Goodwood Revival 2012 – Der Lord bittet in die Vergangenheit

Wenn im Frühherbst in der südenglischen Grafschaft Sussex plötzlich mehr historische Fahrzeuge auf der Autobahn sind als aktuelle Modelle, dann kann das Goodwood Revival nicht mehr weit sein. Wo sonst folgen Menschen so begeistert dem Aufruf zur Kostümierung im Look der vierziger bis fünfziger Jahre? Wo sonst gilt das Retro-Feeling auf der Rennbahn auch für Streckenposten, Mechaniker, Boxengasse, Budenstrasse und Imbissstände?

Hollywood inszeniert aufwändige Zeitreisen für Dollarmillionen, Lord March brauchte dazu nur den alten Rennkurs von Goodwood, den sein Großvater Freddie 1948 eröffnet hatte, und eine zündende Idee. Dazu der Spleen der Engländer und ihre Leidenschaft für Rennsport aller Art. Ganz so einfach ist es natürlich nicht, aber seit seiner Premiere 1998 ist das Revival des Aristokraten mit Benzin im Blut ein Muss für Renngrößen, Klassiker-Fans und historische Abteilungen der Autohersteller. Das donnernde, fauchende, röhrende Aufgebot für die Ausgabe 2012 war eindrucksvoll: zum 50. Jubiläum der AC Cobra kamen 30 Stück dieser legendären britisch-amerikanischen Koproduktion zum Einsatz sowie ein ganzer Stall voll seltener Ferrari 250 [foto id=“436279″ size=“small“ position=“left“]GTO, die gegeneinander antraten. Die Krönung des Spektakels waren aber die geradezu royalen Silberpfeile von Audi und Mercedes, die in unerreichter Dichte hier zu bestaunen waren.

Nostalgie ist ein zu sanftes Wort für das Erlebnis, hier Vorkriegs-Alfas, Bentleys, Delahayes, Talbot-Lagos und Kompressor-Mercedes auf der Renngeraden zu erleben. Aufgeteilt in Epochen, kämpften mal Lotus und Jaguar aber auch ein Sunbeam Lister Tiger und eine Borgward Isabella TS um die Pole Position. Dabei sein ist alles (wenn auch nur auf Einladung von Lord March): unter die jung gebliebenen Boliden im Renntrimm mischten sich auch selbstbewusst Strassenmodelle von einst wie ein Morris Minor, ein Renault 4CV. Am Steuer dieser Oktan-Zeitreise: betuchte Hobbyfahrer mit Rennlizenz, prominente Rennbegeisterte wie Rowan Atkinson alias Mr. Bean und Champions von einst wie Rauno Aaltonen, Derek Bell oder Jochen Mass. Auch Adrian Newey, der Renndirektor des aktuellen Red Bull-Formel Eins-Teams räumte Platz im Terminkalender frei, um hier teilnehmen zu können.

Bei den Motorradrennen fuhr beispielsweise Filmstar Ewan McGregor mit. BMW hatte für die historischen Zweiradrennen siegverwöhnte Maschinen aus der Zeit von 1936 bis 1967 im Gepäck, darunter die R 5 und die R 5 SS. „Eine unvergleichliche Atmosphäre“, begeisterte sich Hermann Bohrer, Werksleiter Motorrad Berlin, der auf einer R S 53 unterwegs war. Neben Wolfgang Meier, dem Neffen des BMW-Urgesteins Schorsch Meier, schwang sich auch der passionierte Rennfahrer und Anwalt Sebastian Gutsch in den Sattel und belegte auf der BMW R 5 SS sogar einen dritten Platz. „Die Strecke ist wirklich sehr anspruchsvoll und das mit einer alten Gangschaltung und Bremsen, die lange nicht so leistungsfähig sind wie heute.“

Wenn mal nicht tollkühne Männer das Geschehen beherrschten, ließen sich die Besucher an originalgetreuen Nachbauten von Auto-Showrooms und Shops vorbeitreiben. Pan Am-Stewardessen im Sixties-Outfit, Rock ´n´ Roll-Mädchen in Petticoatkleidern und Lederjacken-Rebellen Schulter an Schulter mit britischen Veteranen in Uniform, Hippies und Damen mit Pelzstola und schickem Hütchen im Stil der vierziger Jahre. Die augenzwinkernde Selbstinszenierung kannte keine Grenzen beim Detail – bis hin zu Vintage-Kinderwagen für den Nachwuchs und ölverschmierte Gesichter bei den Gästen im Retro-Rennoverall. Eine Reise zurück im Zeitraffer-Tempo.[foto id=“436280″ size=“small“ position=“right“]

Und wenn dann noch aus den Tanzzelten live Musik aus der Big Band- und Elvis-Zeit gespielt wird und bei der Goodwood-Flugshow Spitfire-Kampfmaschinen und ein Lancaster-Bomber über die Köpfe hinweg rauschen, wird dieser Als-ob-Eindruck verblüffend real.

Um die Zukunft seines Unternehmens muss sich der Earl of March keine Sorgen machen: bei einem eigenen Tretautorennen kämpften die Kids um den Siegerlorbeer aus den Händen von keinem geringeren als Motorsportikone Sir Stirling Moss. Damit ist für die Zukunft der Weg zurück in die glorreiche Vergangenheit vorgezeichnet.

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