IAA: Aerodynamik und Leichtbau – Fliegengewichte gegen den Wind

Wenn Autos sparsamer werden sollen, darf man nicht allein am Motor ansetzen. In den vergangenen Jahren ist daher der Leichtbau immer wichtiger geworden. Auf der IAA findet die Entwicklung nun ihren vorläufigen Höhepunkt. Und auch die lange etwas stiefmütterlich behandelte Aerodynamik rückt wieder in den Fokus.

Wenn bisher von Gewichtseinsparungen durch Leichtbautechnik die Rede war, ging es fast immer nur um wenige Kilos. Die waren schwer erkämpft und teuer bezahlt – einen großen Netto-Gewinn bringt das aber meist nicht, da der wachsende Ausstattungsumfang einen Großteil des Diät-Erfolgs wieder auffraß.[foto id=“482515″ size=“small“ position=“right“]

Nun setzt aber BMW mit dem i3 ein Ausrufezeichen: Als erstes Großserienauto der Welt ist der Elektro-Kleinwagen zu großen Teilen aus dem bislang sündhaft teuren Karbon gefertigt. Die Fahrgastzelle etwa besteht komplett aus dem kohlefaserverstärkten Kunststoff. Das war nötig, um das durch die Akkus entstehende Mehrgewicht von 200 bis 300 Kilogramm gegenüber konventionell angetriebenen Fahrzeugen zu kompensieren.

Der Fünftürer wiegt nun mit 1.195 Kilogramm nicht viel mehr als etwa der Kleinwagen Mini aus dem gleichen Konzern. Neben dem Karbon haben daran auch viele kleinere Details wie Schrauben aus Magnesium oder leichte Sitze aus recycelten PET-Flaschen ihren Anteil. Galaktisch teuer ist der 125 kW/170 PS starke i3 trotzdem nicht geworden; mit 34.950 Euro kommt er nicht kostspieliger als etwa die Elektro-Version des Golf daher, die auf dem konventionell angetriebenen Modell basiert.[foto id=“482516″ size=“small“ position=“left“]

Die Verbrauchseinsparungen durch Leichtbau fallen auf lange Sicht deutlich aus. Je nach Rechenweise sinkt der Durst eines Autos pro eingesparten 100 Kilogramm um 0,1 bis 0,3 Liter auf 100 Kilometern. Ihr ganzes Potential kann die Technik aber nur im Stadtverkehr ausspielen, wo das Auto ständig aus dem Stand beschleunigt werden muss.

Erst einmal in Fahrt, sinkt die Bedeutung der Masse. Je nach Automodell tritt sie bereits ab Geschwindigkeiten von 50 km/h hinter den Luftwiderstand zurück. Je schneller man unterwegs ist, desto wichtiger wird die Rolle der Aerodynamik. Eine Reduzierung des Luftwiderstandes um zehn Prozent kann bei Tempo 120 den Verbrauch um drei bis vier Prozent senken.

Trotz des großen Potenzials und geringer Kosten – zumindest die Gestaltung einer windschlüpfigen Karosserieform ist nicht prinzipiell teurer als die jeder anderen – hat der cW-Wert seit seiner Hochzeit in den 80er-Jahren permanent an Bedeutung verloren. Das liegt nicht zuletzt an den Kriterien des NEFZ-Verbrauchszyklus, der seit 1996 die Bedeutung des Luftwiderstandes für gute Normwerte minimiert hat – unter anderem einer der Gründe für den Boom der SUV-Klasse. Denn die haben einen effektiven Windwiderstand wie eine Schrankwand, erreichen aber trotzdem vergleichsweise ordentliche Normverbräuche.

Die Unterbewertung der Aerodynamik könnte aber bald ein Ende haben, wenn neue Messverfahren für den Normverbrauch in Kraft treten. Das dürfte dann vor allem Mercedes freuen. Die Stuttgarter haben auch in den vergangenen Jahrzehnten an der unpopulären Optimierung der Aerodynamik festgehalten.

Welche Ergebnisse mit Feinschliff im Detail erreicht werden können, zeigt auf der IAA etwa die neue S-Klasse. In der verbrauchsoptimierten Variante S 350 Bluetec kommt die Oberklasselimousine auf einen hervorragenden cW-Wert von 0,24. Der effektive Luftwiderstand cW*A – die aussagekräftigere Größe, da hierbei die Stirnfläche mit einberechnet wird – liegt bei 0,59. Vor allem bei Langstreckenautos wie dem Daimler-Flaggschiff merken die Fahrer das an der Tankstelle stärker als ein geringes Gewicht.

Die besten Ergebnisse gibt es allerdings, wenn Leichtbau und geringer Luftwiderstand Hand in Hand gehen – etwa beim Ein-Liter-Auto VW XL1. Der Zweisitzer mit Diesel-Hybridantrieb ist mit seiner flachen und breiten Karosserie ganz auf Windschlüpfigkeit gestylt und unterbietet mit einen cW-Wert von 0,189 die magische Grenze von 0,2 – allerdings um den Preis eines fast schon skurrilen Aussehens.

Hinzu kommt ein Gewicht von nur 795 Kilogramm, so dass unterm Strich ein Verbrauch von 0,9 Litern Diesel herauskommt. Rechnen tut sich das für den Käufer aber kaum: Bei einem Preis von rund 111.000 Euro lässt sich der Minderverbrauch wohl auch in Jahrzehnten nicht einfahren.

Doch künftig werden die Bedeutung von Leichtbau und Aerodynamik auch in Alltagsautos wachsen. Vor allem Elektroautos und andere Fahrzeuge für den städtischen Stop-and-go-Verkehr werden dabei wohl vor allem auf ersteres setzen, da die meist hochbauenden Karosserien beim Windwiderstand prinzipiell schlecht abschneiden. Auch für Sportwagen ist die Technik aufgrund ihrer fahrdynamischen Vorteile interessant.

Bei Langstreckenautos hingegen wird wohl zunächst eher die Rolle der Aerodynamik wichtiger werden. Und wenn die Karbon-Strategie von BMW aufgeht und der Werkstoff künftig billiger wird, wird er wohl auch verstärkt in der Oberklasse Einzug halten und den üblichen Weg durch die Segmente nach unten nehmen.

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