Mehr Bus als Bahn: Die Zukunft des ÖPNV

Vor großen Herausforderungen im Bereich der Mobilität steht die ganze Welt: Wissenschaftliche Analysen zeigen, dass bereits heute 50 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. In der EU sind es schon über 60 Prozent und die Verstädterung wird in den nächsten Jahrzehnten zunehmen, auch in Deutschland.

Sich in diesen dicht besiedelten Gebieten mit dem Pkw fortzubewegen, fällt jetzt schon schwer. Lösungen für die Probleme liegen weniger im Individualverkehr mit dem Auto, sondern mehr in einem guten öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Damit dieser eine verlockende Alternative zum eigenen Pkw darstellt, muss er sich deutlich verändern beziehungsweise stark verbessern.

Lifestyle und Lebenqualität

„Guter ÖPNV ist Lifestyle und steigert die Lebenqualität“, erklärt Hans Rat, Generalsekretär der Internationalen Vereinigung für Öffentlichen Nahverkehr UITP auf dem Mercedes-Benz Symposium „Mobilität für die Zukunft – Ideen von Heute für Morgen“ zu berichten. Er hat mit vielen Kommunen in der ganzen Welt unterschiedliche Bus- und Bahnprojekte ins Leben gerufen.

Der Erfolg gibt ihm recht. So werden beispielsweise mit einer Bus Rapid Transit-Strecke (BRT) in Istanbul mehr als 50 000 Menschen in der Stunden befördert. Bei BRT-Systemen fahren Busse auf eigenen Spuren mit passender Ampelschaltung. Niedrige Einstiege an den Bussen und das elektronische Fahrkartensystem ermöglichen einen schnellen Ein- und Ausstieg, so dass an Haltestellen weniger Standzeiten anfallen, als bei herkömmlichen Bussystemen.

Ein weiteres Beispiel ist das Car- und Bikesharing in Frankreich. In ländlichen Regionen Frankreichs hat sich ein System etabliert, bei dem mit einer Spezialfahrkarte vom Zug auf ein Leihwagen umgestiegen werden kann. An einigen Bahnhöfen finden sich dementsprechend die Automietstationen. Die Nutzung wird über die Spezialfahrkarte abgerechnet. In Paris stehen an den Stationen der Untergrundbahn Metro Mietfahrräder, die immer häufiger genutzt werden. Laut Hans Rat wird zudem eine weitreichende Umgestaltung des ÖPNV nötig, weil die junge Generation von heute ein anderes Verständnis im Bezug auf den Verkehr hat. Zwar besitzen auch diese Menschen immer noch eine gewisse Begeisterung für Autos, doch im Gegensatz zu älteren Menschen teilen sie diese Vorliebe mit Enthusiasmus für andere Dinge. Ein Führerschein und ein Auto haben für viele von ihnen nicht eine solche Priorität wie es bislang üblich war. Das Geld dafür wird lieber für anderes ausgegeben.

Stadtmenschen denken zudem praktisch: Wohin mit dem Auto, wenn es nicht gebraucht wird? Parkplatznot und die Kosten für Parkraum lassen gerade junge Menschen in Städten von einem eigenen Pkw Abstand nehmen. Sie nutzen schon jetzt lieber den ÖPNV und liebäugeln mit Carsharing.Wie viel Potenzial in den Bussen und Bahnen steckt, zeigt die Milieuforschung der SIGMA -Gesellschaft für Internationale Marktforschung und Beratung.

Untersucht wurden in den letzten Jahren regelmäßig die Nutzung von 37 unterschiedlichen Mobilitätsformen, vom Automobil bis hin zu den öffentlichen Nahverkehrsmitteln Bus, Straßenbahn, Vorortzug und U-Bahn. Auch das Fahrrad sowie die Nutzung von Intercity und Flugzeug wurden mit einbezogen. Dabei wurde nach Intensitätsstufen, von der täglichen Nutzung bis hin zur völligen Weigerung, unterschieden. Außerdem wurden die Befragten nicht nach den Kriterien der klassischen Marktforschung nach „Alter“, „Einkommen“ und „Geschlecht“ eingeteilt, sondern nach sozialen Milieus, bei denen die Menschen nach charakteristischen Einstellungen, Lebensauffassungen, Lebensstile sowie Werteorientierungen unterschieden werden.

Gemäß dieser Analyse wird der ÖPNV nicht nur von älteren Menschen oder Personen mit geringer Bildung und niedrigem Einkommen genutzt, sondern zunehmend auch von Menschen mit einer modernen Lebenseinstellung, gehobenen Bildung und höherem Einkommen. Enormes Wachstumspotenzial für den Nahverkehr steckt vor allem in den Gesellschaftsschichten mit liberaler bis moderner Einstellung und entsprechender Bildung, wie der geschäftsführende Gesellschafter der SIGMA, Jörg Ueltzhoeffer, diagnostizierte.

Smart Mobility-Mix

Außerdem werden das Auto und die öffentlichen Verkehrsmittel bei den meisten Menschen nicht als einander ausschließende Transportmittel verstanden, sondern als sich ergänzende. Deshalb gehöre laut Ueltzhoeffer die Zukunft dem „Smart Mobility-Mix“, unterstützt von schadstoffarmen oder schadstofffreien Antrieben und IST-Konzepten (Intelligent Transport Systems), für die innovative Bus-Verkehrskonzepte eine Vorreiterrolle spielen können. Ein wesentlicher Vorteil des Buseinsatzes gegenüber Straßenbahnen und Zügen ist, dass Busse entsprechend der Kundenbedürfnisse individueller und flexibler eingesetzt werden können. Sowohl die Haltepunkte als auch die Fahrtwege können nach den Verkehrsflüssen gestaltet werden, während Bahnen stets die einmal gelegten Schienenstrecken nutzen müssen.

Um eine entsprechende Veränderung im öffentlichen Nahverkehr herbeizuführen, bedarf es vor allem einer Konzeptumsetzung in den Gemeinden und Kommunen. Doch dies ist oft mit Kosten für bauliche Maßnahmen verbunden.

Auch der Einsatz neuer Busse steht dabei meist auf dem Programm. Die würde gern Daimler liefern, die unter anderem mit dem Citaro Fuelcell-Hybrid entsprechende Produkte im Angebot haben. Der Brennstoffzellen-Hybridbus feierte jetzt auf den Mercedes-Omnibus-Tagen (MOT) Deutschlandpremiere und wird voraussichtlich Mitte 2010 mit zehn Einheiten für den regulären Einsatz bei der Hamburger Hochbahn zur Verfügung stehen.

Mit dem Wasserstoffbus sollen schadstofffreie und fast geräuschlose Fahrten möglich sein. Angetrieben wird der Bus von Elektromotoren mit 120 kW/163 PS Leistung, der Strom dafür stammt zum einem aus Akkus mit einer Kapazität von 27 kWh und aus zwei Brennstoffzellenstacks, die getankten Wasserstoff in Strom umwandeln.

Kommunen, denen das Geld für solch innovative Projekte fehlt, können auch mit herkömmlichen Bussen einen attraktiven Personennahverkehr auf- und ausbauen. Dass sie es müssen, um als Wohn- und Industriestandort attraktiv zu bleiben, dürfte angesichts der zunehmenden Verstädterung und der wachsenden Zahl an Staus auf den Straßen und der steigenden Luftverschmutzung in den Ballungsgebieten nicht zu übersehen sein.

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