Kommentar: Herr der Bilder

Ein privates Fernsehteam aus Köln hatte es gewagt, mit Kamera in den Ausstellungspavillon vorzudringen, in dem die Weltpremiere für den neuen Audi A8 vorbereitet wurde. Das gab Ärgern mit den Öffentlich-rechtlichen, die sich an die Absprache gehalten hatten, nichts vorher zu drehen und mit Audi – dem Herren der Bilder. Nichts sollte vor dem Big Bang an der Atlantikküste von Miami Beach in die Öffentlichkeit gelangen, bevor es die Ingolstädter nicht selbst wollten.

Mit einem Schlag, von null auf 100 in weniger als zehn Stunden, sollten die Bilder von der neuen großen Limousine in der ganzen Welt zu sehen: bei der TV-Übertragung der Weltpremiere im Internet, mit den Bildern Hunderter Journalisten mit Fotoapparat und TV-Kameras vor Ort, mit dem eigenen Internet-Presseportal, mit dem rechtzeitigen Versand der Unterlagen an die Medien, so dass sie am nächsten Morgen auf den Redaktionsschreibtischen langen. Sechs Stunden Zeitunterschied zwischen Miami und Ingolstadt kamen dem entgegen. Wenn die Deutschen aufstanden, hatten sie das Material aus allen Quellen parat. Und in Asien traf die Botschaft mediengerecht am Vormittag ein.

Einen so konsequenten – im Wortsinn – Rundumschlag haben die PR- und die Medienwelt schon lange nicht mehr erlebt.

Mit dem Internet war für die PR-Leute der Automobilindustrie eine neue Lage entstanden. Wo immer sie auch ihre erste Präsentation abhielten, war einerlei. Das Netz verbreitete die Daten blitzschnell und weltweit. Damit war die alten Zeiten vorbei, in denen man ein Auto Land für Land vorstellen und mit Sperrfristen erreichen konnte, dass in diesem Land alle halbwegs zur gleichen Zeit veröffentlichten. Sperrfristen gibt es immer noch, auch wenn sie einen neuen Namen (Embargo) ragen. Aber sie helfen nicht, weil…siehe oben unter Internet.

Als Konsequenz daraus haben sich viele auf eine Präsentation in kleinen Häppchen gestürzt. Erst gibt’s eine Skizze, dann ein geduldetes Erlkönig-Foto vom Neuen in Tarnung, dann guckt die Schnauze aus einer Garage, schließlich gibt es Fotos vom ganzen Fahrzeug und ein paar Daten und so weiter, bis dann die Premiere ihre Sensation verloren hat und man sich in Ruhe auf die Messe oder auf die übliche Reihe von Fahrzeugpräsentationen für die Presse und schließlich auf die Vorstellung beim Handel konzentrieren kann.

Das funktioniert, was schon bei vielen Autos zu beweisen war. Und doch nimmt es dem Neuen einen Teil von seinem Reiz. Die Überraschung und das Aha-Erlebnis, wie man es aus früheren Zeiten besonders von wichtigen Marken und deren wichtigen Neuerscheinungen her kennt, fallen weg. Manche in den Presseabteilungen und in den Medien bedauern das, weil so auch die wichtigste Neuerscheinung eines Unternehmens unter seinem eigentlichen Nachrichtenwert verkauft wird.

Audi versucht es nun einmal wieder auf die alte Tour mit einem Big Bang. Das ist ganz sicher nicht die billigste Art, ein Auto vorzustellen, aber vielleicht gerade bei den Modellen, die Flaggschiff-Charakter haben, dennoch eine, die sich bezahlt macht. Der Ort des Geschehens – Miami Beach in Florida – war dafür eine geschickte Wahl. Das Umfeld bietet das ganz besonderes Flair einer trendigen Hauptstadt von Kunst, Kultur und Design, Sommerwetter im Winter und den unschätzbaren Vorteil: Die Hauptmärkte USA. Asien und Europa bekommen ihre Informationen nahezu zeitgleich serviert. Solche Big Bangs machen Sinn. Beim „Auto-Medienportal“ jedenfalls sind Text und Fotos aus Miami sofort auf den Platz eins der Bestenliste gesprungen.

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