, weiß, dass das keine kurzfristig geborenen Ideen sind, sondern bereits vor Jahren auf die Schiene gesetzt worden sind.

„Wir sind keine Schmutzfinken“

Volkswagen-Chef Martin Winterkorn attackierte jetzt sogar Bundespräsidenten Horst Köhler wegen dessen Vorwurf, die Automobilindustrie habe die Zeichen der Zeit zu spät erkannt. Porsche-Chef Wendel Wiedeking wies in einem Interview für die aktuelle Ausgabe der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ zunächst darauf hin, dass die europäische Automobilindustrie noch drei Jahre Zeit habe, um ihre Zusage von 140 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer einzuhalten. Die jetzt diskutierten Werte stammten von Ende 2005, und die Vereinbarung laufe bis zum 31. Dezember 2008. „Wir sind keine Schmutzfinken“, fasst er in dem Interview das eigene Selbstverständnis und das seiner Kollegen in Deutschland zusammen.

Genf wollen sie alle offenbar für einen Neuanfang nutzen und ihre Position offensiv darstellen. So kündigte Prof. Dr. Bernd Gottschalk, der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), jetzt an, man gehe mit Selbstbewusstsein nach Genf, weil die deutschen Automobilhersteller schon heute auf eine bessere CO2-Bilanz ihrer Pkw-Flotten verweisen können als ihre Wettbewerber aus Asien. „Es gibt niemanden in dieser Schlüsselindustrie, der dem Klimaschutz nicht die gebührende Aufmerksamkeit widmet“, so Gottschalk. Deswegen werde man nicht zulassen, dass das Automobil als Alleinverantwortlicher ausgemacht werde. Die deutsche Industrie sei nach wie vor international der Technologieführer.

Hybrid: Korrektur des Verbrauchs nach oben

Hybridfahrzeuge seien nur eine von vielen technischen Lösungen für CO2-freundliche Antriebe, so Gottschalk. Allerdings dürften beim Kunden keine Erwartungen geweckt werden, die der Hybrid nicht einhalten könne. In den USA gebe es erste Absatzstockungen und Beschwerden von Autofahrern darüber, dass die tatsächlichen Verbrauchswerte im alltäglichen Betrieb die offiziellen Normangaben deutlich überschritten. Das habe – so Gottschalk – die Umweltbehörde EPA bereits veranlasst, die amtlichen Zahlen über den Normverbrauch von Hybridfahrzeuge jetzt nach oben zu korrigieren.

Ein moderner Dieselmotor verbrauche im Durchschnitt ein Viertel weniger Kraftstoff als ein vergleichbarer Benziner. „Wer Weltmeister in der Dieseltechnologie ist, hat auch bei CO2 die Trumpfkarte in der Hand“, so Gottschalk. Er verwies zudem darauf, dass fast neun von zehn deutschen Diesel-Neufahrzeugen mittlerweile mit Partikelfilter bestückt seien: „Unsere Wettbewerber, deren Anteile wesentlich geringer ausfallen, sind bei diesem Thema inzwischen recht schweigsam geworden.“

Politik oder doch nur Aktionismus?

Schon heute gibt es 334 Modelle deutscher Marken, die weniger als 6,5 Liter auf 100 km verbrauchen. Im Durchschnitt verbrauchen deutsche Neufahrzeuge heute rund zwei Liter weniger als 1990. Gottschalk: „Knapp jeder zweite in Deutschland verkaufte neue Pkw verbraucht weniger als 6,5 Liter/100 Kilometer. Das sind fünfmal mehr Fahrzeuge als vor zehn Jahren. Das ist der Beweis einer frühzeitig begonnenen CO2-Offensive.“ Das beste Klimaschutzprogramm sei daher eine Erneuerung des Bestands, dessen Durchschnittsalter bereits bei über acht Jahren liegt.

Die deutschen Neufahrzeuge haben mit minus 25 Prozent deutlich stärkere Verbrauchsminderungen erreicht als der Durchschnitt der in Deutschland abgesetzten ausländischen Marken (minus 16 Prozent). Gottschalk betonte, dass die deutschen Autos auch die größten Effizienzzuwächse erreicht hätten: „Heute holen deutsche Neuwagen 57 Prozent mehr Leistung aus der gleichen Kraftstoffmenge heraus als 1990. Wir müssen uns also in Sachen Effizienz und CO2 nicht vor den Wettbewerbern verstecken.“

Die Positionen sind also bezogen. Nun bleibt abzuwarten, ob die noch eine Chance haben, in der Öffentlichkeit oder bei den Politikern durchzudringen. Noch gibt es Hoffnung, denn die ersten Leitmedien beginnen, die Rolle der Politik in dieser Diskussion zu hinterfragen und die Politiker des Aktionismus zu bezichtigen. Vielleicht hilfts.

(ar/Sm)

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